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Update Commercial 03/18

März 2018

Aktuelle Rechtsprechung 

Verstoß gegen das Anzapfverbot durch „Hochzeitsrabatte“-Forderung von Edeka gegenüber Sektherstellern
(BGH, Beschl. v. 23. Januar 2018 – KVR 3/17 „Hochzeitsrabatte“

  • Die Feststellung, dass ein marktbeherrschendes oder marktstarkes Unternehmen ein anderes Unternehmen aufgefordert hat, ihm ohne sachlich gerechtfertigten Grund Vorteile zu gewähren, setzt nicht voraus, dass der Normadressat eine Besserstellung gegenüber seinen Wettbewerbern verlangt hat.
  • Die sachliche Rechtfertigung der von einem Normadressaten verlangten Vorteile kann nicht damit begründet werden, bei der Forderung fehle es an einer Ausnutzung der Marktmacht des Normadressaten. 
  • Ist die Forderung eines Vorteils nicht leistungsgerecht, weil zwischen Forderung und Grund oder angebotener Gegenleistung ein offensichtliches Missverhältnis besteht, spricht eine Vermutung für das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung. Die Prüfung der Leistungsgerechtigkeit einer Forderung erfordert dabei eine Gesamtbetrachtung der vom Normadressaten verlangten Konditionen. 
  • Die Forderung eines Normadressaten gegenüber seinen Lieferanten, sich ohne eine gesicherte Gegenleistung mit einem nicht lieferanten-, waren- oder artikelbezogen ermittelten Betrag allgemein an der Modernisierung von ihm übernommener Filialen zu beteiligen, ist regelmäßig nicht sachlich gerechtfertigt.

Praxistipp: Der vorstehend mit seinen amtlichen Leitsätzen wiedergegebene Beschluss des BGH ist noch zu der Fassung des GWB vor der letzten GWB-Novelle ergangen, gilt aber ebenso für die aktuelle Rechtslage. Ausgelöst wurde das Verfahren dadurch, dass Edeka im Zuge der Übernahme der Plus-Filialen im Jahr 2009 an Lieferanten mit verschiedenen Forderungen herangetreten war. So forderte Edeka eine Anpassung bisheriger Zahlungsziele an das für die Plus-Filialen geltende, günstigere Zahlungsziel, eine Preisanpassung und Ausgleichsabzahlung aufgrund eines „Bestwertabgleiches“ und eine sogenannte Partnerschaftsvergütung für die Renovierung und Modernisierung der Plus-Filialen. Die dagegen gerichtete Verfügung des Bundeskartellamts ist vom OLG Düsseldorf aufgehoben, nunmehr aber vom BGH bestätigt worden. 
Der Anwendungsbereich des kartellrechtlichen Anzapfverbots wird zunächst dadurch bestimmt und eingegrenzt, dass es zum einen für marktbeherrschende Unternehmen und zum anderen (auch) dann gilt, wenn ein Lieferant von einem Kunden abhängig ist. Im Auge zu behalten bleibt, dass die Ausübung von Druck auf einen Lieferanten zur Erzielung besonderer Einkaufsvorteile auch den Tatbestand des § 4 Abs. 4 UWG erfüllen kann, wenn dies zum Nachteil von Wettbewerbern geschieht. Faktisch wird es sich allerdings zumeist so verhalten, dass zumindest nur bilateral marktmächtige Unternehmen solche Sondervorteile beanspruchen werden. 
Die Grenze zwischen erlaubten harten Verhandlungen und dem unzulässigen Anzapfen wird immer nur im Einzelfall zu ziehen sein. Immerhin hat der BGH mit seinem „Hochzeitsrabatte“-Beschluss einige Leitplanken eingezogen. Insbesondere hat er die Forderung eines Unternehmens gegenüber seinen Geschäftspartnern, sich an Investitionskosten für eigene Verkaufsstätten zu beteiligen, im Kern zurückgewiesen. Gerade dieses Thema dürfte nicht nur für den Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch für andere Wirtschaftssektoren relevant sein.

