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Zur Gewährleistung beim Anteilskauf

12/08/2016

Zum Fehlen einer Bilanzgarantie im Abtretungsvertrag zur Abgabe eines Verzichts auf Irrtumsanfechtung auf Verkürzung über die Hälfte und zu einem wechselseitigen umfassenden Anfechtungsverzicht

Bei der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH ist anhand der konkreten vertraglichen Vereinbarungen zu klären, ob auch der Zustand oder Vermögensstand des von der GmbH betriebenen Unternehmens ausdrücklich oder stillschweigend zum Gegenstand des „Geschäfts“ gemacht wurde. Bejahendenfalls hat der Veräußerer des Geschäftsanteils für ausdrücklich zugesagte oder gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften des von der GmbH betriebenen Unternehmens Gewähr zu leisten.

Die gegenständliche OGH-Entscheidung ist für die Vertragspraxis sehr relevant. Sie zeigt mit aller Deutlichkeit, wie sehr es darauf ankommt, was die Parteien zum Inhalt der Vertragsverhandlungen machen, worauf sie abstellen und welche vertraglichen Regelungen sie letztlich vereinbaren.

Sachverhalt: Hier hatte der Beklagte einen Geschäftsanteil von knapp mehr als 10% des Stammkapitals einer GmbH an den Kläger zum Preis von € 221.620,- abgetreten. Einerseits wurde vereinbart, dass der Beklagte als abtretender Gesellschafter dafür

„haftet, dass der vertragsgegenständliche Geschäftsanteil sein unbelastetes Eigentum darstellt und nicht mit irgendwelchen Rechten Dritter belastet ist, und er den Erwerber [den Kläger] diesbezüglich schad- und klaglos hält“.

Dies stellte eine Gewährleistungszusicherung ausschließlich für Rechtsmängel des Geschäftsanteils dar.

Andererseits vereinbarten die Vertragsteile, dass sie

„wechselseitig darauf verzichten, diesen Vertrag aus welchem Rechtsgrund auch immer, insbesondere wegen Willensmängeln, anzufechten oder wegen des Tatbestands der Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB) die Auflösung zu begehren. Die Vertragsteile erklären, sich vor Unterfertigung des Vertrages über alle wertbestimmenden Umstände ausreichend informiert zu haben, sowie, dass der vereinbarte Preis dem wahren Wert des abgetretenen Geschäftsanteiles entspricht, sowie weiters, dass das gegenständliche Geschäft jedenfalls um den Wert der besonderen Vorliege iSd § 935 ABGB abgeschlossen worden ist.“

Dem Abtretungsvertrag war vorausgegangen, dass aufgrund persönlicher Differenzen zwischen dem Kläger und dem Beklagten vereinbart worden war, dass Letzterer per 30.9.2009 aus der GmbH ausscheiden solle. Für einen derartigen Fall war eine Aufgriffsverpflichtung des Klägers vereinbart, wobei dieser wiederum den verbleibenden Gesellschaftern gegenüber verpflichtet war, den aufgegriffenen Anteil auf Wunsch anteilig an die übrigen Gesellschafter abzutreten.

Die Ermittlung des Abtretungsvertrages war im Gesellschaftsvertrag auf Basis einer Buchwertklausel, bei der Beteiligungsgesellschaften konsolidiert werden, festgelegt.

Beiden Streitteilen war bekannt und bewusst, dass der Abtretungspreis nach dieser Regelung des Gesellschaftsvertrags vom Wirtschaftstreuhänder der GmbH errechnet werden würde. Dieser ermittelte für den Stichtag 31.12.2009 einen Abtretungspreis in Höhe von € 221.620,-. Diese Berechnung wurde beiden Streitteilen vorgelegt. In dieser Berechnung schien ein vorläufiger Gewinn für das Jahr 2009 in Höhe von € 2.660.000,- auf. Beide Streitteile gingen von der Richtigkeit dieser Berechnung aus. Der Fall der Unrichtigkeit dieser Berechnung wurde nicht besprochen und darüber keine Vereinbarung im Vertrag getroffen.

