Hintergrund
In Zeiten knapper werdenden Wohnraums in Ballungsgebieten werden zunehmend Grundstücksflächen „nachverdichtet“. Dass eine solche Nachverdichtung im Einzelfall klarer rechtlicher Regelungen bedarf, zeigt ein kürzlich vom BGH entschiedener Fall (Urteil vom 13.07.2018 – V ZR 308 / 17). Auf einem großen, zunächst nur mit einem Haus bebauten Grundstück war später im hinteren Teil ein Doppelhaus errichtet worden, das vom vorderen Haus mit Frischwasser versorgt wurde. Später wurde das Grundstück in drei Flurstücke geteilt, die an unterschiedliche Parteien veräußert wurden. Die Doppelhaushälften wurden weiterhin über das vordere Flurstück mit Wasser versorgt, das als einziges an die kommunale Wasserversorgung angeschlossen war. Eine dingliche Sicherung der Wasserversorgung unterblieb. Als die Beteiligten Jahre später in Streit gerieten, klagte der Vorderhauseigentümer auf Feststellung, dass er zu einer weiteren Versorgung der hinteren, mit dem Doppelhaus bebauten Grundstücke nicht verpflichtet sei.
Die Entscheidung
Der BGH gab dem Kläger Recht und lehnte einen Versorgungsanspruch der Beklagten ab. Ein Notleitungsrecht analog § 917 BGB bestehe nicht, weil den Beklagten ein eigener Anschluss an das öffentliche Leitungsnetz möglich sei. Die damit verbundenen Kosten berechtigten die Beklagten auch nicht, unter Berufung auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis eine Fortsetzung der bisherigen Versorgung zu verlangen. Das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis ist eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Es verpflichtet in erster Linie zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Positive Handlungspflichten könne es allenfalls in eng begrenzten Ausnahmefällen begründen – nämlich dann, wenn besondere Umstände zwingend einen über die gesetzlichen Regelungen hinausgehenden billigen Ausgleich der widerstreitenden Interessen verlangten. Ein bloß überwiegendes Interesse eines Beteiligten (hier der Beklagten an einer Kostenvermeidung) reiche nicht aus. Das gelte vorliegend schon deshalb, weil die Beklagten ihre Grundstücke in Kenntnis der streitigen Umstände erworben hätten. Ihnen sei insbesondere bekannt gewesen, dass die Wasserversorgung nur auf einer geübten Praxis beruhe, die nicht durch Dienstbarkeiten o. ä. dauerhaft abgesichert worden sei.
Die Parteien seien auch nicht Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft, die den Kläger zum Weiterbetrieb der Wasserversorgung verpflichte. Zwar könnten verschiedene Beteiligte ein gemeinsam genutztes Leitungssystem in Form einer Gemeinschaft halten und betreiben. Dazu müssten sie aber zunächst anteilige (Bruchteils-)Eigentümer des Leitungssystems geworden sein. Dafür lägen hier keine Anhaltspunkte vor. Insbesondere fehlten entsprechende Vereinbarungen. Eine tatsächliche Nutzung allein könne keine Bruchteilsgemeinschaft begründen.
Tipp für die Praxis
Wird ein Grundstück geteilt, sollte die Erschließung der jeweiligen Teilgrundstücke genau geprüft werden. Ist es erforderlich oder von den Beteiligten gewünscht, dass ein Teilgrundstück über ein anderes hinweg erschlossen wird, muss dies klar geregelt werden. Diesbezügliche Regelungen sollten über entsprechende Wegerechte und Leitungsdienstbarkeiten auch grundbuchrechtlich abgesichert werden. Dabei sollte auch geregelt werden, wer für den Unterhalt der Anlagen verpflichtet ist. Wie der vorliegende Fall zeigt, ist eine solche verbindliche Regelung auch dann sinnvoll, wenn alle Beteiligten zunächst derselben Familie angehören.
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