Angabe von Kündigungsgründen in der Kündigung eines Handelsvertretervertrages
(OLG München, Beschl. v. 8. Februar 2018 – 23 U 1932/17)

  • Bei der Kündigung des Handelsvertretervertrags aus wichtigem Grund ist eine Angabe von Kündigungsgründen in der Kündigungserklärung nicht erforderlich; bei der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung sind alle Gründe zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Kündigung objektiv vorlagen.

Praxistipp: Das Gericht bestätigt die bisherige Rechtsprechung, dass die Angabe von Kündigungsgründen in einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund nicht notwendig ist. Theoretisch reicht also der einfache Satz, dass der Vertrag (fristlos) aus wichtigem Grund gekündigt wird, aus. Allerdings ist der gekündigte Vertragspartner berechtigt, eine Mitteilung der Kündigungsgründe analog § 626 Abs. 2 S. 3 BGB zu fordern. Um von vornherein eine eindeutige Position zu beziehen und spätere Diskussionen zu vermeiden, ist es aber trotzdem sinnvoll, sämtliche dem Kündigenden bekannten und den Kündigungsentschluss auslösenden Kündigungsgründe in der Kündigung zu erwähnen. Das schließt nicht aus, dass bei der Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung weitere, nicht genannte (aber zum Zeitpunkt der Kündigung objektiv vorliegende) Gründe berücksichtigt werden. 

Anforderungen an die Widerrufsbelehrung bei einem Fernabsatzgeschäft 
(OLG Hamm, Urt. v. 30. November 2017 – 4 U 88/17)

  • Die Angaben zum Widerrufsempfänger in einer Belehrung über das Widerrufsrecht bei einem Fernabsatzgeschäft sind widersprüchlich, wenn der Widerrufsbelehrung selbst ein anderer Widerrufsadressat als in dem beigefügten Musterformular angegeben wird.
  • Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, dass dem Verbraucher auf der betreffenden Internetplattform einfachere Möglichkeiten für die Ausübung des Widerrufsrechts zur Verfügung gestellt werden als gesetzlich vorgesehen.

Praxistipp: Der Unternehmer muss den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts informieren. Dies ist nicht der Fall, wenn die Angaben zum Widerrufsrecht widersprüchlich sind. In dem Fall des OLG Hamm enthielt die Widerrufsbelehrung die Aussage, der Widerruf müsse an eine Y1 GmbH in der D-Straße in K gesandt werden, wozu das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwendet werden könne. In dem beigefügten Muster-Widerrufsformular hingegen war angegeben, dass dieses Formular für den Fall eines Widerrufs zu verwenden sei und an die Y2 GmbH im L-Weg in O gesendet werden müsse. Daneben bestand für den Verbraucher die Möglichkeit, den Vertrag automatisch über das Internet rückabzuwickeln. Das beklagte Unternehmen erklärte die unterschiedlichen Adressaten damit, dass es die Y2 GmbH für den Empfang der Widerrufserklärungen bevollmächtigt habe und der Verbraucher nach seiner Wahl gegenüber Y1 oder Y2 den Widerruf habe erklären können. Nach Ansicht des Gerichts war diese Wahlmöglichkeit für den Verbraucher aus der verwendeten Widerrufsbelehrung nicht ersichtlich, weshalb es die Belehrung als widersprüchlich und gesetzeswidrig einstufte. Der damit verbundene Verstoß gegen die gesetzlichen Regelungen zur Widerrufsbelehrung konnte auch nicht durch die Möglichkeit des EDV-basierten Widerrufs geheilt werden. 
Dieses Urteil verdeutlicht, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Widerrufsbelehrung ausnahmslos einzuhalten sind und größte Sorgfalt auf die Vollständigkeit und Stimmigkeit der Erklärung zu verwenden sind.

