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Feststellungsanträge in Vergabeverfahren sind unbefristet

19/08/2016

Verstößt ein Auftraggeber gegen vergaberechtliche Bestimmungen, dann kann ein übergangener Bewerber oder Bieter unter bestimmten im Bundesvergabegesetz 2006 (BVergG) normierten Voraussetzungen den Auftraggeber auf Schadenersatz in Anspruch nehmen. Der Schadenersatzanspruch ist in den EU-Vergaberichtlinien vorgegeben.

Eine weitere Änderung des BVergG steht aufgrund des jüngsten in diesem Bereich ergangenen EuGH-Urteils an. Worum geht es?

Eine Voraussetzung für die Geltendmachung des Schadenersatzanspruches gegen den Auftraggeber ist (im Regelfall) die Feststellung einer Vergabekontrollbehörde, dass, vereinfacht gesprochen, der Auftraggeber gegen Vergabebestimmungen verstoßen hat. Die Feststellung erfolgt auf Antrag eines Bewerbers bzw. Bieters. § 332 Abs 3 BVergG und die Vergaberechtsschutzgesetze der Länder sehen bei bestimmten Feststellungsanträgen eine (absolute) Antragsfrist von längstens 6 Monaten ab der Erteilung des Zuschlages vor. Diese Anträge beziehen sich u.a. auf die rechtswidrige Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung. Dazu zählen vor allem unzulässige Direktvergaben. Gerade in solchen Fällen wissen aber potentielle Bewerber oder Bieter oft nicht, wann ein Vertragsabschluss (die Zuschlagserteilung) erfolgt ist. Die 6-monatige Antragsfrist berücksichtigt nicht, ob der Bewerber bzw. Bieter vom Vertragsabschluss Kenntnis hatte bzw. haben hätte können. In seinem Urteil vom 26.11.2015, C-166/14, hat der EuGH deshalb einen Verstoß des BVergG gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz festgestellt.

Mit der Entscheidung vom 16.3.2016, 2015/04/0004, hat der Verwaltungsgerichtshof nun festgelegt, welche Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil konkret zu ziehen sind. Demnach ist die Frist gemäß § 332 Abs 3 BVergG von 6 Monaten für Feststellungsanträge unangewendet zu lassen. Diese Anträge können folglich – bis zu einer Reparatur durch den österreichischen Gesetzgeber – unbefristet gestellt werden. Der VwGH hat in der Entscheidung aber auch klargestellt, dass die Nichtigerklärung oder Aufhebung des Vertrages nur zu erfolgen hat, wenn der Feststellungsantrag innerhalb der 6-Monatefrist gestellt wird. Hierbei kann er sich auf präzise Regelungen in den EU-Vergaberichtlinien stützen.

Obwohl die Entscheidung zu § 332 Abs 3 BVergG ergangen ist, steht außer Zweifel, dass die diesbezüglichen Fristen in den Vergaberechtsschutzgesetzen der Länder ebenfalls unangewendet zu bleiben haben. Die VwGH-Entscheidung lässt aber zumindest zwei Fragen offen.

Was gilt für Vergabeverfahren, auf welche die EU-Vergaberichtlinien nicht anzuwenden sind, also Vergaben im sogenannten Unterschwellenbereich? § 332 Abs 3 BVergG wird hier nicht durch das Unionsrecht verdrängt. Unterschiedliche Antragsfristen im Ober- und Unterschwellenbereich könnten verfassungswidrig (gleichheitswidrig) sein.

Sind auch die (absoluten) 6-Monatsfristen für sonstige Feststellungsanträge (zB in § 332 Abs 1 BVergG) ebenfalls unangewendet zu lassen? Es handelt sich dabei etwa um die Konstellationen, in der einem am Vergabeverfahren beteiligten Bieter zu Unrecht der Zuschlag nicht erteilt wurde.

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Robert Keisler
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Wien