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Was Sie zum Aktienrechts-Änderungsgesetz 2019 unbedingt wissen müssen: Die wesentlichen Neuerungen für börsenotierte Gesellschaften im Überblick

08/08/2019

Vorstände und Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften, die im geregelten Markt börsenotiert sind, werden in zentralen Bereichen ihrer Tätigkeit mit neuen Bestimmungen konfrontiert. Die EU hält den österreichischen Gesetzgeber auf Trab. Dieser hat nun die 2. Aktionärsrechte-Richtlinie umgesetzt und – trotz Regierungskrise – Änderungen beschlossen, die – vielleicht auch für Sie – weitreichende Konsequenzen mit sich bringen.

So unterliegen bei börsenotierten Aktiengesellschaften nunmehr wesentliche Geschäfte mit nahestehenden Personen einem gänzlich neuen Publizitätsregime (Related Party Transaction). Zudem wird bereits die nächste Hauptversammlungssaison im Zeichen der neuen Vergütungsregelungen für Vorstand und Aufsichtsrat stehen (Say on Pay). Hier erfahren Sie, wie Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen nun geregelt sind und was in puncto Vergütungspolitik zu tun ist.

Related Party Transactions: Zustimmung und Veröffentlichung

Seit dem 31.7.2019 sind bestimmte wesentliche Geschäfte, die eine börsenotierte Aktiengesellschaft oder ihre Konzerngesellschaften mit nahestehenden Personen („related party“) abschließt, vom Aufsichtsrat zu genehmigen oder zusätzlich auch im Zeitpunkt ihres Abschlusses zu veröffentlichen.

Die Frage der Wesentlichkeit

Als „wesentlich“ gilt hierbei gemäß § 95a AktG ein Geschäft, dessen Wert 5% der Bilanzsumme (Konzernbilanzsumme bei Mutterunternehmen) überschreitet. Ab dieser Schwelle bedarf das Geschäft mit der nahestehenden Person der Zustimmung des Aufsichtsrates. Über einem Wert von 10% der Bilanzsumme ist das Geschäft unter Angabe aller notwendiger Informationen zu veröffentlichen, um dessen Angemessenheit zu beurteilen (idR über ad-hoc Service).

Nahestehende Personen (zumindest teilweise) klar definiert

Der Begriff der „nahestehenden Personen“ richtet sich nach den äußerst umfangreichen internationalen Rechnungslegungsstandards (IAS 24). Der häufigste Fall einer nahestehenden Person sind Aktionäre des börsenotierten Unternehmens, die an diesem mit wenigstens 20% beteiligt sind, sowie Unternehmen, an denen das börsenotierte Unternehmen selbst zu mindestens 20% beteiligt ist. Syndizierte Anteile sind in der Regel zusammenzurechnen. Ferner gibt es zahlreiche weitere Fälle, wann eine Person, sei es eine natürliche oder juristische Person, als „nahestehende Person“ anzusehen ist; die Abgrenzung ist jedoch oft recht diffizil.

Überarbeitung der Geschäftsordnungen gefragt / Stimmverbot

Vorstand und Aufsichtsrat sollten daher überprüfen, ob ihre Geschäftsordnungen sämtliche wesentlichen related party transactions als zustimmungspflichtige Geschäfte erfassen. Textlich kann dies über eine Generalklausel geregelt werden. Prozessual ist zu beachten, dass Aufsichtsratsmitglieder, die als related party gelten, bei der Beschlussfassung im Aufsichtsrat von der Abstimmung ausgeschlossen sind (beispielsweise Vorstandsmitglied eines wesentlich beteiligten Aktionärs, das zugleich Aufsichtsratsmitglied ist).