Kein konkludenter Verzicht auf Vorleistungspflicht
(OLG Düsseldorf, Urt. v. 30. November 2017 – I-16 U 104/16)

  • Leistet der Verkäufer eine Teilmenge, nachdem der Käufer nur einen Teil des Kaufpreises gezahlt hat, kann daraus nicht auf einen konkludenten Verzicht des Verkäufers auf die restliche Kaufpreisforderung geschlossen werden. 

Praxistipp: Dem Urteil lag ein Werklieferungsvertrag über die Lieferung von Schuhen zugrunde. In diesem Vertrag hatten die Parteien abweichend vom gesetzlichen Regelfall (Fälligkeit bei Vertragsschluss) vereinbart, dass die Übergabe der Kaufsache nur gegen Vorkasse erfolgen sollte, die Lieferpflicht also erst mit der Zahlung des Kaufpreises fällig werden sollte. Der Käufer war folglich vorleistungspflichtig, zahlte jedoch auf die ihm übersandten Rechnungen lediglich einen Teilbetrag. Den restlichen Betrag forderte der Verkäufer in der Klage und hatte damit auch Erfolg. Denn das Gericht sah in der Teillieferung keinen stillschweigenden Verzicht des Verkäufers auf die noch offenen Zahlungen. Vielmehr betonte das Gericht, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung grundsätzlich einen wirksamen Verzicht auf Forderungen nur im Wege eines Erlassvertrages anerkennt. Sofern ein entsprechender Erlassvertrag durch eine konkludente Erklärung vereinbart worden sein soll, sind strenge Anforderungen an die Umstände zu stellen, die den entsprechenden Willen der Parteien aufzeigen sollen. Da ein Verzicht auf Rechte im Allgemeinen nicht zu vermuten ist, muss sich deren Aufgabe aus einem unzweideutigen Verhalten ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 07.03.2002 – IX ZR 293/00). Um Zweifel an einem vereinbarten Forderungsverzicht gar nicht erst aufkommen zu lassen, sollten entsprechende Vereinbarungen in irgendeiner Form dokumentiert werden. 

Voraussetzungen und Höhe des Handelsvertreterausgleichs 
(OLG Karlsruhe, Urt. v. 14. Juli 2017 – 9 U 9/15)

  • Weigert sich der Unternehmer grundlos, dem Handelsvertreter einen Buchauszug zu erteilen, kommt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung des Vertrages durch den Handelsvertreter in Betracht.
  • Für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89 b Abs. 1 BGB sind nur die vom Handelsvertreter geworbenen Kunden zu berücksichtigen. Fällt das erste Geschäft des Unternehmers mit einem bestimmten Kunden in die Vertragszeit des Handelsvertreters, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Tätigkeit des Handelsvertreters für die Werbung dieses Kunden mitursächlich war.
  • Für einen Billigkeitsabschlag (§ 89 b Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 HGB) können zum einen die Sogwirkung einer Marke und zum anderen Umsatzverluste des Unternehmers durch eine Konkurrenztätigkeit des Handelsvertreters nach Ende des Vertrages eine Rolle spielen.

