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Bloße Vertragsanpassung wegen Wuchers nicht möglich

Wird ein Vertrag wegen Wuchers angefochten, so kann nur seine Gesamtnichtigkeit ausgesprochen werden.

29/09/2016

Kürzlich wollte ein Vertragspartner eines Baurechts- und Dienstbarkeitsvertrags aufgrund von Wucher eine Anpassung des Entgelts wegen Teilnichtigkeit erlangen. Die aus dem Gesetzeswortlaut abzuleitende Gesamtnichtigkeit des Vertrages bei Wucher wollte der Kläger gerade nicht. Der OGH beurteilte die Frage, ob eine bloße Anpassung eines wucherischen Vertrages überhaupt möglich ist (7 Ob 115/16m).

Ein Vertrag ist wegen Wuchers gemäß § 879 Abs 2 Z 4 ABGB nichtig, wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einen Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zu dem Wert der Leistung in auffallendem Missverhältnis steht.

Demnach müssen folgende drei Tatbestandsmerkmale im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kumulativ vorliegen1: Ein auffallendes Missverhältnis zwischen Wert und Leistung bzw Gegenleistung; der Begünstigte muss dieses Missverhältnis gekannt haben; der Benachteiligte war daran gehindert, seine Interessen gehörig wahrzunehmen. Fehlt eine dieser Voraussetzung, handelt es sich nicht um ein wucherisches Rechtsgeschäft2.

Nach der Rechtsprechung gelten die Bestimmungen des § 877 ABGB für alle nichtigen Verträge, also auch für nichtige Verträge aufgrund von Wucher3. § 7 Abs 1 WuchG lässt eine boße Teilnichtigkeit nicht zu, da beide Vertragspartner alles, was sie aus dem nichtigen Geschäft als Vorteil erhalten haben, zurückzustellen haben. Das Gesetz beseitigt somit den ganzen Vertrag und nicht nur dessen wucherische Bestimmung4. Dies gilt grundsätzlich für alle Vertragstypen, mit Ausnahme von Darlehens- und Kreditverträgen – ohne diese ausdrücklich auszusprechen – in Anlehnung an § 35 Abs 2 KSchG (vgl auch § 7 Abs 2 WuchG), bei denen eine Teilnichtigkeit normiert wird. Lediglich die in § 7 Abs 2 WuchG angeführten Rechtspositionen sind mit Teilnichtigkeit bedroht.

Aus den Gesetzesmaterialien zum KSchG ist zu entnehmen, dass der Wortlaut des § 7 Abs 1 WuchG es ausschließt, den mit Wucher behafteten Vertrag nur hinsichtlich der Entgeltvereinbarung als (teil-)nichtig zu betrachten. Der Gesetzgeber hielt auch trotz Einführung des § 7 Abs 2 WuchG an diesem Grundsatz fest.

Ein Klagebegehren, das die Anpassung eines wucherischen Vertrages – welcher sich nicht unter den in § 7 Abs 2 WuchG genannten Verträgen befindet – wegen Teilnichtigkeit anpassen will, ist als unschlüssig abzuweisen.


1. OGH 7 Ob 80/07a; RIS-Justiz RS0016912.
2. RIS-Justiz RS0016864.
3. 7 Ob 11/65, RIS-Justiz RS0016327.
4. OGH 4 Ob 505/64; 7 Ob 111/65.

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Johannes Reich-Rohrwig
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