Home / Veröffentlichungen / Facebook im Visier des deutschen Bundeskartellamt...

Facebook im Visier des deutschen Bundeskartellamts

26/04/2016

Das deutsche Bundeskartellamt hat ein Verfahren gegen facebook (Facebook Inc., USA, Facebook Ireland Ltd., Irland sowie Facebook Germany GmbH, Deutschland) eingeleitet. Die Wettbewerbsbehörde prüft, ob facebook eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für soziale Netzwerke missbraucht, indem es in großem Umfang Nutzerdaten erhebt und damit möglicherweise gegen die geltenden Datenschutzbestimmungen verstößt.

AGB als Schnittstelle zwischen Datenschutz- und Kartellrecht

(i) Datenschutzrecht

In werbefinanzierten sozialen Netzwerken wie facebook spielen Nutzerdaten eine zentrale Rolle. Der einzelne Nutzer stellt seine persönlichen Daten dem Unternehmen dabei „freiwillig“ zur Verfügung, indem er den zugrundeliegenden Nutzungsbedingungen zustimmt, die auch Regelungen betreffend die Datenerhebung und –nutzung enthalten. Diese Daten können von facebook verwendet werden, um Werbekunden eine zielgenauere nutzerorientierte Werbeschaltung zu ermöglichen.

Das deutsche Bundeskartellamt hegt nunmehr den Verdacht, dass die Nutzer von facebook nicht hinreichend über Art und Umfang der Datenerhebung sowie über die Reichweite ihrer Einwilligung aufgeklärt werden. Laut dem deutschen Bundeskartellamt bestehen „erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit dieser Vorgehensweise insbesondere nach dem geltenden nationalen Datenschutzrecht“1.

Wird der Nutzer nicht hinreichend über die Rechtsfolgen und die Reichweite seiner Einwilligung aufgeklärt, so ist dessen Zustimmungserklärung unwirksam. Liegt keine wirksame Einwilligung durch den Nutzer vor, ist die Weiterverwendung der personenbezogenen Daten unzulässig.

(ii) Kartellrecht

Nicht jeder Verstoß gegen gesetzliche Regelungen – wie beispielsweise Datenschutzbestimmungen – ist kartellrechtlich relevant. Umgekehrt kann ein Wettbewerbsverstoß aber auch vorliegen, ohne dass andere Rechtsvorschriften verletzt wurden.

Im vorliegenden Fall prüft das deutsche Bundeskartellamt – soweit ersichtlich – die Nutzungsbedingungen von facebook, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Ausbeutungsmissbrauchs. Ein solcher kann vorliegen, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen Verhaltensspielräume gegenüber Geschäftspartnern ausnützt, um ein Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung durchzusetzen.

Einen Unterfall des Ausbeutungsmissbrauchs stellt dabei der sogenannte Konditionenmissbrauch dar: Dieser liegt nach der deutschen und der insoweit vergleichbaren österreichischen Rechtslage vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen Geschäfts- oder Nutzungsbedingungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit ergeben würden. Dabei sind insbesondere die Verhaltensweisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen.

Als Vorfrage wird das Bundeskartellamt also zunächst prüfen, ob facebook im Bereich soziale Netzwerke überhaupt marktbeherrschend ist. Nach der gesetzlichen Regelung in Österreich und Deutschland ist ein Unternehmen marktbeherrschend, wenn es als Anbieter von Leistungen (auf dem relevanten Markt) keinem oder nur unwesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat. Eine Marktbeherrschung setzt somit voraus, dass ein Unternehmen über Verhaltensspielraum verfügt, der nicht ausreichend durch wirksamen Wettbewerb kontrolliert ist, sodass es sich in nennenswertem Umfang gegenüber Konkurrenten oder Kunden unabhängig verhalten kann.

Mögliche Anhaltspunkte für einen derartigen Verhaltensspielraum von facebook im Bereich der sozialen Netzwerke könnten insbesondere in den hohen Nutzerzahlen und der fehlenden Interoperabilität gegenüber anderen sozialen Netzwerken gesehen werden. Durch diese Faktoren könnte ggf eine sogenannte Lock-In-Situation begünstigt werden, welche die Nutzer letztlich von einem Anbieterwechsel abhält. Umgekehrt ist gerade auf digitalen Märkten wie beispielsweise im Bereich der sozialen Netzwerke der Wettbewerb besonders innovationsfreudig und dynamisch und der Wettbewerbsdruck entsprechend hoch. Gerade auf digitalen Märkten haben deshalb in der Vergangenheit auch bereits eine Reihe von Unternehmen mit hohen Nutzerzahlen ihre vermeintlich starke Marktstellung innerhalb kürzester Zeit an neue innovative Marktakteure verloren. Man denke hier beispielsweise nur an StudiVZ und MySpace im Bereich soziale Netzwerke bzw an Yahoo! oder Altavista bei Suchdiensten.