Praxistipp: Zum „Ausschluss des Handelsvertreterausgleichs wegen Eigenkündigung“ im Mai 2017. Die vorliegende Entscheidung ist vor allem in Bezug auf den zweiten der obigen Punkte von weitreichender praktischer Bedeutung. Dabei geht es um die bei der Berechnung von Ausgleichsansprüchen häufig umstrittene Frage, wie ermittelt wird, welche Kunden vom Handelsvertreter geworben wurden und daher ausgleichspflichtig sind. Hier hatte die Rechtsprechung schon in der Vergangenheit versucht, dem beweispflichtigen Handelsvertreter Beweiserleichterungen zugutekommen zu lassen. War der Handelsvertreter „Mann der ersten Stunde“, also bei Beginn des Vertriebs für das Unternehmen tätig, spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass alle Kunden als von ihm geworbene Neukunden anzusehen sind. Teilweise wird argumentiert, dass generell bei langjährigen Handelsvertreterverträgen (z. B. ab fünf Jahren) ein solcher Anscheinsbeweis greife. Ferner stellt die Rechtsprechung keine hohen Anforderungen an die Ursächlichkeit der Vertretertätigkeit für die Schaffung der Geschäftsverbindung; bloße Mitursächlichkeit genügt. Diese Grundsätze hat das OLG Karlsruhe nun weiter – zugunsten des Handelsvertreters – konkretisiert. Es hat festgestellt, dass der Anscheinsbeweis für die Werbung des Kunden durch den Handelsvertreter schon dann besteht, wenn der erste Vertragsabschluss des Unternehmers mit diesem Kunden nach Beginn des Handelsvertretervertrages fällt. Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises soll dann nicht einmal ausreichen, dass vor Vertragsbeginn bereits eine Anbahnung dieses ersten Geschäfts durch den Unternehmer erfolgt ist. Denn es komme ja in Betracht, dass der Handelsvertreter dann nach Vertragsbeginn bei dem betreffenden Kunden „nachhakt“ und somit für den Abschluss mitursächlich wird. Damit wird es für Unternehmen immer schwieriger, sich darauf zu berufen, dass die bei Vertragsende vorhandenen Kunden nicht vom Handelsvertreter neu akquiriert wurden. Da hilft nur, bei Abschluss des Handelsvertretervertrages eine Kundenliste als Anlage zum Vertrag aufzunehmen und darin auch möglichst anzugeben, welche Umsätze mit den Kunden zuletzt erzielt wurden. 


Gesetzgebung und Trends

Die EU-Kommission informiert: „Brexit preparedness“

Praxistipp: Vor fast genau einem Jahr hat Theresa May den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union (EU) erklärt. In diesem Jahr wurde hart um die Austrittsbedingungen (finanzielle Verpflichtungen, Bürgerrechte und künftige Landesgrenzen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in Irland) gerungen. Wie das rechtliche Verhältnis des Vereinigten Königreichs zur EU künftig rechtlich ausgestaltet sein wird, ist noch unklar. Klar ist jedoch, dass die Zeit bis zum offiziellen Austrittstermin am 30. März 2019, zwei Jahre nach der Austrittsmitteilung, nicht ausreichen wird, um das neue Verhältnis in allen Bereichen auszugestalten. Trotz der nunmehr vereinbarten Übergangsregelung bis zum 31. Dezember 2020, besteht weiterhin die Gefahr, dass das Vereinigte Königreich die EU ohne abschließende Neuregelungen (ratifizierte Rücktrittsvereinbarung) verlässt und zum Drittland wird (sogenannter „harter Brexit“). Welche Auswirkungen dieser Fall auf die unterschiedlichen Industriezweige haben könnte, behandeln die sektorbezogenen Dienststellen der EU in kurzen Mitteilungen, die die EU-Kommission seit November letzten Jahres sukzessive veröffentlicht. In den momentanen Mitteilungen geht es u. a. um die Themen Zölle und indirekte Steuern, Industrieprodukte, Marken, Lizenzen, Transport und Gesellschaftsrecht. Die Mitteilungen können helfen, mögliche Probleme zu identifizieren, um sich auf einen ggf. „harten Brexit“ vorzubereiten. Sofern die Gefahr besteht, dass Verträge dadurch unwirtschaftlich werden, könnte z. B. versucht werden, dem durch eine „Brexit-Klausel“ zu begegnen, mit der die Beendigung des Vertrages für diesen Fall vereinbart wird.

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Dr. Robert Budde
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Lars Eckhoff, LL.M. (Victoria University of Wellington)
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Dr. Dietmar Rahlmeyer
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