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Erdbeben

10/07/2012

Erdbeben sind auch in der Schweiz eine Realität; die Erdbebengefährdung wird als mässig bis mittel eingestuft, doch haben Erdbeben wegen der hohen Zerstörungskraft, der Konzen-tration an Sachwerten und der dichten Besiedlung ein grosses Schadenspotential. Für Immo-bilienbesitzer stellen sich diverse Fragen im Zusammenhang mit Erdbeben, so insbesondere bezüglich Versicherungsschutz, Haftung gegenüber Dritten und vorbeugenden Massnahmen zur Risiko- und Schadensminimierung. In den letzten Jahren wurde immer wieder die Einführung einer gesamtschweizerischen obligatorischen Erdbebenversicherung gefordert.

Gebäudeversicherung

Heutige Situation

Erdbebenschäden sind im Rahmen der obligatorischen Feuer- und Elementarschadenversicherungen nicht gedeckt. 18 kantonale Gebäudeversicherer führen gemeinsam einen schweizerischen Pool für Erdbebenversicherungen, der im Falle eines Erdbebens freiwillige Leistungen erbringt. Der Kanton Zürich verfügt über einen eigenen Erdbebenfonds. Diese Fonds verfügen jedoch nach Ansicht des Bundesamtes für Umwelt bei einem grösseren Erdbeben über keine genügend hohe Deckung. In den Kantonen mit privaten Gebäudeversicherungen sind gar keine Leistungen bei Erdbebenschäden vorgesehen. Immobilienbesitzer haben jedoch in allen Kantonen die Möglichkeit, auf freiwilliger Basis eine (kostspielige) private Versicherung für Erdbebenschäden abzuschliessen.

Zukunft: obligatorische Erdbebenversicherung für die ganze Schweiz?

Bereits seit einiger Zeit wird gefordert, schweizweit eine obligatorische Erdbebenversicherung einzuführen. Im März 2012 hat das Parlament eine entsprechende Motion an den Bundesrat überwiesen mit dem Auftrag, eine gesetzliche Grundlage mit Einheitsprämien auszuarbeiten. Viele Fragen sind allerdings noch offen, so z.B. die Höhe der Prämie, der Versicherungsdeckung und des Selbstbehalts. Eine obligatorische Erdbebenversicherung könnte sodann neue baurechtliche Vorschriften (mit entsprechenden Kostenfolgen für Hauseigentümer) nach sich ziehen. Ob und wann eine obligatorische Erdbebenversicherung in der Schweiz eingeführt wird, ist zur Zeit noch offen; unter Umständen wird darüber noch das Stimmvolk entscheiden müssen.

Haftungsfragen

Kommen bei einem Einsturz oder der Beschädigung eines Gebäudes Dritte zu Schaden (z.B. Personenschäden, Sachschäden an Mobiliar etc.), kann der Gebäudeeigentümer unter Umständen haftbar werden. Die sog. Werkeigentümerhaftung kommt dann zum Tragen, wenn das Gebäude einen Mangel aufweist. Hauseigentümer sind verpflichtet, ihre Liegenschaften regelmässig in Bezug auf ihre Sicherheit zu überprüfen und, wo nötig, dem verbesserten Stand der Technik anzupassen. Insbesondere sind die vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) herausgegebenen Normen und Merkblätter bezüglich Erdbebensicherheit zu beachten. Gestützt auf diese Publikationen und unter Beizug eines spezialisierten Ingenieurs können Immobilienbesitzer prüfen, ob Erdbebenertüchtigungsmassnahmen erforderlich bzw. verhältnismässig sind und demzufolge das Risiko einer Werkeigentümerhaftpflicht reduziert werden kann. Als Grundsatz kann festgehalten werden, dass ein Gebäude mindestens einem Erdbeben standhalten sollte, welches statistisch gesehen alle 75 Jahre auftritt. Versäumnisse des Immobilienbesitzers in Bezug auf die Sicherheit von Gebäuden können im schlimmsten Fall auch strafrechtliche Konsequenzen haben.

