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Immobilien- & Baurecht: Zuständigkeit der Handelsgerichte für mietrechtliche Streitigkeiten

20/06/2014

Kommt es im Zusammenhang mit einem Mietverhältnis zum Streit, wird die Sache in der Regel zunächst der paritätischen Schlichtungsbehörde vorgelegt. Betrifft der Streit aber einen Geschäftsmietvertrag, können unter Umständen die Handelsgerichte zuständig sein; in diesem Fall entfällt ein vorgängiges Schlichtungsverfahren. Das Bundesgericht hat sich kürzlich zur Abgrenzung der Zuständigkeit von Handelsgericht und ordentlichen Gerichten in Mietsachen geäussert und bisherige Unsicherheiten in der Praxis geklärt.

Mieter und Vermieter von Wohn- oder Geschäftsräumen sind grundsätzlich an einer einvernehmlichen und langfristigen Vertragsbeziehung interessiert. Kommt es trotzdem einmal zu Differenzen, welche die Parteien unter einander nicht klären können, steht in einem ersten Schritt die paritätisch besetzte Schlichtungsbehörde in Miet- und Pachtsachen zur Verfügung. Kann auch anlässlich der Schlichtungsverhandlung keine Lösung gefunden werden, wird der Fall je nach Kanton vom ordentlichen erstinstanzlichen Gericht bzw. dem Mietgericht beurteilt. Danach besteht in der Regel die Möglichkeit des Weiterzugs an das zweitinstanzliche kantonale Gericht und anschliessend ans Bundesgericht.

In den vier einwohnerstärksten Kantonen der Deutschschweiz – Aargau, Bern, St. Gallen und Zürich – besteht überdies ein Handelsgericht, welches als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist.

Seit dem Inkrafttreten der eidgenössischen Zivilprozessordnung im Jahre 2011 war in der Praxis unklar, ob die Handelsgerichte auch für gewisse mietrechtliche Streitigkeiten zuständig sind. Das Bundesgericht hat nun diesbezüglich mit zwei kürzlich ergangenen Entscheiden Klarheit geschaffen.

Zuständigkeit des Handelsgerichtes (gilt für die Kantone AG, BE, SG und ZH)

Grundsatz

Die Zuständigkeit des Handelsgerichtes beschränkt sich auf handelsrechtliche Streitigkeiten. Was als handelsrechtliche Streitigkeit zu verstehen ist, definiert das Gesetz: Gemäss der eidgenössischen Zivilprozessordnung gilt eine Streitigkeit dann als handelsrechtlich, wenn kumulativ

  • die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist,
  • gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht offen steht und
  • die Parteien im schweizerischen Handelsregister oder in einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind.

Unter eine „geschäftliche Tätigkeit“ in diesem Sinne fällt gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts auch der Abschluss von Mietverträgen über Geschäftsliegenschaften.

Somit fallen also auch mietrechtliche Streitigkeiten, sofern es um einen Geschäftsmietvertrag geht und die Parteien im Handelsregister eingetragen sind, grundsätzlich in die Zuständigkeit des Handelsgerichts. Solche Streitigkeiten sind direkt vom Handelsgericht zu beurteilen; ein vorgängiges Verfahren vor der paritätischen Schlichtungsbehörde entfällt. Entscheide eines Handelsgerichts können lediglich ans Bundesgericht weitergezogen werden; eine Beurteilung durch eine zweite kantonale Instanz entfällt.

Ausnahme

Von diesem Grundsatz gibt es gemäss dem Bundesgericht aber folgende Ausnahmen:

Streitigkeiten im sogenannten Kernbereich des Mietrechts (vgl. Kasten) sowie Prozesse mit einem Streitwert von unter CHF 30’000 sind gemäss Zivilprozessordnung im vereinfachten Verfahren zu behandeln. Da die Handelsgerichte kein vereinfachtes Verfahren durchführen dürfen, müssen diese Fälle zwingend von den ordentlichen Gerichten bzw. – je nach Kanton – dem Mietgericht beurteilt werden; dies mit einem vorangehenden Verfahren vor einer paritätischen Schlichtungsbehörde.

Keine parallelen Zuständigkeiten

Gemäss der aktuellen bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind keine parallelen Zuständigkeiten von Handelsgericht und den ordentlichen Gerichten (bzw. Mietgerichten) vorgesehen. Mit anderen Worten: In den oben erwähnten Ausnahmefällen sind ausschliesslich die ordentlichen Gerichte (bzw. Mietgerichte) zuständig. In allen anderen Mietrechtsstreitigkeiten zwischen im Handelsregister eingetragenen Parteien, die eine geschäftliche Tätigkeit betreffen, ist ausschliesslich das Handelsgericht zuständig.


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Autoren

Foto vonSibylle Schnyder
Dr. Sibylle Schnyder, LL.M.
Partnerin
Zürich
Foto vonStefan Gerster
Dr. Stefan Gerster, LL.M., MRICS
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