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Der Weg zum gläsernen Unternehmen: Transparente Unternehmensbesteuerung

02-2016

Den EU-Finanzbehörden entgehen jährlich Steuereinnahmen bis zu € 70 Mrd. aufgrund aktiver Steuermeidungspolitik von Konzernen, etwa durch grenzüberschreitende Gewinnverschiebungen.

Die OECD hat im Rahmen des BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting "BEPS") einen Aktionsplan veröffentlicht, der bestimmte Steuerkonstruktionen in Zukunft verhindern soll. Dieser enthält ua Leitlinien zur Verrechnungspreisdokumentation. Vor diesem Hintergrund soll in Österreich ein Verrechnungspreisdokumentationsgesetz (VPDG) erlassen werden. Betroffen sind Unternehmen und Konzerne ab EUR 50 Mio Jahresumsatz.

Auch die Änderung des EU-Amtshilfegesetzes und Einführung des automatischen Informationsaustausches soll für mehr Transparenz sorgen. All diese Gesetzesänderungen sind im EU-Abgabenänderungsgesetz 2016 enthalten. Die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf endete am 31. Mai 2016.

1. Verrechnungspreisdokumentationsgesetz

Das Verrechnungspreisdokumentationsgesetz sieht eine dreistufige Dokumentation vor, die die betroffenen Unternehmer einhalten müssen:

a) Stammdokumentation (Master File)
b) landesspezifische Dokumentation (Local File)
c) länderbezogene Berichterstattung (Country by Country Report)

a) Stammdokumentation (Master File)

Die Stammdokumentation soll den Steuerverwaltungen aller betroffenen Staaten einen "high level" Überblick über die weltweite Geschäftstätigkeit und –politik des multinationalen Konzerns geben. Die Stammdokumentation soll (in standardisierter Form) folgenden Inhalt haben:

  • Organisationsaufbau des multinationalen Konzerns,
  • Beschreibung der Geschäftstätigkeit,
  • Dokumentation der immaterielle Werte,
  • Dokumentation der unternehmensgruppeninternen Finanztätigkeiten, sowie
  • Dokumentation der Finanzanlage- und Steuerpositionen.

Wie detailliert diese Informationen zu liefern sind, hat der Steuerpflichtige nach dem Prinzipien einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung zu entscheiden. Hier ist die gesamte multinationale Gruppe als Ganzes darzustellen. Nur ausnahmsweise, wenn der konkrete Sachverhalt dies rechtfertigt, können Informationen nach Geschäftssparten aufgeteilt werden (zB wenn größere Geschäftssparten des Konzerns unabhängig sind).

Es gibt eine Befreiung zur Erstellung der Dokumentation, wenn die Umsatzerlöse des Konzerns im vergangenen Wirtschaftsjahr weniger als EUR 50 Mio. oder die Provisionserlöse weniger als EUR 5 Mio. betragen haben.

b) landesspezifische Dokumentation (Local File)

In der landesspezifischen Dokumentation müssen Informationen zum österreichischen Unternehmen angegeben werden, insbesondere:

  • finanzielle Informationen in Bezug auf Geschäftsvorfälle mit verbundenen Unternehmen in anderen Staaten,
  • eine Vergleichbarkeitsanalyse sowie
  • die Auswahl und Anwendung der geeignetsten Verrechnungspreismethode.
c) länderbezogene Berichterstattung (Country by Country Report)

Multinationale Unternehmensgruppen, die im vorangegangenen Wirtschaftsjahr einen konsolidierten Jahresumsatz von zumindest EUR 750 Mio. aufgewiesen haben, haben zusätzlich zu den oben angeführten Verpflichtungen eine länderbezogene Berichterstattung (Country by Country Report) zu erstellen und elektronisch abzugeben.

Der Bericht hat die globale Verteilung der Gewinne, die Gewinne vor Steuern, die gezahlten Ertragsteuern, materielle Wirtschaftsgüter, Mitarbeiter, etc. des Konzerns zu beinhalten. Zudem sind die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Konzerns in den einzelnen Staaten aufzulisten und alle Konzerneinheiten (unter Angabe des Gründungsstaates, wenn dieser vom Ansässigkeitsstaat abweicht) anzugeben.

Zur Übermittlung der länderbezogenen Berichterstattung ist die in Österreich ansässige oberste Muttergesellschaft verpflichtet.

Eine in Österreich ansässige Konzerngesellschaft kann mit Bescheid des österreichischen Finanzamts zur Übermittlung des Berichts verpflichtet werden, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

  • die oberste Muttergesellschaft ist in einem Staat ansässig, der nicht zur Vorlage der länderbezogenen Berichterstattung verpflichtet ist;
  • mit dem Ansässigkeitsstaat der obersten Muttergesellschaft besteht keine qualifizierte Vereinbarung zum Austausch der länderbezogenen Berichterstattung;
  • es liegt ein systematisches Versagen des Ansässigkeitsstaates der obersten Muttergesellschaft vor (wenn der Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkommt).

