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Neues Gesellschaftsrecht in Serbien in Kraft

2012-01

Autor: Dr. Radivoje Petrikic

Nach 3-jährigen Vorarbeiten eines Expertenteams ist nun am 1. Februar 2012 in Serbien ein neues Gesetz über Handelsgesellschaften (kurz: „GHG“) in Kraft getreten. Das Gesetz wurde weitgehend mit den EU-Richtlinien harmonisiert und beseitigte viele Unzulänglichkeiten und Anwendungs-probleme. Mehr als 400 Artikel wurden neu gefasst oder geändert, sodass man fast von einem komplett neuen Gesetz sprechen kann. 

Alle Handelsgesellschaften (ausgenommen börsenotierte AGs) sind verpflichtet, ihre innere Organisation und die internen Akten der Gesellschaft (Gründungsakte und Satzungen) an das neue Gesetz anzupassen und bei der zuständigen Agentur für Handelsgesellschaften spätestens bis zum 1. Mai 2012 zu registrieren. 

Die wichtigsten Änderungen im Überblick: 

Das Stammkapital der GmbH und AG 

Nach der Neuregelung kann das Stammkapital, im Unterschied zur früheren Rechtslage, nunmehr nur in Dinar (RSD) ausgewiesen werden. Folglich sind alle Gesellschaften bis zum Beginn der Anwendung des neuen GHGs verpflichtet, ihr Stammkapital in Dinar auszuweisen. Neu ist auch die Höhe des Stammkapitals: bei der GmbH symbolische 100 Dinar (entspricht derzeit ca. € 0,95) bzw. bei der AG 3 Millionen Dinar (ca. € 27.500). 

Verwaltungssysteme 

Für Kapitalgesellschaften stehen zwei Verwaltungssysteme zur Verfügung: entweder das One-Tier-Board-System (Verwaltungsrat, bestehend aus Executive- und Non-Executive-Mitgliedern), das im angelsächsischen und französischen Raum üblich ist, oder das Two-Tier-Board-System, bestehend aus Vorstand (Geschäftsführer) und Aufsichtsrat. Jede Kapitalgesellschaft muss sich für eines der beiden Systeme entscheiden und dies im Gesellschaftsvertrag (Satzung) festsetzen. 

Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft 

Ist wenigstens ein Vertreter der Gesellschaft eine natürliche Person, so können nun auch juristische Personen zu Geschäftsführern und zur Vertretung der Gesellschaft bestellt werden. 

Das neue GHG legt bei Bestellung von mehreren Geschäftsführern die gemeinsame Geschäftsführung fest. Neu ist aber, dass nunmehr ausdrücklich geregelt wird, dass die Geschäftsführer unabhängig von der Zuständigkeits-verteilung gemeinsam für die Geschäftsführung haften und die Pflicht haben, sich wechselseitig über wichtige Vorgänge im eigenen Zuständigkeits-bereich zu informieren. 

Konkurrenzverbot für Gesellschafter und Organmitglieder 

Um Missbräuche zu verhindern, enthält das neue Gesetz nunmehr detailliertere und umfangreichere Bestimmungen über das Konkurrenzverbot für Gesellschafter von GmbHs bzw. Aktionäre mit einer wesentlichen Beteiligung (über 25 % der Stimmrechte) oder mit kontrollierendem Einfluss auf die Gesellschaft, sowie für Geschäftsführer, Aufsichtsrats-mitglieder, andere vertretungsbefugte Personen, Prokuristen und Liquidatoren. Diese Personen müssen bei Vornahme von bestimmten Rechtshandlungen die ausdrückliche Zustimmung der General-versammlung bzw. des Aufsichtsrates einholen. 

