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Verluste der Bauunternehmen trotz Boom in der Baubranche

Update CEE German Desk 10/2018 - Polen

Oktober 2018

Aktuelle Marktverhältnisse

Die anhaltende Belebung des Bausektors sowie steigende Transportkosten, die durch die steigenden Ölpreise bedingt sind, haben die Baustoffpreise in Polen in die Höhe getrieben. Die Baustoffpreise im Zeitraum Januar bis Mai 2018 sind in 18 von 20 Produktkategorien höher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Dieser Faktor beeinflusst wesentlich die Lage von Bauunternehmen, die mit einem derartigen Kostenanstieg bei der Abgabe von Angeboten für die Ausführung von Bauarbeiten nicht gerechnet haben. Die Ausführung der Aufträge zu den aktuellen Preisen führt zu hohen Verlusten der Auftragnehmer trotz wirtschaftlichen Aufschwungs und bringt die gesamte Baubranche in Gefahr.

Die Bauunternehmen bleiben nicht ohne rechtliche Instrumente

In den gegebenen marktwirtschaftlichen Verhältnissen können die Bauunternehmen die Erhöhung der vertraglichen Vergütung durch das Gericht aufgrund außerordentlicher Veränderung der Verhältnisse (Clausula rebus sic stantibus) verlangen. Nach polnischem Zivilrecht ist eine solche Anpassung der Vergütung durch das Gericht zulässig, wenn aufgrund außerordentlicher und unvorhersehbarer Veränderung der äußeren Umstände die Leistungserbringung für eine der Vertragsparteien mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist bzw. der betroffenen Partei ein erheblicher Verlust droht. In diesem Fall kann das Gericht nicht nur die Art und Weise der Erfüllung des Schuldverhältnisses und den Leistungsumfang bestimmen, sondern auch den Vertrag durch ein Urteil aufheben. Das Gericht berücksichtigt bei der Urteilsfindung die Interessen beider Parteien sowie die Grundsätze von Treu und Glauben. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die außerordentliche Veränderung der Verhältnisse führt jedoch nicht zu einer automatischen Erhöhung der Vergütung des Bauunternehmens. In diesem Zusammenhang unterliegt die Beurteilung der außerordentlichen Veränderung der Verhältnisse zwischen dem Auftraggeber und dem Bauunternehmen der freien Würdigung des Gerichts.

Rechtsprechung angesichts der starken Preissteigerungen bei Baustoffen

Die Zulässigkeit der Verwendung dieser Institution bei unvorhersehbaren, starken Steigerungen der Preise von Baustoffen hat die polnische Rechtsprechung in letzter Zeit bestätigt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dem Urteil des Berufungsgerichts in Warschau vom 6. November 2017 (Az. VI Aca 1462 / 13). Der Fall bezog sich auf einen Anspruch eines Bauunternehmens auf Vergütungserhöhung aufgrund einer unvorhersehbaren und extremen Steigerung der Preise von Asphalt im Zeitraum 2009 bis 2012. Das Gericht befand, dass diese Preissteigerung einen außerordentlichen Charakter hatte und der von Bauunternehmen dadurch entstandene Mehrbetrag als erheblicher Verlust zu betrachten ist. Infolgedessen hat das Gericht die Vergütung des Bauunternehmens um ca. PLN 2,6 Mio. erhöht.

Vertragsgestaltung als Alternative zum Prozess

In Hinblick auf Komplexität, Laufzeit und Kosten der Gerichtsverfahren erwartet die Baubranche außervertragliche Lösungen.

Im Falle des öffentlichen Auftragswesens wird die Möglichkeit des Abschlusses eines Vergleiches über die Preiserhöhung im öffentlichen Sektor diskutiert, insbesondere wenn eine Preiserhöhung (Indexierung) nicht bereits in den Ausschreibungsbedingungen vorgesehen wurde. Eine Indexierungsklausel mit rückwirkender Wirkung ist somit aus vergaberechtlicher Sicht zweifelhaft. Selbst wenn solche Preisanpassungsklauseln vorgesehen werden, decken sie in der Regel lediglich die Erhöhung von Mindestlöhnen bzw. die Änderungen von Steuersätzen. Hinzu kommt, dass die bestehenden Baupreisindexe des Polnischen Statistischen Zentralamts (pol.: Główny Urząd Statystyczny) nicht an die marktspezifischen Gegebenheiten der Baubranche angepasst sind. Es ist daher verständlich, dass die Bauunternehmer grundlegende Änderungen bei der Auftragsvergabe erwarten, um die Risiken im Bauprozess gerecht zu verteilen. Die diskutierten Lösungen umfassen beispielsweise eine gerechte Preisanpassungsklausel, damit nicht nur erhebliche (unverschuldete und unvorhersehbare) Verluste entsprechend auf beide Parteien aufgeteilt werden. Derzeit erarbeitet das Polnische Statistische Zentralamt ein Programm, das die Methodologie der Datenerhebung und -analyse ändern soll, um neue Regeln für die Preisindexierung zu schaffen.

Das Ergebnis dieser Bestrebungen bleibt abzuwarten. Einstweilen können die Marktbeteiligten die Folgen der Preissteigerung vertraglich regeln bzw. ihre Ansprüche auf dem Prozesswege durchsetzen.

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Autoren

Foto vonLidia Dziurzyńska-Leipert
Lidia Dziurzyńska-Leipert
Partnerin / Partner
Warsaw
Sandra Zach - Eustachiewicz