Nur wenn Facebook am relevanten Markt eine marktbeherrschende Stellung hat, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob das Unternehmen diese marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem es von seinen Nutzern Geschäftsbedingungen fordert, die bei wirksamem Wettbewerb nicht durchzusetzen wären. Dabei sind insbesondere jene Wettbewerbsbedingungen zu ermitteln, die sich im unverfälschten Wettbewerb auf einem vergleichbaren Markt herausgebildet hätten (sog Vergleichsmarktkonzept). Schwierigkeiten könnte dabei bereits die Ermittlung eines Marktes, der mit sozialen Netzwerken vergleichbar ist, bereiten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass facebook seinen Nutzern vermeintlich „gratis“ zur Verfügung gestellt wird bzw sich der Wert der vom Nutzer geforderten Gegenleistung (= Ermöglichung des Zugriffs auf personenbezogene Daten) nur schwer ermitteln lässt (einigen Studien zufolge betrug der wirtschaftliche Wert sämtlicher über Personen digital verfügbarer Informationen in der EU 2011 bereits EUR 315 Milliarden und wird bis zum Jahre 2020 auf eine Billion Euro ansteigen)2. Ob auf einem fiktiven Vergleichsmarkt mit wirksamem Wettbewerb jedoch weniger Nutzerdaten gefordert würden – also die vom Nutzer geforderte Gegenleistung „angemessener“ wäre – ist juristisch wohl nur schwer ermittelbar.

Ein Missbrauch von Marktmacht liegt nach der deutschen Entscheidungspraxis überdies regelmäßig nur dann vor, wenn die beanstandeten Nutzungsbedingungen wesentlich ungünstiger sind als jene, die sich bei unverfälschtem Wettbewerb gebildet hätten.

Das facebook-Verfahren des deutschen Bundeskartellamts wirft somit spannende neue Fragen der Kartellrechtsanwendung auf äußerst dynamischen Märkten auf.

Fazit

Das Einschreiten einer Wettbewerbsbehörde wegen möglicher Datenschutzverletzungen ist ein Novum. Denn die Frage, ob Nutzer ausreichend über Art und Umfang der Datenerhebung bzw Reichweite ihrer erteilten Einwilligung aufgeklärt wurden, fällt primär in die Kompetenz der Datenschutzbehörden. Da sich das für die Datenverarbeitung verantwortliche Unternehmern von facebook in Irland befindet, ist dafür primär die irische Datenschutzbehörde zuständig. Insofern gestaltete sich die Kompetenzbegründung für kontinentaleuropäische Datenschutzbehörden bei Untersuchungen gegen facebook bislang als schwierig.

Im Gegensatz hierzu gilt im Kartellrecht das Auswirkungsprinzip, wonach das Recht jenes Staates anzuwenden ist, dessen Markt (vermeintlich) beeinträchtigt wird. Nachdem sich die Geschäftstätigkeit von facebook jedenfalls auch auf den deutschen Markt auswirkt ist eine Kompetenzbegründung für die Untersuchung durch das Bundeskartellamt somit relativ einfach möglich. Der Vorwurf, dass somit über Umwege eine Untersuchung der Datenschutzbestimmungen von facebook stattfindet, ist somit nicht ganz von der Hand zu weisen.

Marktbeherrschende Unternehmen, die auf Grundlage ihrer Nutzungsbedingungen Daten in übermäßigem Umfang fordern und gleichzeitig die Einflussmöglichkeit ihrer Nutzer betreffend diese Datensammlung einschränken, können sich – wie der Fall facebook zeigt – dem Verdacht der kartellrechtswidrigen Ausbeutung von Verbrauchern durch unangemessene Geschäftsbedingungen aussetzen. Wettbewerbliche Bedenken bestehen hier vor allem dann, wenn ein Unternehmen seine Nutzungsbedingungen nur deshalb durchsetzen kann, weil der Nutzer mangels Alternativen nicht auf andere Anbieter ausweichen kann.

Ausblick

Mit dem geplanten Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSGVO) Anfang 2018 werden wirksamere Informationspflichten bei Datenverarbeitungen, das Recht auf „Vergessen-Werden“ sowie das Recht auf Datenportabilität eingeführt. Auf diese Weise soll der Lock-in-Effekt abgeschwächt, die Wechselkosten gesenkt und die Marktstellung jener Unternehmen, die auf der Sammlung und Verwertung von Daten aufbaut, angreifbarer werden.

Die Praxisauswirkungen der EU-DSGVO und der Ausgang des Verfahrens vor dem deutschen Bundeskartellamt dürfen mit Spannung erwartet werden.


1.) Pressemitteilung des deutschen Bundeskartellamtes vom 02.03.2016: http://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meldung/DE/Pressemitteilungen/2016/02_03_2016_Facebook.html, zuletzt abgerufen am 20.04.2016.
2.) Studie der Boston Consulting Group: “The Value of our Digital Identity” - http://www.libertyglobal.com/PDF/public-policy/The-Value-of-Our-Digital-Identity.pdf, zuletzt abgerufen am 20.04.2016.

Autoren

Arno Scharf