Erdbebenertüchtigungsmassnahmen

Zur Beurteilung der Erdbebensicherheit eines vor dem 1. Juli 2004 projektierten Gebäudes (ab diesem Datum gelten die neuen Tragwerksnormen SIA 260 – 267) ist auf das SIA Merkblatt 2018 (Überprüfung bestehender Gebäude bezüglich Erdbeben) abzustellen. Demzufolge ist in einem ersten Schritt der Zustand der betreffenden Liegenschaft zu erfassen, danach wird deren Erdbebensicherheit beurteilt und anschliessend ist über die umzusetzenden Massnahmen zu entscheiden. Die Beschaffenheit eines Gebäudes bezüglich Erdbebensicherheit ist ausreichend, wenn der Minimalschutz gemäss SIA Merkblatt 2018 eingehalten ist und darüber hinausgehende Ertüchtigungsmassnahmen finanziell unverhältnismässig wären. Bezüglich sogenannter Lifeline-Bauten wie Spitäler oder Brücken, die auch im Falle eines Ereignisses immer noch funktionstüchtig sein müssen, wird ein darüber hinausgehendes, höheres Schutzniveau erwartet.Der SIA ist zur Zeit daran, eine neue Norm bezüglich der Erhaltung von Tragwerken zu erarbeiten; der Inhalt des bisherigen SIA Merkblatts 2018 soll in diese Norm integriert werden. Mit dem Inkrafttreten dieser neuen SIA Norm wird frühestens in der zweiten Hälfte 2013 gerechnet.

Empfehlungen

Zur Minimierung haftpflicht- und strafrechtlicher Risiken empfiehlt es sich, eine Strategie zur Erdbebenertüchtigung der vor dem 1. Juli 2004 projektierten Gebäude festzulegen. Dazu gehört insbesondere eine Priorisierung der Liegenschaften aufgrund

  • der Lage: befindet sich die Liegenschaft in einer Erdbebenzone? Wie sieht der Baugrund aus (z.B. Fels, Kies, «weicher» Boden)?
  • der Nutzung: gewöhnliche Bauten (Wohn-, Büro- oder Gewerbebauten), Gebäude mit grösseren Menschenansammlungen, Infrastrukturbauten etc.
  • dem baulichen Zustand: insbeson-dere Tragsicherheit.

Gestützt auf die vorgenannten Faktoren ist sodann ein Zeit- und Massnahmenplan festzulegen. Ertüchtigungsmassnahmen sollten insbesondere auch bei anstehenden Umbau- oder Instandsetzungsprojekten geprüft werden. Es empfiehlt sich, die Schadens- und Haftungsrisiken unter Beizug von spezialisierten Rechtsberatern und Ingenieuren zu analysieren und zu minimieren.

Ist Ihre Immobilie erdbebentauglich?

Wurde die Immobilie unter Berücksichtigung der seit dem 1. Juli 2004 geltenden SIA Tragwerksnormen 260 – 267 erstellt?

  • Falls ja, ist in der Regel anzunehmen, dass die heute aktuellen Erdbebenvorschriften eingehalten sind.
  • Falls nein: Wurden bereits Erdbebenertüchtigungsmassnahmen im Sinne des SIA Merkblatts 2018 ergriffen?
    ∙∙ Falls nein: Sind Sie daran, eine Strategie für die Umsetzung von Erdbebenertüchtigungsmassnahmen zu erarbeiten?

Besteht eine Versicherungsdeckung im Zusammenhang mit Erdbeben für (a) Gebäudeschäden (d.h. Eigenschäden) und (b) Drittschäden, insb. im Rahmen der Werkeigentümerhaftpflichtversicherung?

Quelle
Newsletter Immobilienrecht - Juli 2012
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Autoren

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Dr. Stefan Gerster, LL.M., MRICS
Partner
Zürich
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Dr. Sibylle Schnyder, LL.M.
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