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Informationsaustausch zwischen Wettbewerbern

Die Europäische Kommission (EU-Kommission) hat ihre Vorschriften für die wettbewerbsrechtliche Prüfung von Kooperationsvereinbarungen zwischen Wettbewerbern – sogenannte horizontale Vereinbarungen – überarbeitet. Das seit dem 1. Januar 2011 in Kraft getretene Regelwerk beinhaltet zwei Gruppenfreistellungsverordnungen (für Spezialisierungs- sowie Forschungs- und Entwicklungsvereinbarungen) und die revidierten Leitlinien für horizontale Abreden. Ein Kernelement der Reform der sogenannten horizontalen Leitlinien (Leitlinien) ist das neu hinzugekommene Kapitel über den Informationsaustausch.

Die Leitlinien der EU-Kommission gelten nicht nur für Unternehmen, die innerhalb der EU ansässig sind, sondern für alle Unternehmen, soweit sich ihre Tätigkeit auf den Wettbewerb innerhalb der EU auswirkt.

Wichtigste Aspekte

Die wichtigsten zu beachtenden Punkte sind die Folgenden:

  • Der Austausch von Informationen kann wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen haben, als Kartell angesehen und mit Geldbussen geahndet werden.
  • Selbst eine bloss einseitige Offenlegung von Informationen kann als unzulässiger Informationsaustausch qualifiziert werden, sofern der Empfänger die Informationen akzeptiert.
  • Für die Annahme eines unzulässigen Informationsaustausches kann es genügen, wenn der Austausch eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt. Auf die tatsächlichen Auswirkungen kommt es dann nicht weiter an.
  • Ob ein Informationsaustausch wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat oder nicht, hängt sowohl von den wirtschaftlichen Bedingungen auf den relevanten Märkten, als auch von den Eigenschaften der ausgetauschten Informationen ab.
  • Auf transparenten, konzentrierten, nicht-komplexen, stabilen und symmetrischen Märkten ist es besonders wahrscheinlich, dass ein Informationsaustausch wettbewerbswidrig ist.
  • Insbesondere kann der Austausch strategischer Daten (Preise, Produktionskosten etc.), sowie unternehmensspezifischer, aktueller oder nicht-öffentlicher Daten wettbewerbswidrig sein.
  • Auch die Häufigkeit des Informationsaustausches und die Marktstellung der Unternehmen sind zu beachten.

Handlungsbedarf

Wo besteht Handlungsbedarf:

  • Vorsicht ist geboten beim Erhalt von Informationen von Wettbewerbern. Falls der Empfänger solche Informationen nicht ausdrücklich ablehnt, wird davon ausgegangen, dass er die Informationen akzeptiert, was für die Annahme eines unzulässigen Informationsaustausches bereits genügen kann.
  • Jeder bestehende oder geplante Informationsaustausch mit Wettbewerbern ist sorgfältig anhand der Leitlinien auf seine mögliche Unzulässigkeit hin zu überprüfen. Informationsaustausch in aggregierter Form, der keine Rückschlüsse auf Einzelgeschäfte ermöglicht, ist zulässig.
    Beim Austausch von strategischen, unternehmensspezifischen, aktuellen und geheimen Daten ist äußerste Vorsicht geboten.
  • Bestehende oder geplante Vereinbarungen oder Verhaltensweisen sind gegebenenfalls zu überarbeiten und anzupassen.

Informationsaustausch – eine Übersicht

Grundsatz

Die EU-Kommission bekräftigt in den Leitlinien, dass sich der Austausch von Geschäftsinformationen zwischen Wettbewerbern wettbewerbsfördernd auswirken und zu beträchtlichen Effizienzgewinnen führen kann. Ein Informationsaustausch kann insbesondere dann wettbewerbsfördernd sein, wenn er den Unternehmen ermöglicht, Marktdaten zu sammeln, um mit ihrer Hilfe effizienter zu werden und Kundenwünsche besser zu erfüllen. Die EU-Kommission betont aber auch, dass sich der Austausch von Informationen wettbewerbsbeschränkend auswirken kann, wenn er, etwa bei Informationen zum künftigen Preis- oder Produktionsverhalten, “Aufschluss über die Marktstrategien” der Wettbewerber gibt.

In den Leitlinien wird umfassend erläutert, wie ein Informationsaustausch auf seine Vereinbarkeit mit dem EU-Wettbewerbsrecht zu prüfen ist.

Unzulässiger Informationsaustausch

Unzulässig ist ein Informationsaustausch unter Wettbewerbern, wenn der relevante Markt dadurch koordinationsanfällig wird oder wenn die Verbreitung von Informationen eine Vereinbarung, eine abgestimmte Verhaltensweise oder einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung insbesondere mit dem Zweck der Preis- oder Mengenfestsetzung darstellt. Diese Arten des Informationsaustausches werden als Kartelle angesehen und mit Geldbussen geahndet.

