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Ausweisung ohne Prüfung der beruflichen Integration unzulässig

12/11/2014

Die Ausweisung einer legal als Prostituierte arbeitenden Asylwerberin wegen mangelhafter Integration verletzt diese in ihrem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 EMRK).

Die gebürtige Nigerianerin hatte nach ihrer Einreise nach Österreich im Jahr 2004 einen Asylantrag gestellt. Aus Angst vor Verfolgung durch die Familie ihres damaligen Freundes sei sie geflohen und letztlich in Österreich gelandet.

In Österreich besuchte die Asylwerberin Deutschkurse und beantragte bereits nach einem Monat eine Bewilligung zur Ausübung des Gewerbes der Prostitution – eine der wenigen Beschäftigungen, der Asylwerber in Österreich legal nachgehen dürfen.

Ihrem Asylantrag wurde weder vom Bundesasylamt noch vom Unabhängigen Bundesasylsenat Folge gegeben. Im September 2012 bestätigte der Asylgerichtshof schließlich die Abweisung des Asylantrags und verfügte die Ausweisung der Asylwerberin nach Nigeria.

Der Verfassungsgerichtshof hob diese Entscheidung auf. Er bemängelte die Begründung des Asylgerichtshofs, die Asylwerberin habe aufgrund der negativen Entscheidungen in den unteren Instanzen von einem „ungesicherten Aufenthalt“ ausgehen müssen. Die erhebliche Verfahrensdauer von mehr als sieben Jahren durfte nach Ansicht des VfGH durchaus Hoffnungen wecken, dass nicht zwangsläufig mit einer Ausweisung zu rechnen sei. Im Übrigen liege es in der Verantwortung des Staates, derartig lange Verfahren zu vermeiden.

Der Asylgerichtshof habe aber auch die fortgeschrittene Integration der Asylwerberin nicht gewürdigt: Diese verständigte sich etwa in der Berufungsverhandlung auf Deutsch, weshalb nicht von einer unzureichenden sprachlichen Integration ausgegangen werden könne. „Noch schwerer wiegt“ aber nach Ansicht des VfGH die Widersprüchlichkeit des Urteils des Asylgerichtshofs in Bezug auf die Beschäftigung der Asylwerberin: Der Asylgerichtshof hatte einerseits betont, wie wichtig eine berufliche Beschäftigung für die Integration Fremder sei; andererseits bemängelte er, die Antragstellerin habe sich nicht bemüht, außerhalb des Prostitutionswesens eine ordentliche Beschäftigung in Österreich zu finden. Der Asylgerichtshof habe dabei – so der VfGH – vollkommen unberücksichtigt gelassen, dass die Asylwerberin nicht nur einer legalen Beschäftigung nachgeht, sondern dadurch auch erheblich zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit beiträgt.

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Florian Kromer