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Sparbuchguthaben in der Verlassenschaft

Teilbare Nachlassforderung oder Gesamthandforderung aller Erben?

03/10/2016

Stirbt der Erblasser und hinterlässt er ein Sparbuch an mehrere Erben, so stellt sich die Frage, ob die Erben das Sparguthaben nur im gemeinsamen Mitwirken oder jeder Erbe die auf ihn entfallende Quote des Sparguthabens allein bei der Bank beheben kann. Juristisch gesehen stellt sich die Frage, ob es sich beim Sparbuch-Guthaben um eine teilbare oder unteilbare Nachlassforderung handelt. Der OGH hat dies kürzlich entschieden. Zugleich hat das Höchstgericht einige weitere interessante Aussagen getätigt (2 Ob 103/15h).

Mit dem Tod des Erblassers, der mehrere Erben hinterlässt, entsteht zwischen diesen zunächst bis zur Einantwortung eine sich auf das Erbrecht beziehende schlichte Rechtsgemeinschaft gemäß §§ 825 ff ABGB1. Durch die Einantwortung werden die Erben Miteigentümer der körperlichen Sachen, die zum Nachlass gehören. Diese Miteigentumsgemeinschaft wird erst durch Erbteilung aufgehoben: Diese kann entweder durch Übereinkommen der Erben oder durch Erbteilungsklage erfolgen2.

Mit dem Einantwortungsbeschluss zerfallen allerdings teilbare Nachlassforderungen in selbständige obligatorische Teilforderungen3 iSd §§ 888 f ABGB; unteilbare Nachlassforderungen mehrerer Erben hingegen werden Gesamthandforderungen; für ihre Teilung gelten die Regeln über die Teilung von körperlichen Sachen4.

Nachlassforderungen sind teilbar, wenn die Leistung selbst teilbar ist, diese sich also ohne Wertverlust in Teilleistungen zerlegen lässt. Geldforderungen sind ihrer Natur nach schon teilbar5. Diese Teilansprüche sind daher ihrem Schicksal nach voneinander unabhängig. Daraus lässt sich schließen, dass sie sowohl einzeln verändert werden können als auch einzeln erlöschen können.

Gesamthandforderungen hingegen sind nach den Grundsätzen der Gemeinschaft des Eigentums wie körperliche Sachen zu teilen.

Ein Spareinlagevertrag ist nach der Rechtsprechung ein Vertrag sui generis, der Elemente des Darlehensvertrags oder eines depositum irregulare enthält6. Der Einleger hat das Recht auf Rückzahlung des erlegten Betrages und somit handelt es sich um eine – grundsätzlich teilbare – Geldforderung. Besteht keine weitere vertragliche Bindung, so kann der Bankkunde seine Rückzahlungsanspruch durch Vorlage der Sparurkunde jederzeit geltend machen. Durch den Tod des Erblassers wird zunächst der ruhende Nachlass, später die eingeantworteten Erben neuer Vertragspartner der Bank.

Der Erbe, der das Sparguthaben beheben will, hat seine Gesamtrechtsnachfolge sowie die Kundeneigenschaft des Verstorbenen bei dem Kreditinstitut nachzuweisen, um über das Sparguthaben verfügen zu können. Der Umstand, dass es sich nun um ein Gemeinschaftskonto handelt, steht dem nicht entgegen, da das Schuldverhältnis vom Forderungsrecht zu trennen ist. Auch ein Miteigentum an der Sparurkunde stellt kein Hindernis für eine anteilige Auszahlung dar. Gemäß § 32 Abs 2 BWG müssen nur die materielle Berechtigung am Forderungsrecht nachgewiesen und die Sparurkunde vorgelegt werden. Die Eigentumsverhältnisse der Sparurkunde sind hierbei nicht von Relevanz.

Bei einem Sparbuchguthaben handelt es sich demnach um eine teilbare Nachlassforderung, die keinen Gegenstand der Erbteilung bildet und somit von jedem Erben unmittelbar nach Abschluss der Verlassenschaftsabhandlung und Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses geltend gemacht werden kann. Will ein eingeantworteter Erbe über das Sparbuchguthaben verfügen, so hat er neben der Gesamtrechtsnachfolge, durch Vorlage der Einantwortungsurkunde auch noch nachzuweisen, dass der Verstorbene im Todeszeitpunkt Kunde der Bank war; dies geschieht durch Vorlage des Sparbuchs.


1. OGH 2 Ob 41/11k; 6 Ob 79/12d; 2 Ob 41/15s; RIS-Justiz RS 0012313.
2. OGH 2 Ob 41/11k; 6 Ob 79/12d; 2 Ob 41/15s; RIS-Justiz RS0012311.
3. OGH 6 Ob 599/94.
4. OGH 6 Ob 599/94.
5. RIS-Justiz RS0013214; RS0017118; RS0017289.
6. OGH 1 Ob 120/70; 2 Ob 204/10d; 4 Ob 170/11w.

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Johannes Reich-Rohrwig
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