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Umfang und Grenzen von Aufklärungsersuchen öffentlicher Auftraggeber bei der Angebotsprüfung

2013-03

Nach Einlangen der Teilnahmeanträge bzw. Angebote in einem öffentlichen Vergabeverfahren hat der Auftraggeber („AG“) diese zu prüfen. Wie die Prüfung vorzunehmen ist, insbesondere wie der AG bei der Aufklärung von Unklarheiten oder Mängeln im Detail vorgehen darf oder muss, hat die Rechtsprechung in letzter Zeit intensiv behandelt. Im Folgenden bieten wir eine kurze Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse der letzten Monate. 

Neues zur Eignungsprüfung 

Zuerst prüft ein AG die Eignung seiner Bieter bzw. Teilnahmeantragsteller. Diese können ihre Befugnis, Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit vorerst durch eine Eigenerklärung belegen. Kommt ein Bieter in die engste Auswahl, kann der AG alle in der Ausschreibung festgelegten, aber noch nicht vorgelegten Eignungsnachweise verlangen. Beim in Aussicht genommenen Zuschlagsempfänger muss er das tun. Fehlende Eignungsnachweise sind also zunächst ein behebbarer Mangel. 
Legt aber ein Bieter die Nachweise nicht innerhalb der gesetzten Frist vor oder verabsäumt er es, sonstige Auskünfte zu seiner Eignung zu erteilen, hat der AG kein Ermessen. Er muss den Bieter ausscheiden (§ 68 Abs 1 Z 7 iVm § 129 Abs 1 Z 1 BVergG; im Sektorenbereich § 229 Abs 1 iVm § 269 Abs 1 Z 1 BVergG). Er darf ihm keine zusätzliche Frist mehr setzen, um ihn nicht zu bevorzugen. Das zwingende Ausscheiden hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach bekräftigt (VwGH 2008/04/0083 und 2008/04/0032; ebenso N/0109-BVA/03/2012-39). 
Eine Ausnahme gibt es nur für den Fall, dass der AG auf die Beteiligung eines Bieters „in begründeten Ausnahmefällen aus zwingenden Gründen“ nicht verzichten kann, ein praktisch beinahe unmöglicher Fall. 
Ähnliches gilt bei unrichtigen Auskünften. Wer in erheblichem Maße falsche Erklärungen macht, muss ausgeschieden werden. Flüchtigkeitsfehler oder bloß irreführende Auskünfte zur Eignung, so stellte das Bundesvergabeamt („BVA“) kürzlich klar, verpflichten bzw. berechtigen den AG nicht zum Ausscheiden. Unrichtigkeiten sind dann gravierend genug für ein Ausscheiden, wenn sie das Vertrauen des AGs in den Bieter ernsthaft stören (N/0103-BVA/10/2012-34; N/109-BVA/03/2012-10). 
Die zwingende Ausscheidensfolge kann auch mit Kreativität kaum umgangen werden. Ein Beispiel: Ein AG wollte einen Bieter nicht ausscheiden, obwohl dieser Eignungsnachweise zu einem seiner Subunternehmer trotz Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt hatte. Also argumentierte der AG, der geforderte Nachweis sei trotzdem erbracht, weil ein anderer Bieter, welcher denselben Subunternehmer angeboten hatte, den geforderten Nachweis mit seinem Angebot vorgelegt hatte. Da der Nachweis im Angebot des konkret geprüften Bieters nicht enthalten und auch nicht nachgereicht worden war, ließ das BVA das Argument nicht gelten. 

Praxistipp 

Bietern ist zu empfehlen, alle notwendigen Nachweise rechtzeitig und nicht erst, wenn der AG sie verlangt, zu besorgen. AG sollten das, was sie von einem Bieter erwarten, auch konkret verlangen. Obwohl erfahrene Bieter wissen, dass im Vergabeverfahren alle Informationen, die sie von sich geben, auch gegen sie verwendet werden können, ist ihnen zu raten, auf Fragen konkret zu antworten. 

Neues zur Angebotsprüfung 

Der zweite Schritt ist die Prüfung der Angebote selbst. Dazu gibt es interessante Erkenntnisse betreffend das korrekte Vorgehen bei Aufklärungsersuchen. 
Hier führt nicht jeder Fehler bei der Beantwortung von Aufklärungsersuchen zum zwingenden Ausscheiden. Eindeutig ausschreibungs­widrige Angebote sind auszuscheiden, ohne dass dem Bieter Gelegenheit zur Aufklärung gegeben werden muss. Ist genau dies unklar oder ist das Angebot bloß fehlerhaft oder unvollständig, ist den Bietern Gelegenheit zur schriftlichen Äußerung zu geben.

Zu der Frage, ob der AG mehrfach nachfragen muss, wenn ein Bieter z. B. eine nicht vollständig zufriedenstellende Antwort gibt, haben das BVA einerseits und der Wiener Vergabekontrollsenat („VKS“) andererseits etwas divergierende Auffassungen. Der VKS legt den Schwerpunkt darauf, ob der Bieter aus der Aufforderung zur Aufklärung erkennen können muss, welche Punkte aufzuklären sind, weshalb der AG konkrete Vorhalte machen und u. U. nachfragen muss, bevor er einen Bieter ausscheiden darf (VKS Wien VKS-7738/12; VKS-5126/12; VKS-5962/11). Das BVA betont, dass stets nur einmal Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. 
Klar ist wieder, dass nicht behobene Fehler oder Unvollständigkeiten des Angebotes (z. B. nicht nachgereichte, aber vorzulegende Unterlagen) zum Ausscheiden führen müssen. Liegen bloß Unklarheiten vor, die der Bieter nicht aufklärt, kann ihn der AG ausscheiden. Die Ausscheidensfolge hängt wesentlich davon ab, ob der AG das Angebot auch ohne Aufklärung durch den Bieter inhaltlich zu Ende prüfen und entscheiden kann, ob ein Mangel vorliegt (N/0093-BVA/02/2012-17). Aufklärungen der Bieter sind wie Ausschreibung und Angebot gemäß den Interpretationsregeln des Vertragsrechts auszulegen. 
So wie der AG konkrete Vorhalte zu formulieren hat, hat der Bieter mit konkreten Angaben und nicht mit inhaltsleeren Floskeln zu reagieren (N/0004-BVA/10/2012-38). Das gilt vor allem, wenn der AG die Kalkulation hinterfragt oder eine vertiefte Angebotsprüfung durchführt. Damit der AG nicht ausscheiden kann, sind konkrete Angaben z. B. zu Einstandspreis, Aufschlägen, Transportkosten und dergleichen zu machen. Verweise auf günstige Einkaufskonditionen oder innovative Entsorgungskonzepte sind unzureichend. 
Allzu konkret darf ein AG aber nicht werden, wenn er Vorhalte oder seine Vorstellungen an Bieter heranträgt. Bei einer Bauleistung hatte der AG vom Bieter verlangt, einander widersprechende K-Blätter neu zu kalkulieren. Dieser nahm die Aufforderung wörtlich. Das nahm der VwGH ihm und dem AG übel. Er sah darin eine unzulässige Angebotsänderung. Eine Angebotsprüfung, die zu einer Aufforderung zur Neukalkulation von K-Blättern führt, ist nach Ansicht des VwGH ebenfalls rechtswidrig. Von einer geringfügigen Modifizierung kann keine Rede sein (VwGH 2007/04/0218). 

Praxistipp 

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Thomas Hamerl
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