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Dienstleistungsfreiheit: Unterschriftsbeglaubigung durch einen tschechischen Rechtsanwalt?

09/05/2017

Einverleibungen im österreichischen Grundbuch können bekanntlich nur aufgrund öffentlicher Urkunden oder Privaturkunden, auf denen die Unterschriften der Parteien gerichtlich oder notariell beglaubigt sind, erfolgen. Die Unterschriftsbeglaubigung im Ausland ist aufgrund § 31 Abs 3 GBG unproblematisch, solange dies in Übereinstimmung mit den Vorschriften der einschlägigen zwischenstaatlichen Übereinkommen erfolgt. Dem EuGH lag ein Vorabentscheidungsersuchen des OGH vor, in dem es um die Frage ging, ob auch die Beglaubigung der Unterschrift durch einen Rechtsanwalt in der Tschechischen Republik aufgrund der Dienstleistungsfreiheit anzuerkennen ist. Konkret ging es um ein Gesuch auf Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung, das die Eigentümerin (österreichische Staatsbürgerin) eines in Österreich gelegenen Liegenschaftsanteils vor einem tschechischen Rechtsanwalt unterzeichnet hat. Der Anwalt hat die Unterschrift auf dem Gesuch im Einklang mit dem tschechischen Recht beglaubigt. Aus der Entscheidung des EuGH ergibt sich auch, dass die Beglaubigung inhaltlich den Anforderungen entspricht, die das österreichische Recht an die Beglaubigung stellt.

Das Bezirksgericht Freistadt hat den Grundbuchsantrag der Eigentümerin abgelehnt, weil ihre Unterschrift nicht gerichtlich oder notariell beglaubigt worden sei und die Beglaubigung durch einen tschechischen Rechtsanwalt nicht in den Anwendungsbereich des österreichisch-tschechischen Abkommens (BGBl Nr 309/1962) falle. Das Landesgericht Linz hat die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts bestätigt. Der mit dem Revisionsrekurs befasste OGH hielt das bilaterale Abkommen zwar nicht für anwendbar, hegte aber Zweifel an der Vereinbarkeit der Anforderungen des österreichischen Rechts an die Unterschriftsbeglaubigung mit dem Unionsrecht, insbesondere mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art 56 AEUV.

Der EuGH bejahte im Urteil vom 9. März 2017, Rs C-342/15 zunächst, dass eine Bestimmung des nationalen Rechts, die den Notaren die Vornahme von Unterschriftsbeglaubigungen vorbehält und dadurch die Möglichkeit ausschließt, in diesem Mitgliedstaat eine von einem in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Rechtsanwalt im Einklang mit seinem nationalen Recht vorgenommene Beglaubigung anzuerkennen, eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellt (vgl Rn 49 ff des Urteils). Sodann hat der EuGH geprüft, ob die Beschränkung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulässig oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann. Eine Rechtfertigung aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit scheidet nach dem EuGH aus, weil die Beurkundungstätigkeit der Notare nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden ist (wie schon in anderen Entscheidungen ausgesprochen). Anders verhält es sich mit der Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses. Hier ist der EuGH dem Standpunkt der österreichischen (und deutschen) Regierung gefolgt und hat anerkannt, dass eine Regelung, die Unterschriftsbeglaubigungen für die Zwecke des Grundbuchs den Gerichten und Notaren vorbehält, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Entscheidende Bedeutung kommt dabei der konstitutiven Wirkung von Eintragungen in das österreichische Grundbuch, der Rechtssicherheit bei Grundstückstransaktionen und der Funktionsfähigkeit des Grundbuchssystems zu. Die in Frage stehende Regelung überschreitet nach dem EuGH auch nicht die Grenze der Verhältnismäßigkeit.

Fazit

Soll eine Eintragung in das österreichische Grundbuch aufgrund einer Urkunde erfolgen, auf der die Unterschriften im Ausland beglaubigt wurden, ist darauf zu achten, dass die Beglaubigung in Übereinstimmung mit den anwendbaren zwischenstaatlichen Übereinkommen erfolgt. Eine Beglaubigung durch Rechtsanwälte ist soweit ersichtlich in keinem Übereinkommen vorgesehen. Auf die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit von in anderen Mitgliedstaaten tätigen Rechtsanwälten kann man sich in diesem Zusammenhang nicht berufen, da eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit aus den übergeordneten Gründen der Rechtssicherheit von Liegenschaftsübertragungen und der Funktionsfähigkeit des Grundbuchssystems gerechtfertigt ist. Ob die Beglaubigung durch einen ausländischen Rechtsanwalt tatsächlich weniger Rechtssicherheit bietet als die Beglaubigung durch einen ausländischen Notar oder die Funktionsfähigkeit des Grundbuchssystems stören kann, mag dahingestellt bleiben.

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Andreas Göller