Verfügungen über Unternehmensteile bzw. Vermögen von großem Wert 

In Anlehnung an die Holzmüller-Doktrin hat der Vorstand, wenn er Vermögen der Gesellschaft von mehr als 30 % der Bilanzsumme veräußert, die Zustimmung der Generalversammlung einzuholen. Neu ist, dass eine Transaktion bei Verletzung der Zustimmungspflicht durch das Gericht, auf Antrag der Gesellschaft selbst oder auf Antrag eines Aktionärs, der mindestens 5 % des Grundkapitals hält oder vertritt, für nichtig erklärt werden kann.

Zinslose Gesellschafterdarlehen – Gesellschafternachschüsse 

Zinslose Darlehen durch die Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft, die in der Vergangenheit bei Finanzierung von größeren Projekten, aber auch der Geschäftstätigkeit üblich waren und als Nachschusszahlungen bezeichnet wurden, unterliegen ab nun einem strengeren Regime. Im Gegensatz zur bisherigen Praxis (Leistung der Nachschusszahlungen aufgrund der Bestimmungen der Gründungsakte, ohne Regeln für die Zurückzahlung), erschwert das neue GHG das Verfahren zur Zurückzahlung und legt fest, dass die Zurückzahlung der Nachschüsse unter analoger Anwendung der neuen Regeln über die Kapital-herabsetzung an die Gesellschafter nur dann erfolgen darf, wenn diese nicht für die Deckung von Verlusten oder zur Begleichung von Forderungen der Gesellschaftsgläubiger notwendig sind. Die neuen Regeln werden meines Erachtens Nachschusszahlungen ziemlich unattraktiv machen. 

Squeeze-Out/Übernahmepflicht 

Im Vergleich zur früheren Regelung vereinfacht die Neuregelung die Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsgesellschaftern: Ein Aktionär, der über 90 % der Stimmrechte verfügt (früher war die Schwelle 95 %), ist zum Kauf der Aktien der restlichen Aktionäre berechtigt (Squeeze-Out). Dies ist unabhängig davon, ob diese 90 % durch Übernahme oder auf andere Weise erworben wurden. 

Ein Aktionär, der mindestens 90 % des Grundkapitals der Gesellschaft erwirbt, ist allerdings auch gesetzlich verpflichtet, die Aktien aller restlichen Aktionäre (auf deren schriftlichen Antrag hin) zum höchsten Markt-, Buch- oder Bewertungspreis zu erwerben, was meiner Meinung nach eine seltsame Entscheidung des Gesetzgebers darstellt. 

Verschärfung der gesellschaftsrechtlichen und strafrechtlichen Haftung 

Wesentlich strenger als früher ist die in einer Reihe von Bestimmungen geregelte Haftung des Geschäftsführers, der Gesellschafter, Aktionäre, AR-Mitglieder, Prokuristen und Liquidatoren der Gesellschaft: 
Die Einführung einer strengen strafrechtlichen Haftung der

  • GmbH-Gesellschafter/Aktionäre mit wesentlicher Beteiligung oder kontrollierendem Einfluss auf die Gesellschaft,
  • Geschäftsführer
  • Aufsichtsratsmitglieder
  • Vertreter, Prokuristen und Liquidatoren
  • sowie bestimmter anderer Personen (Gerichtssach-verständige, Wirtschaftsprüfer usw.)

wegen Verletzung ihrer Pflichten gegenüber der Gesellschaft stellt eine absolute Neuheit dar.

Das neue GHG sieht folgende strafrechtliche Haftungstatbestände vor:

  • die Erteilung falscher Auskünfte,
  • den Abschluss eines Rechtsgeschäfts im eigenen Interesse oder die Vornahme von Handlungen im eigenen Interesse,
  • die Verletzung des Konkurrenzverbots, sowie
  • die Verletzung der Pflicht des Vertreters, Beschränkungen der Vertretungsbefugnisse einzuhalten.

Hat die Gesellschaft dadurch einen hohen Schaden (mehr als € 100.000) erlitten, so beträgt das Strafmaß von 6 Monaten bis zu 5 Jahren Haft. 

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Radivoje Petrikić
Partner
Wien