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Millionenstrafe gegen Facebook wegen Verstoß gegen das NetzDG

Update Gewerblicher Rechtschutz & Kartellrecht 09/2019

September 2019

Vor zwei Jahren verabschiedete der Bundestag das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), mit dem rechtswidrige Inhalte in sozialen Netzwerken unterbunden werden sollen. Deren Anbieter sollen, so die Gesetzesbegründung, durch das NetzDG zu einer zügigeren und umfassenderen Bearbeitung von Beschwerden von Nutzerinnen und Nutzern über Hasskriminalität, sog. „hate speech“, und andere strafbare Inhalte in ihren Netzwerken angehalten werden.

Bis vor kurzem wurden – soweit ersichtlich – noch keine Strafen wegen Verstoß gegen das NetzDG verhängt. Nun hat das Bundesamt für Justiz (BfJ) ein Bußgeld in Höhe von EUR 2 Mio. gegen Facebook Ireland Limited als Anbieterin von Facebook wegen Verstoß gegen die Berichtspflicht verhängt (vgl. https://www.bundesjustizamt.de/DE/Presse/Archiv/2019/20190702.html?nn=3449818).

Auffällig geringe Anzahl an Meldungen nach dem NetzDG bei Facebook

Anbieter sind nach dem NetzDG dazu verpflichtet, einfache Verfahren zur Meldung rechtswidriger Inhalte anzubieten, die eingegangenen Beschwerden unverzüglich zu prüfen und den gemeldeten Inhalt bei Rechtwidrigkeit zu entfernen. Bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit muss das sogar innerhalb von 24 Stunden geschehen. Zudem müssen die Unternehmen alle sechs Monate einen Bericht über ihren Umgang mit Beschwerden und weitere Maßnahmen veröffentlichen.

Facebook war dieser Pflicht zur Berichterstattung für das erste Halbjahr 2018 zwar nachgekommen, laut dem BfJ allerdings unzureichend. Nach den Angaben auf Facebooks Website wurden lediglich 1.704 problematische Inhalte gelöscht. Diese Zahl erschien dem BfJ erstaunlich niedrig, kam doch Twitter auf 260.000 und YouTube auf 215.000 gelöschte Inhalte. Zum Vergleich: Bei Twitter waren im Jahr 2018 ungefähr 321 Millionen Nutzer monatlich eingeloggt, bei YouTube waren es 1,8 Milliarden. Facebook kam im Jahr 2018 sogar auf durchschnittlich etwa 2,3 Milliarden aktive Nutzer. Es war also unwahrscheinlich bis unmöglich, dass sich die Beschwerdezahlen beim größten Netzwerk Facebook in einem derartig niedrigen Bereich bewegten.

Eine mögliche Erklärung für die niedrige Zahl könnte sein, dass Facebook nicht nur den Weg zur Beschwerde gemäß dem NetzDG im sozialen Netzwerk anbietet, sondern auch einen zweiten Weg, bei dem Inhalte, die gegen Facebooks Gemeinschaftsrichtlinien verstoßen, nach einem „Flagging“-System gemeldet werden können. Der Weg zur Meldung nach dem NetzDG befindet sich in Facebooks Hilfe-Bereich, während das „Flagging“ direkt an den einzelnen Beiträgen möglich ist. Laut BfJ sei davon auszugehen, dass die Anzahl der insgesamt über das NetzDG-Formular und das „Flagging“-System eingereichten Beschwerden weitaus größer sei. Verstöße gegen Facebooks Gemeinschaftsrichtlinien würden oft auch die Fälle nach dem NetzDG umfassen. Der Bericht von Facebook zeige jedoch nur die Meldungen über das NetzDG-Formular. Es ist davon auszugehen, dass der Bericht, hätte Facebook die Meldungen beider Formulare aufgezeigt, deutlich aussagekräftiger und transparenter geworden wäre. Facebooks Darstellung der Beschwerden im Bericht sei somit verzerrt. Zudem sei der Weg zur Meldung nach dem NetzDG für die Nutzer nicht ausreichend transparent gekennzeichnet und das entsprechende Meldeformular zu versteckt. Dies wirke sich ebenfalls negativ auf die Transparenz der Bearbeitung von Beschwerden bei Facebook aus.

Diverse Mängel in der Berichterstattung

Der Bericht von Facebook enthielt aber laut BfJ noch diverse weitere Mängel. Wegen der unzureichenden Auflistung der Beschwerden über rechtswidrige Inhalte liefere der Bericht auch keine hinreichende Aussagekraft in Bezug auf die Maßnahmen, die Facebook im Hinblick auf die Anzeige von rechtswidrigen Inhalten üblicherweise trifft. Dies fordere allerdings § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 7 NetzDG.

Weiterhin seien die Angaben von Facebook zur Organisation, zur fachlichen und sprachlichen Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zu den Schulungen und der Betreuung der für die Bearbeitung von Beschwerden zuständigen Personen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 NetzDG) im Bericht nicht vollständig. Zudem habe Facebook über die Rückmeldungen auf Beschwerden ebenfalls unzureichend berichtet. Die Ausführungen von Facebook ließen keine Rückschlüsse zu, ob Begründungen der Entscheidungen zu dem jeweiligen gemeldeten Inhalt in den Rückmeldungen enthalten waren. Aufgrund der unvollständigen Daten sei die Intention des Gesetzgebers, eine nachvollziehbare Aussage über das Beschwerdeverfahren zu erhalten, damit nicht erfüllt.

Facebook will Einspruch einlegen

Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Facebook hat die Möglichkeit, Einspruch einzureichen. Einem Pressesprecher zufolge will das Unternehmen dies auch tun. Das NetzDG ist stark umstritten. Mehrere Bundestagsfraktionen, darunter AfD und Die Linke, fordern Nachbesserung oder sogar die Aufhebung des NetzDG. Erst kürzlich, am 15. Mai 2019, fand dazu eine Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz statt. Heinz-Josef Friehe, der Präsident des BfJ, erklärte dort allerdings, dass das NetzDG wirke: Mittlerweile liefen über 70 Verfahren gegen Betreiber sozialer Netzwerke. Nach Einschätzung seiner Behörde sei das NetzDG demnach durchaus geeignet, zur Einhaltung geltenden Rechts im Internet beizutragen. Lediglich bei den Berichten der Betreiber und der Einrichtung angemessener Meldewege in den Netzwerken sehe die Behörde im Einzelfall Verbesserungsbedarf.

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Autoren

Foto vonMartin Gerecke
Dr. Martin Gerecke, M.Jur. (Oxford)
Partner
Hamburg