Rückwirkender Beginn der Dokumentationspflicht!

Die Dokumentationspflicht für alle drei Teile soll grundsätzlich rückwirkend ab 1. Jänner 2016 gelten.

Die länderbezogene Berichterstattung ist spätestens 12 Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahres – somit erstmals grundsätzlich per 31.12.2017 – an das zuständige Finanzamt der obersten Muttergesellschaft zu übermitteln.

Die Stammdokumentation und landesspezifische Dokumentation sind nur auf Ersuchen des zuständigen Finanzamtes zu übermitteln. Das zuständige Finanzamt kann ab Abgabe der Körperschaftsteuererklärung die Übermittlung der Stammdokumentation und landesspezifischen Dokumentation binnen 30 Tagen verlangen. Aus diesem Grund ist es ratsam, dass die Dokumentationen des jeweiligen Wirtschaftsjahres bis spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärungen vorliegen.

Sanktionen

Wird die länderbezogene Berichterstattung (Country by Country Report) vorsätzlich nicht übermittelt, bzw nicht innerhalb der vorgesehenen Frist übermittelt, oder werden meldepflichtige Punkte vorsätzlich nicht oder unrichtig übermittelt, droht eine Geldstrafe bis zu EUR 80.000. Bei grober Fahrlässigkeit droht eine Strafe bis zu EUR 25.000. Die leicht fahrlässige Übermittlung unrichtiger Daten ist nicht strafbar. Für Stamm- und länderspezifische Dokumentationen sind im Entwurf des VPDG keine Sanktionen vorgesehen.

2. Automatischer Informationsaustausch von Steuervorbescheiden ("Rulings")

Ab dem 01.01.2017 werden zwischen Österreich und den anderen Mitgliedstaaten der EU Steuervorbescheide mit internationalem Bezug ausgetauscht. Auslöser dieser Entwicklung ist ein "Misstrauen" zwischen den EU-Staaten, weil manche Staaten solche Steuervorbescheide zur aggressiven Steuergestaltung auf internationalem Terrain verwendet haben: Sie haben einzelnen Unternehmen "Steuervorteile" versprochen, um sie so ins "Land zu locken". Der Austausch bewirkt mehr Transparenz und sichert den Steuerwettbewerb zwischen den EU-Staaten.

Welche Steuervorbescheide sind in Österreich vom Austausch betroffen?

  • Auskunftsbescheide gemäß § 118 BAO;
  • Vorabbescheide und Vorabverständigungen über Verrechnungspreisgestaltungen, wenn diese grenzüberschreitende Transaktionen betreffen;
  • alle Rulings, die einen internationalen Bezug haben;
  • Advance Pricing Agreements und
  • Treu und Glauben-Auskünfte, wenn diese von der zuständigen Behörde kommen.

Alle ab dem 01.01.2012 erlassenen Steuervorbescheide sind vom Austausch betroffen, wobei Steuervorbescheide, die in den Jahren 2012 und 2013 erlassen wurden, nur dann ausgetauscht werden, wenn sie am 01.01.2014 noch gültig waren.

Eine weitere Ausnahme besteht für Steuervorbescheide, die im Zeitraum zwischen dem 01.01.2012 und 31.03.2016 erlassen wurden: Wenn die betroffene Person im Geschäftsjahr vor der Bescheiderlassung einen gruppenweiten Jahresnettoumsatzerlös von weniger als EUR 40 Mio. erwirtschaftet hat, kann ein Informationsaustausch unterbleiben (dies gilt nicht für Personen die hauptsächlich Finanz- und Investitionstätigkeiten ausüben).

3. Auslaufen der EU-Quellensteuer

Mit der Einführung des automatischen Informationsaustausches in Österreich ist die EU-Quellensteuer hinfällig und wird Zug um Zug ab 01.01.2017 abgeschafft.

Auswirkungen auf die Praxis

Die angeführten Gesetzesänderungen sind sehr stark auf die Transparenz des gesamten Konzerns, seine Geschäftsvorfälle und Finanzsituationen ausgerichtet. Alle diesbezüglichen Informationen werden inländischen Finanzbehörden überlassen, die dann diese (sensiblen) Unternehmensdaten mit ausländischen Steuerverwaltungen austauschen können. Es besteht die Gefahr, dass auf diesem Weg Geschäftsgeheimnisse an Konkurrenten gelangen, wenn es eine ausländische Steuerbehörde mit dem Steuergeheimnis nicht so genau nimmt.

Durch die Dokumentationspflichten werden Unternehmen zusätzlich vor große organisatorische Herausforderungen gestellt: Konzernintern haben sich die einzelnen Konzernunternehmen aufeinander einzuspielen und dafür zu sorgen, dass ein (zeit- und kosten-) effizienter Prozess eingeführt wird, der eine schnelle und genaue Übermittlung von Daten und Erstellung von den oben angeführten Dokumentationen ermöglicht.

Autoren

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Sibylle Novak
Partnerin
Wien
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Sanela Fürstenberg
Anwältin
Wien