Mit der Formulierung des Vertrages sollte jedenfalls sichergestellt werden, dass an der Übereignung des Gesellschaftsanteils nicht mehr gerüttelt werden könne. Das musste deshalb gesichert sein, weil der Kläger den von ihm aufgegriffenen Gesellschaftsanteil in der Folge sofort wieder an einen anderen Gesellschafter weitergab.

Etwa ein Jahr nach Abschluss des Abtretungsvertrags ergab sich anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung, dass eine Mitarbeiterin der Steuerberatungskanzlei einen Fehler gemacht hatte, der zu einer Vorsteuernachzahlung in Höhe von rund € 234.000,- führte, was den der Berechnung des Abtretungspreises zugrunde gelegten Jahresgewinn für 2009 entsprechend verminderte. Bei Berücksichtigung dieser Steuernachzahlung hätte sich ein um den Klagsbetrag verminderter Abtretungspreis ergeben; diesen klagte nun der Kläger ein.

Rechtliche Beurteilung durch den OGH

Der OGH führte dazu aus:

Geht man – wie die Vorinstanzen – von einem gemeinsamen Irrtum der vertragsschließenden Teile über einen der Berechnung des Abtretungspreises zugrunde zu legenden Parameter, hier die Höhe des Eigenkapitals der GmbH zum Stichtag 31.12.2009, aus und legt man weiters zugrunde, dass ein solcher Irrtum den Vertrag nicht gehindert hätte, sondern dieser nur mit einem anderen Inhalt zustande gekommen wäre, wäre nach Irrtumsregeln eine Vertragskorrektur vorzunehmen. Diese bestünde darin, dass die mit dem Irrenden obliegende Leistung verhältnismäßig zu mindern wäre. Die Parteien des Abtretungsvertrages haben aber wechselseitig auf eine Anfechtung des Vertrags, insbesondere gestützt auf Willensmängel, wozu auch die Irrtumsanfechtung zu zählen ist, ausdrücklich verzichtet. Dies ist außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG zulässig, wenn der Irrtum nicht grob fahrlässig veranlasst wurde. Generell ist ein Verzicht auf Irrtumsanfechtung zulässig und nicht sittenwidrig (RIS-Justiz RS0016245). Die Gewährleistungsvorschriften des ABGB sind auch auf die Übertragung von Anteilen an einer GmbH anzuwenden. Weil der Erwerb von Anteilen an einer GmbH formal betrachtet der Erwerb eines Rechtes und sohin „Rechtskauf“ ist, für welchen das ABGB keine gesonderten Gewährleistungsbestimmungen enthält, sondern mit §§ 1397ff ABGB nur für den Erwerb von Forderungsrechten (Reich-Rohrwig/Thiery, Gewährleistungsfragen beim Anteilskauf, ecolex 1991, 89), kommen daneben – wegen des weiten Sachbegriffs, der sowohl körperliche Sachen als auch Rechte umfasst – die §§ 922ff ABGB zur Anwendung. Mit dem Kauf auch eines Unternehmensanteils, selbst beim Erwerb einer Minderheitsbeteiligung, sind nach der Rechtsprechung die für einen Unternehmenskauf geltenden Gewährleistungsregeln grundsätzlich anwendbar (6 Ob 564/90; 2 Ob 68/00i; 4 Ob 44/11s mwN).

Das bedeutet, dass bei Veräußerung von Gesellschaftsanteilen für ausdrücklich zugesagte oder gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaften des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmensgewähr zu leisten ist.

Inwieweit bestimmte Eigenschaften zu gewährleisten sind, lässt sich immer nur anhand der konkreten vertraglichen Vereinbarungen beurteilen. Es ist klärungsbedürftig, wie weit beim Anteilserwerb die vom Zustand des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens abhängige Güte Gegenstand des Geschäfts gemacht worden ist (OGH 4 Ob 44/11s).

