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Sisyphus-Schicksal für Gläubiger

21/03/2012

Die Umtauschaktion für Griechenland-Anleihen hat zahlreiche Anleger kalt enteignet. Der Beitrag untersucht, welche Rechtsmittel betroffene Anleger dagegen ergreifen können.

Am 8. März 2012 endete das Umtauschangebot Griechenlands an seine privaten Gläubiger für jene Anleihen, die griechischem Recht unterliegen. 85,8 Prozent hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereit erklärt, ihre Wertpapiere gegen niedriger verzinste Anleihen mit längerer Laufzeit zu tauschen. Die restlichen Anleger wurden mittels des kurz zuvor beschlossenen Umschuldungsgesetzes, das in die Anleihen rückwirkend Umschuldungsklauseln einfügte, zur Annahme gezwungen.

Für Anleihen, die ausländischem Recht unterliegen, war eine rückwirkende Änderung der Anleihebedingungen durch den griechischen Gesetzgeber zwar nicht möglich, in der Praxis allerdings auch nicht notwendig, da die meisten ohnehin Umschuldungsklauseln enthielten.

Ausgenommen vom Zwangsumtausch blieben lediglich die Griechenlandanleihen der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie wurden wenige Tage vor Beginn des Angebots gegen identische Anleihen mit neuen Wertpapierkennnummern getauscht und blieben somit vom Anwendungsbereich des Gesetzes verschont. Die meisten Hedgefonds wiederum hatten Kreditausfallversicherungen abgeschlossen, die sie schadlos stellten. Die sonstigen Anleger erlitten hingegen einen deutlichen Wertverlust. Sie können sich damit trösten, dass sie bei einer Insolvenz Griechenlands noch weniger bekommen hätten. Aber anders als die Eurostaaten und die Banken saßen sie nicht im Verhandlungstisch, als der Tausch vereinbart wurde. Sie wurden enteignet.

Rückwirkung ist nicht verboten

Für diese Anleger stellt sich die Frage, welche rechtlichen Schritte sie nun unternehmen können. Dass das Umschuldungsgesetz rückwirkend gilt und in bestehende Verträge eingreift, ist für sich genommen unerheblich. Ein ausdrückliches Verbot rückwirkender Gesetzesänderungen gibt es in Griechenland nur im Strafrecht. Für Steuergesetze haben die griechischen Gerichte darüber hinaus entschieden, dass diese nur an Sachverhalte anknüpfen dürfen, die maximal ein Jahr zurückliegen. Auch auf europäischer Ebene sind rückwirkende Rechtsänderungen nicht generell verboten.

Allerdings stellt das Umschuldungsgesetz einen Eingriff in das Eigentumsrecht dar. Hierzu zählen im Bereich der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht nur dingliche Rechte, sondern auch Anleiheforderungen. Eigentumseingriffe bedürfen einer besonderen Rechtfertigung. Aus diesem Grund betont das Gesetz, dass die die Einführung der Umschuldungsklauseln der Aufrechterhaltung des sozialen Friedens diene und insofern im öffentlichen Interesse liege.

Grundsätzlich können betroffene Anleger diese Behauptung vor den griechischen Gerichten anfechten. Um sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden zu können, müssen sie dies auch tun, denn die Beschwerde an den EGMR steht erst nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges offen.

Der Gang vor die griechische Justiz ist freilich steinig. Erfahrungsgemäß haben Anleger dafür zwei bis drei Jahre zu veranschlagen. Angesichts der beispiellosen Notlage des Landes ist zudem zweifelhaft, ob ein griechisches Gericht das Vorliegen eines öffentlichen Interesses in Zweifel ziehen würde.

Vor dem EGMR angekommen stünden die Anleger vor neuen Herausforderungen. Dieser räumt den Konventionsstaaten bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses eines Grundrechtseingriffs und seiner Verhältnismäßigkeit einen beträchtlichen Ermessensspielraum ein. Durchaus denkbar ist allerdings, dass der EGMR die bevorzugte Behandlung der EZB als Indiz für einen unverhältnismäßigen Eingriff werten könnte. Zu fragen ist auch, ob die Zwangsumschuldung wirklich notwendig war oder die Eurostaaten und Banken, für die ein Bankrott Griechenlands existenzbedrohende Folgen gehabt hätte, notfalls bereit gewesen wären, freiwillig einen noch größeren Beitrag zu leisten.

Schadenersatz

In Österreich steht Anlegern darüber hinaus die Möglichkeit offen, ihre Anlageberater wegen schuldhafter Verletzung ihrer Aufklärungspflichten bzw. der Schutznormen des Wertpapieraufsichtsgesetzes auf Schadenersatz klagen. Im Fall argentinischer Staatsanleihen gibt es hierfür durchaus Präzedenzfälle. Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage hängen allerdings maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab.

So entschied der Oberste Gerichtshof (OGH 29.03.2007, 3 Ob 40/07i), dass ein Anleger bei fehlerhafter Anlageberatung den Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verlangen kann. Im konkreten Fall wusste der Anlageberater, dass der Anleger eine risikolose Anlage tätigen wollte. Als die Anleihen stark an Wert verloren, riet er ihm von deren Verkauf ab. In der Folge trat ein weiterer Wertverlust ein. Ein Mitverschulden des Kunden lag für den OGH nicht vor, da dieser aus der vergleichsweise hohen Verzinsung nicht schließen musste, dass die Rückzahlung unsicher war.

In einem anderen Fall (OGH 10.03.2008, 10 Ob 11/07a) teilte der Anlageberater dem Anleger vor dem Kauf einer Anleihe die Ratings führender Rating-Agenturen nicht mit bzw. erläuterte sie ihm nicht ausreichend. Bei einem weiteren Anleihekauf erfragte der Anlageberater die Risikobereitschaft des Anlegers sodann nicht mehr. Der OGH entschied auch hier, dass der Anleger den Ersatz des durch die fehlerhafte Beratung entstandenen Schadens verlangen kann.

Andererseits ist unstrittig, dass erfahrene Anleger, die bewusst spekulieren wollen, nicht bevormundet werden müssen.

Der Artikel ist am 21.03.2012 in der Fachzeitschrift "Immobilienmagazin" erschienen.

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