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Compliance-Pflichten der Obergesellschaft im faktischen Konzern

Update Compliance 09/2018

September 2018

Aktualität und Relevanz des Themas

Compliance-Verstöße der Tochtergesellschaft können nicht losgelöst von den Pflichten der Organe der Obergesellschaft betrachtet werden. Neben der ordnungsgemäßen Überwachung der Tochtergesellschaft müssen die Organe der Obergesellschaft entscheiden, ob und in welchem Umfang den Aktionären in der Hauptversammlung Auskunft erteilt wird. Das LG Stuttgart (Urteil vom 19. Dezember 2017 – 31 O 33 / 16 KfH) hatte im Zusammenhang mit der sogenannten „Dieselthematik“ über die Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen der Organmitglieder einer Holding zu entscheiden; das LG sah die Auskunftsrechte der Aktionäre der Porsche SE nach § 131 AktG verletzt, da Fragen zur „Dieselthematik“ der Volkswagen AG auf der Hauptversammlung der Porsche SE nicht bzw. unzureichend beantwortet wurden.

Ferner entschied das LG, der Vorstand habe im Rahmen des nach § 91 Abs. 2 AktG vorgeschriebenen Überwachungssystems den Wert gehaltener Aktien an einem Konzernunternehmen regelmäßig zu überwachen und Entwicklungen zu erfassen und zu bewerten, die den Bestand der Obergesellschaft selbst gefährden, d.  h. ein Insolvenzrisiko begründen oder wesentlich steigern.

Aus Compliance-Sicht sind die Ausführungen des LG zu den „eigenen Angelegenheiten der Gesellschaft“ nach § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG besonders relevant; auch erhebliche Vorgänge bei verbundenen Unternehmen seien hiervon umfasst.

Eigene Angelegenheiten der Obergesellschaft

In welchen Fällen werden Compliance-relevante Vorgänge bei der Tochtergesellschaft zu eigenen Angelegenheiten der Obergesellschaft? Grundsätzlich muss die sogenannte „Erheblichkeitsschwelle“ erreicht werden. Dies ist erstens der Fall, wenn sich Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft in der Vergangenheit mit der Angelegenheit des verbundenen Unternehmens tatsächlich befasst haben. Zweitens in Fällen, in denen eine Angelegenheit als erhebliche Insiderinformation der Obergesellschaft zu qualifizieren ist (sodass diese bei Kenntnis nach Art. 17 MAR ad hoc publizitätspflichtig wäre). Und drittens, wenn sich Vorstand und Aufsichtsrat der Obergesellschaft mit der Angelegenheit des verbundenen Unternehmens hätten befassen müssen, um ihren objektiven Sorgfaltspflichten nach §§ 93 Abs. 1, 111 Abs. 1 AktG nachzukommen.

Im Fall der „Dieselthematik“ bejahte das LG alle drei Fallgruppen. Bereits aufgrund der hohen wirtschaftlichen Bedeutung des Themas hätten sich Vorstand und Aufsichtsrat der Obergesellschaft selbst mit der Sache befassen müssen.

Folgen für die Compliance-Praxis

Auch im faktischen Konzern muss die Obergesellschaft ihre Tochtergesellschaften überwachen und bei Compliance-Verstößen entsprechend reagieren. Der schlichte Hinweis darauf, es handle sich um eine Angelegenheit der Tochtergesellschaft, reicht nicht aus, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Werden Compliance-Verstöße der Tochtergesellschaft zu eigenen Angelegenheiten der Obergesellschaft, muss sie ihren Aktionären Auskunft erteilen. Dabei dürfen sich die Organe der Obergesellschaft bei Anhaltspunkten für Compliance-Verstöße nach dem LG Stuttgart nicht uneingeschränkt und „blind“ auf die Angaben der Tochtergesellschaft verlassen. Darüber hinaus stellt das LG hohe Anforderungen an die Begründung eines Auskunftsverweigerungsrechts wegen eines nicht unerheblichen Nachteils für die Ober- oder Tochtergesellschaft. Auch dieses Thema wird die Praxis vor Herausforderungen stellen.

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Autoren

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Dr. Eckart Gottschalk, LL.M. (Berkeley)
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Hamburg
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Dr. Levent Hancioglu