Abgestimmte Verhaltensweise genügt

Der Austausch von Informationen kann auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zu einer Koordinierung des Marktverhaltens führen, die grundsätzlich unzulässig ist, sofern damit eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt oder bewirkt wird. Eine abgestimmte Verhaltensweise liegt insbesondere vor:

  • wenn der Informationsaustausch die strategische Ungewissheit auf dem Markt in Bezug auf das Verhalten der Konkurrenz verringert. Der Austausch strategischer Daten (z.B. der künftigen Preise) zwischen Wettbewerbern wird dann einer Abstimmung gleichgesetzt.
  • wenn nur ein einzelnes Unternehmen gegenüber einem Wettbewerber (einseitig) strategische Informationen offenlegt und dieser diese ohne Widerspruch entgegennimmt. Erhält ein Unternehmen z.B. strategische Daten von einem Wettbewerber (in einer Sitzung, per Post oder elektronisch), wird davon ausgegangen, dass es die Informationen akzeptiert, ausser wenn es ausdrücklich erklärt, dass es die Daten nicht bekommen will.

Dagegen liegt in der Regel keine abgestimmte Verhaltensweise vor, wenn es sich um eine einseitige Offenlegung von Informationen eines Unternehmens handelt, die auch “echt öffentlich” ist und z.B. in einer Zeitung publiziert wurde.

Kartellrechtliche Würdigung

Die EU-Kommission betont, dass das Vorliegen einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise noch nichts über die Unzulässigkeit aussagt. Denn dazu bedarf es zusätzlich einer damit bezweckten oder bewirkten Wettbewerbsbeschränkung.

Bei der Prüfung, ob ein Informationsaustausch einen wettbewerbsbeschränkenden Zweck hat, stellt die EU-Kommission insbesondere auf den rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang ab, in dem der Austausch stattfindet. Der Austausch unternehmensspezifischer Daten über künftiges Preis- oder Mengenverhalten unter Wettbewerbern wird z.B. als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung betrachtet. Das bedeutet, dass in solchen Fällen die Auswirkungen gar nicht erst untersucht zu werden brauchen.

Ob ein Informationsaustausch wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen hat, muss in jedem Einzelfall geprüft werden, da das Ergebnis der Prüfung von einer Reihe fallspezifischer Faktoren abhängt. Die Beurteilung hängt sowohl von den wirtschaftlichen Bedingungen auf den relevanten Märkten, als auch von den Eigenschaften der ausgetauschten Informationen ab.

  • Wirtschaftliche Bedingungen auf den relevanten Märkten:

    Auf hinreichend transparenten, konzentrierten, nicht-komplexen, stabilen und symmetrischen Märkten ist es nach Auffassung der EU-Kommission eher wahrscheinlich, dass der Informationsaustausch eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt. Besondere Vorsicht ist bei Märkten geboten, auf denen enge Oligopole bestehen. In anderen Marktsituationen kann sich ein Informationsaustausch aber gerade auch wettbewerbsbeschränkend auswirken, indem er die Transparenz des Marktes erhöht, seine Komplexität reduziert, Instabilitäten auffängt und Asymmetrien ausgleicht.
  • Eigenschaften der ausgetauschten Informationen:

    STRATEGISCHE DATEN:
    Der Austausch von Informationen zu Preisen (z.B. aktuelle Preise, Preisnachlässe, Preiserhöhungen, Preissenkungen und Rabatte), Kundenlisten, Produktionskosten, Mengen, Umsätzen, Verkaufszahlen, Kapazitäten, Qualität, Marketingplänen, Risiken, Investitionen, Technologien sowie Forschungs- und Entwicklungsprogrammen führt mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einem wettbewerbsbeschränkenden Ergebnis.

    MARKTABDECKUNG:
    Decken die am Informationsaustausch beteiligten Unternehmen einen wesentlichen Teil des relevanten Marktes ab, wirkt sich ein Informationsaustausch tendenziell eher wettbewerbsbeschränkend aus.

    UNTERNEHMENSSPEZIFISCHE DATEN:
    Bei individuellen, unternehmensspezifischen Daten sind wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen viel wahrscheinlicher als bei aggregierten Daten.ALTER DER DATEN: Der Austausch von historischen Daten wird eher nicht zu wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen führen, da diese Daten kaum Aufschluss über das künftige Verhalten der Wettbewerber geben und nicht zu einem gemeinsamen Verständnis des Marktes führen. Eine generelle Regel, ab welchem Alter Daten “historisch” sind, gibt es nicht. Das hängt von den Umständen des jeweiligen Marktes ab.

    HÄUFIGKEIT DES INFORMATIONSAUSTAUSCHES:
    Häufiger Informationsaustausch, der sowohl eine bessere Kenntnis des Marktes als auch die Überwachung von Abweichungen ermöglicht, erhöht die Gefahr einer Wettbewerbsbeschränkung.

    ÖFFENTLICHKEIT DER INFORMATIONEN:
    Der Austausch echter öffentlicher Informationen und der öffentliche Informationsaustausch führen in der Regel nicht zu einem Verstoss gegen das EU-Kartellrecht. Dabei ist entscheidend, dass alle Wettbewerber und Kunden im Hinblick auf die Zusatzkosten gleichermaßen leicht Zugang haben.
Veröffentlichung
Information Exchange between Competitors
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