Laufendes Monitoring notwendig

Geschäfte mit derselben related party innerhalb eines Geschäftsjahres sind zusammenzurechnen. Deshalb ist zu monitoren, ob mehrere Geschäfte mit einer related party nun den Schwellenwert von 5% und von 10% übersteigen. Ist dies der Fall, sind die Zustimmungen einzuholen und darüber zu berichten. Regelmäßig werden hierbei aber Tatbestände eines breiten Ausnahmekatalogs erfüllt sein, wie zum Beispiel Geschäfte mit Tochterunternehmen oder Geschäfte, die zu marktüblichen Bedingungen abgeschlossen werden.

Say on Pay: Verpflichtende Vergütungspolitik

Neue Transparenz der Vergütungspolitik für Vorstand und Aufsichtsrat

Die neue Vergütungspolitik gilt für neue Geschäftsjahre, die nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen beginnen. Künftig sind Hauptversammlungsbeschlüsse über die Vergütungspolitik einzuholen. Da das Aktienrechts-Änderungsgesetz rückwirkend mit 10.6.2019 in Kraft tritt, betrifft dies zum Beispiel bei einem Bilanzstichtag am 31.12.2019 somit die ordentliche Hauptversammlung im Geschäftsjahr 2020. Zunächst ist die Vergütungspolitik für die Vergütung des Vorstandes und des Aufsichtsrats vom Aufsichtsrat selbst zu beschließen und sodann der Hauptversammlung 2020 zur Beschlussfassung vorzulegen.

Was ist die Vergütungspolitik?

Die Vergütungspolitik ist eine umfassende Darstellung aller bestehenden Vergütungskomponenten. Die von der Hauptversammlung beschlossene Vergütungspolitik bindet den Aufsichtsrat bei der Ausgestaltung der Vorstandsverträge. Der Aufsichtsrat kann den Vorstandsvertrag daher nicht mehr weitgehend frei verhandeln, sondern hat die von der Hauptversammlung beschlossene Vergütungspolitik auszugestalten. Das Votum der Hauptversammlung über die Vergütungspolitik ist allerdings nur beratend, sodass doch der Aufsichtsrat letztlich über die Ausgestaltung der Vorstandsvergütungen bestimmt. Im Sinne einer good corporate governance wird freilich die Meinung der Hauptversammlung ein wesentliches Kriterium bei der Vergütungszusage an Vorstandsmitglieder sein.

Inhalt der Vergütungspolitik

In der Vergütungspolitik anzugeben sind insbesondere alle fixen Vergütungsbestandteile (Grundgehalt, Pensionszahlungen, aber auch fringe benefits oder Nebenleistungen wie Versicherungsprämien etc.) sowie alle variablen Vergütungsbestandteile, einschließlich der Kriterien für deren Gewährung (beispielsweise Finanzkennzahlen oder auch nicht-finanzielle Kriterien). Anzugeben ist auch das relative Verhältnis der einzelnen Vergütungsbestandteile in Relation zur festen Vergütung (zum Beispiel Bonus bis zu maximal 250% der Festvergütung).

Komplexität der Vergütungspolitik

Der Aufwand an die Erstellung einer umfassenden Vergütungspolitik im Sinne der Aktionärsrechte-Richtlinie sollte nicht unterschätzt werden. Ein Blick in die Geschäftsberichte deutscher Unternehmen oder des Vereinigten Königsreichs veranschaulicht die Komplexität solcher Regelwerke, die bis zur Angabe der D&O-Versicherungsprämie, die die Gesellschaft trägt, oder etwa auch des Aufwandsersatzes an ein Vorstandsmitglied für Kosten seines Umzugs reichen.

Fazit

Der Aufsichtsrat ist daher gut beraten, frühzeitig vor der nächsten Hauptversammlungssaison mit der Erstellung der Vergütungspolitik für die Gesellschaft zu beginnen. Gleiches gilt für die ab sofort notwendige Anpassung der Geschäftsordnungen zur Erfassung aller related party transactions und die Aufnahme entsprechender Konfliktregeln für befangene Aufsichtsratsmitglieder.

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Johannes Reich-Rohrwig
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