Vorweg lässt sich beurteilen, dass der Beklagte das Unterbleiben finanzamtlicher Abgabenforderungen nicht zugesagt und damit auch nicht eine Garantie in Form einer sogenannten „Steuerklausel“ übernommen hat (vgl 2 Ob 68/00i), nach welcher für das nicht-Vorliegen einer vertraglich geschuldeten Eigenschaft, nämlich das Fehlen derartiger Nachforderungen, einzustehen war. Der Beklagte hat auch keine Schad- und Klagloshaltungsverpflichtung für den Fall des Auftretens solcher Nachforderungen übernommen. Er übernahm als abtretender Gesellschafter die Haftung bloß dafür, dass der vertragsgegenständliche Gesellschaftsanteil sein unbelastetes Eigentum darstellte und nicht mit irgendwelchen Rechten Dritter belastet war (…). Die Vertragsparteien, die beide Gesellschafter der GmbH waren, und die Preisberechnung auf nicht irgendeinen Dritten, sondern dem gemeinsamen Wirtschaftstreuhänder der GmbH übertrugen, erklärten ausdrücklich, „sich vor Unterfertigung des Vertrags über alle wertbestimmenden Umstände ausreichend informiert zu haben, sowie, dass der vereinbarte Preis dem wahren Wert des abgetretenen Gesellschaftsanteils entspricht, sowie weiters, dass das gegenständliche Geschäft jedenfalls um den Wert der besonderen Vorliebe iSd § 935 ABGB abgeschlossen worden ist.“ Damit wird jedenfalls keine objektive Richtigkeit des Jahresabschlusses oder des vorhandenen Eigenkapitals im Sinne einer bindenden Bilanzgarantie gewährleistet (vgl D. Karollus-Bruner, Was garantiert die Bilanzgarantie? ecolex 2007, 824), sondern eine rein subjektive, auf den persönlichen Wissensstand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abstellende Zusicherung der Richtigkeit der Ermittlung des „wahren Werts“ des Gesellschaftsanteils durch beide Vertragsteile abgegeben. Das schließt, wenn wie hier kein vorwerfbares Verhalten vorliegt, die Berücksichtigung später offenkundig werdender Umstände zum Nachteil eines der Vertragspartner aus. Im Zusammenhang mit dem im selben Vertragspunkt erklärten Verzicht auf die Anfechtung des Vertrags aus welchem Rechtsgrund auch immer und der Erklärung, zum „Wert der besonderen Vorliebe“ zu erwerben, bleibt kein Raum mehr für die Auslegung, dem Kläger sei ausdrücklich oder stillschweigend eine der jeweils richtig ermittelten Werthaltigkeit des Anteils entsprechende Eigenschaft des Gesellschaftsanteils zugesagt worden. Damit liegen aber die Voraussetzungen für Gewährleistungsansprüche nicht vor.

Nach der dargestellten Vertragslage kommt aber auch eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht (…).

Mit dem im Vertrag ausdrücklich erklärten Zugeständnis der Richtigkeit des vereinbarten Abtretungspreises als wahren Wert des übereigneten Gesellschaftsanteils und gleichzeitig vereinbarter beidseitiger Unterlassung der Anfechtung dieses Vertrages aus welchen Rechtsgründen immer wurde im Ergebnis eine Gefahrtragungsregel vereinbart. Gleich auf welcher Seite sich aus welchem Grund immer ein Nachteil ereignet, solle er nicht nur zum Gegenstand von Rück- oder Nachforderungen gemacht werden können (OGH 5 Ob 136/12d).

Anm: Siehe dazu

  • die Entscheidungsbesprechung von unserem Partner, Univ.-Prof. Dr. Johannes Reich-Rohrwig, in GesRZ 2013, 159f, sowie
  • den ausführlichen Beitrag J. Reich-Rohrwig, Auslegung und Reichweite von Bilanzgarantien, in Althuber/Schopper (Hrsg), Handbuch Unternehmenskauf und Due Diligence, Band I² (2015) 391ff.

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Johannes Reich-Rohrwig
Partner
Wien