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Risk-Sharing-Ansatz: Der Allianzvertrag als neuer Weg in den Bereichen Bauwirtschaft und Infrastruktur

11/07/2019

Um Bauvorhaben zu entwickeln und erfolgreich zu Ende zu bringen, gibt es mit dem sogenannten Allianzvertrag eine Möglichkeit zur kooperativen Vertragsgestaltung. Allerdings kommt diese bis dato nur wenig zum Einsatz. In Australien und Neuseeland werden rund ein Drittel aller Tief- und Infrastrukturbauprojekte als Allianzvertrag ausgeschrieben, während man in Zentraleuropa, so auch in Österreich, mit diesem neuen partnerschaftlichen Vertragsmodell überwiegend Neuland betritt. Eine Ausnahme ist die Tiroler Gemeinde Putz, die sich bereits 2014 bei einem Flusskraftwerksprojekt für einen Allianzvertrag entschieden hatte. [1]

Der Alliance Contract (AC) steht für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit nach dem Motto „your success is my success, your failure is my failure“ und unterscheidet sich von den gängigen Bauvertragsstrukturen vor allem in der Organisationsstruktur, der Konfliktbehandlung und dem Risikokontingent (risk contingency), welches in die Zielkosten eingerechnet wird. [2] Dass ein solches Modell nicht nur einen Kulturwechsel in der Abwicklung von Projekten darstellt, sondern auch zur vollsten Zufriedenheit beider Seiten – Auftraggeber wie Auftragnehmer – verlaufen kann, zeigt ein Blick auf die Details dieser Vertragsart.

3-limb-Modell im Sinne einer fairen Vergütung

Die Vergütung beim Alliance Contract (AC) erfolgt nach dem Prinzip der gläsernen Taschen. Hierbei werden die finanziellen Vorgänge und Abrechnungen offengelegt und von einem financial auditor geprüft. [3] Dabei werden 3 Bestandteile (limbs) unterschieden:

  • Limb 1 – direkte Projektkosten und Gemeinkosten des Projekts (z.B. Personal- und Materialkosten): Dem Unternehmer werden grundsätzlich alle Kosten vergütet, die direkt mit der Bauausführung zusammenhängen. Außerdem wird ein Risikokontingent eingerechnet, damit die vereinbarten Zielkosten nicht fortwährend angepasst werden müssen.
  • Limb 2 – allgemeine Geschäftskosten und Gewinn (anhand eines Prozentsatzes vom limb 1): Ausführende Unternehmen pauschalieren diesen Prozentsatz in der Regel, um keinen Anreiz für nachträgliche Kostenänderungen positiver oder negativer Art zu schaffen. Unternehmensdaten der letzten Jahre sowie Ansätze aus technisch ähnlichen Projekten gelten als Parameter für die Errechnung dieses Prozentsatzes. Diese Angaben können bei hoher Eintrittswahrscheinlichkeit eines Bonus oder wegen hoher technischer Ansprüche des Projekts modifiziert werden. [4]
  • Limb 3 – Zielkostenvereinbarung in einem Bonus-Malus System (im Falle einer Kostenunterschreitung ergibt sich ein Bonus, bei Kostenüberschreitung ein Malus): Der Malus ist in der Regel mit dem Gewinn aus limb 2 begrenzt. Der Aufteilungsschlüssel beträgt in der Regel 50:50, wobei der Verlust der Auftragnehmer mit dem Ansatz ans limb 2 begrenzt ist. Außerdem können im Vorfeld bestimmte Bereiche (key result area) festgelegt werden, die besonders wichtig sind (z.B. Arbeitssicherheit, Zufriedenheit der Anrainer oder die Einhaltung der Termine). [5]

Durch eine klare Strukturierung und fundierte Organisationsstruktur sollen auch Konflikte vermieden werden. Fundamental für ein Funktionieren dieses Vertragsmodells sind entsprechende personelle Ressourcen und Know-how auf Auftraggeberseite. [6]

Interne Problemlösung

Sollten trotz der beabsichtigten No-blame-Kultur Konflikte nicht vermieden werden können, sieht der Alliance Contract einen mehrstufigen standardisierten Konfliktlösungsprozess vor. In der ersten Stufe wird versucht, das Problem am Entstehungsort selbst zu lösen. Kann innerhalb einer bestimmten Frist kein Konsens gefunden werden, befasst sich das Alliance Management Team (AMT) mit dem Problem. Für die Gespräche mit den Streitparteien kann unterstützend zum Beispiel ein Rechtsberater beigezogen werden. Führt auch dies zu keinem Erfolg, entscheidet das Alliance Leadership Team (ALT) in letzter Instanz. Der Rechtsweg zu ordentlichen Gerichten wird – außer in vertraglich bestimmten Ausnahmefällen –  in der Regel ausgeschlossen. [7]

Auswahlprozess und Projektkonkretisierung

Nachdem die Eignung eines Projekts für einen Alliance Contract geprüft wurde, legt der Bauherr die Projektanforderungen fest. Die Leistungsvergabe danach erfolgt entweder einzeln oder an ein Bewerberteam, das sich aus allen projektbeteiligten ausführenden und planenden Unternehmen (non-owner participants – NOPs) zusammensetzt. [8] Die Leistungsvergabe gliedert sich in 2 Phasen:

