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Der Praktikantenvertrag nach bulgarischem Arbeitsrecht

30/04/2015

Lange Zeit existierten in Bulgarien keine expliziten gesetzlichen Regelungen für die Praktikantenverhältnisse, was zu einer Unsicherheit für den Arbeitgeber und den Praktikanten führte (z.B. bezüglich der Vertragsdauer, der Kündigung, der Arbeitsvergütung etc.). Schließlich hat der Gesetzgeber die zunehmende Forderung nach einem verständlichen Recht in diesem Bereich durch die jeweiligen Änderungen des Arbeitsgesetzbuches gedeckt, so dass sich ein Missbrauch darum unter dem Begriff „Praktikum“ nicht mehr betreiben lässt.

Was ist die Rechtsnatur der Verhältnisse zwischen dem Arbeitgeber und dem Praktikanten nach bulgarischem Recht? Durch den Praktikantenvertrag wird ein Arbeitsverhältnis begründet, da im Vordergrund nicht das Lernen, sondern der Austausch von Arbeitsleistung und Entgelt steht. Der Praktikant ist als ein Arbeitnehmer einzustufen, weil er Anspruch auf alle anderen allgemeinen Rechte von Arbeitnehmern hat und für ihn sämtliche arbeitsrechtlichen Bestimmungen gelten. Der Praktikantenvertrag unterscheidet sich allerdings vom herkömmlichen Vertrag dadurch, dass er an der Gewährleitung der Ziele und der Erwartungen aus dem Praktikum durch die verstärkte Aufsicht des Betreuers orientiert ist.

Der Praktikantenvertrag wird mit Personen abgeschlossen, die nicht älter als 29 Jahre sind und bereits einen Beruf, jedoch keine Berufserfahrung, haben. Daher leistet der Praktikant seine Arbeit unter Betreuung und steht dementsprechend (im Gegensatz zu den anderen Arbeitnehmern) in einem Verhältnis einer (doppelten) Unterordnung sowohl gegenüber dem Arbeitgeber als auch (unmittelbar) gegenüber dem Betreuer. Der Betreuer ist eine vom Arbeitgeber genannte Person, grundsätzlich sein Arbeitnehmer, die einen dementsprechenden Beruf und eine mindestens dreijährige Berufserfahrung hat. Neben der Arbeitspflicht als Hauptpflicht entsteht für den Betreuer durch das Praktikum eine Reihe von Nebenpflichten, die in einer zusätzlichen Vereinbarung (üblicherweise in einem Nachtrag zu seinem Arbeitsvertrag) vereinbart werden. Diese Zusatzvereinbarung (der Nachtrag) ist vom Praktikantenvertrag unabhängig und hat einen spezifischen Inhalt, nämlich: Aufteilung der Arbeitszeit des Betreuers zwischen Hauptarbeitspflicht und Betreuung, Festlegung der Pflichten des Betreuers im Laufe des Praktikums, etc. Im Grunde sieht das Gesetz keine zwingenden Requisiten dieser Vereinbarung vor, was den Parteien eine wesentliche Verhandlungsfreiheit hinsichtlich des Gegenstands und des Umfangs der Betreuung erlaubt.

Die im Rahmen des Praktikums zu leistende Arbeit sollte mit dem in der Fachhochschule bzw. in der Universität erworbenen Beruf korrespondieren. Die Übereinstimmung zwischen Praktikum und Ausbildung bewertet der Arbeitgeber in jedem Einzelfall nach eigenem Ermessen. Ferner wird der Praktikantenvertrag mit ein und derselben Person nur einmal abgeschlossen, da nach Beendigung des Praktikums der Praktikant bereits über eine Berufserfahrung verfügt. Diese Einmaligkeit des Praktikantenvertrags unterscheidet ihn von den übrigen Arbeitsverträgen.

Der Praktikantenvertrag beinhaltet sowohl die allgemeinten Bestandteile des herkömmlichen Arbeitsvertrags: Bezeichnung der Position, Arbeitsort, Höhe der Vergütung, Arbeitszeit, Höhe des Urlaubsanspruch, Vertragsdauer (bei Praktikantenverträgen nicht weniger als 6 Monate und nicht länger als 12 Monate) etc., als auch spezifische Bestimmungen in Bezug auf die Art und Weise der Durchführung des Praktikums, den Namen und die Position des Betreuers, etc. Auf die im Vertrag nicht geregelten Fragen sind die allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen anwendbar.

Der Praktikantenvertrag ist stets entgeltlich. Der Arbeitgeber hat dem Praktikanten eine Arbeitsvergütung zu zahlen, die nicht weniger als den für das Land festgelegten Mindestlohn ist. Zudem ist der Praktikant für alle Sozialversicherungsfälle versichert, wie die anderen Arbeitnehmer.

Das Praktikum endet mit Ablauf der vereinbarten Vertragsfrist (6 bis 12 Monaten). Der Praktikantenvertrag kann auch vor dem Ablauf dieser Frist von jeder Partei mit einer 15-tägigen schriftlichen Kündigung gekündigt werden. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt der Arbeitgeber die Lern- und Tätigkeitsschwerpunkte während des Praktikums auf und bewertet die Leistung und die Führung des Praktikanten.

Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist ein Praktikum in Bulgarien eine eigenständige Beschäftigungsform, die jungen Fachleuten hilft, betriebliche Abläufe kennen zu lernen und eine Vorstellung von der Arbeit in einer Branche zu bekommen. Die explizite gesetzliche Regulierung dieser Beschäftigungsform ist zu begrüßen, jedoch muss ihre praktische Relevanz mit den gemeinsamen Anstrengungen des Praktikanten und des Arbeitgebers für eine erfolgsreiche Zusammenarbeit zur Entwicklung der Marktfähigkeit des Praktikanten in der jeweiligen Berufsbranche übereinstimmen.

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Maria Drenska