  • Phase 1 (Auswahlprozess) beinhaltet die Auswahl der Auftragnehmer nach Non-cost Kriterien. In den Vordergrund werden technische und soziale Fähigkeiten der Bewerber gestellt, die nach einer Ausschreibung von einem Komitee bewertet und gereiht werden. Dem folgen Workshops und Interviews, bis nach einem short listing nur mehr ein Bewerber übrig ist. [9]
  • Phase 2 (Projektkonkretisierung): Gemeinsam werden Leistungen, Zielkosten und Organisationsstruktur festgelegt und Projektteams zusammengestellt. Sodann wird der Allianzvertrag abgeschlossen, andernfalls durchläuft der Auftraggeber die Phase 2 erneut mit dem nächstgereihten Bewerber. [10]

Private Auftraggeber können diesen Beschaffungsprozess, ähnlich wie im australischen Modell gehandhabt, grundsätzlich verwenden. Öffentliche Auftraggeber und Sektorenauftraggeber sind hingegen den Regelungen des BVergG 2006 unterworfen. [11]

Wo Vor-, da auch Nachteile

Der Bedarf nach neuen Vertragsabwicklungsmodellen aufgrund zukünftig besonders wichtiger Themen der Nachhaltigkeit und der Lebenszykluskosten eines Projektes sind Inhalt zahlreicher Diskurse. [12] Mit dem Alliance Vertrag wurde eine Struktur geschaffen, bei der alle Beteiligten gemeinsamen verlieren oder gewinnen, wobei mit solchen Paradigmenwechsel sowohl positive als auch negative Effekte verbunden sind.

  • Zu den Vorteilen gehören die Flexibilität des Modells, in der Regel höhere Kosten- und Terminsicherheit, die relativ hohe Wahrscheinlichkeit einer Kostenreduktion und die bessere gemeinsame Nutzung des Know-hows auf Bauherren- und Unternehmerseite. Es können Entscheidungen auf offener Wissensbasis getroffen werden und im Idealfall Interessen durch die Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten besser gewahrt werden. Auch kann der Fokus der Beteiligten durch die Zusammenarbeit und eine gemeinsame Projektperformance zielgerichteter sein.  
  • Nachteile können in der Möglichkeit eines allenfalls nicht gewollten Wissenstransfers und einer stärkeren Abhängigkeit der Vertragspartner voneinander liegen. Außerdem kann der intensive Bezug der Projektbeteiligten im Falle des Austausches einer Schlüsselperson den Projekterfolg ernsthaft gefährden. Auch kann das Durchgriffsrecht auf die Projektbeteiligten bei allfälligen Vertragsverletzungen und Insolvenzen eingeschränkt sein. Hier ist jedenfalls eine profunde Vertragsgestaltung erforderlich. [13]

Beim Allianzvertrag rückt das Projekt selbst mehr in den Vordergrund. Zweifellos sind noch einige Fragen rund um dieses neue partnerschaftliche Vertragsmodell unbeantwortet, doch sind viele im Baubereich Tätige der Überzeugung, dass man durch dieses Modell durchaus zu einer kooperativeren Projektabwicklung kommen kann. Dafür bietet der Allianzvertrag ein in einigen Ländern bereits bewährtes Modell.

[1] Vgl. Affenzeller, Allianzen für den Bau 24 ff.
[2] Vgl. Burtscher, Deutschmann, Hagen, bauaktuell 2011, Heft 4, 147.
[3] Vgl. Daniel Deutschmann, Christian Hagen, Thomas Kurz, Der Austrian Alliance Contract – Ein neues Vergabe und Vertragsmodell für Österreich, 126
[4] Vgl. Burtscher, Deutschmann, Hagen, bauaktuell 2011, Heft 4, 149
[5] Vgl. Burtscher, Deutschmann, Hagen, bauaktuell 2011, Heft 4, 149
[6] Vgl. Schlabach, Prozessmodell 157 ff.
[7] Vgl. Schlabach, Prozessmodell 160.
[8] Vgl. VDTF, Alliancing 70 f.
[9] Vgl. VDTF, Alliancing 69; Schlabach, Prozessmodell 161 ff.
[10] Vgl. VDTF, Alliancing 9 und 84 ff.
[11] Vgl. Daniel Deutschmann, Christian Hagen, Thomas Kurz, Der Austrian Alliance Contract – Ein neues Vergabe und Vertragsmodell für Österreich, 127
[12] Vgl. Daniel Burtscher, Innovative Abwicklungsmodelle für Bauprojekte, 6.PM – Bau Symposium Tagesband 2012, 85.
[13] Vgl. Daniel Deutschmann, Christian Hagen, Thomas Kurz, Der Austrian Alliance Contract – Ein neues Vergabe und Vertragsmodell für Österreich, 151

Autoren

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Nikolaus Weselik
Partner
Wien