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Der Europäische Gerichtshof und das Verfassungsgericht der Republik Slowenien sind sich einig – die Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten der elektronischen Kommunikation ist unzulässig.

2014-06

Wegen drohender terroristischer Angriffe und der zunehmenden organisierten Kriminalität hat die Europäische Union in den vergangenen Jahren mehrere Rechtsakten erlassen, deren Zweck darin besteht, die Verhinderung, Untersuchung, Aufdeckung und Verfolgung schwerer Straftaten zu fördern. Zu diesen Rechtsakten zählt auch die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste erzeugt oder verarbeitet werden (Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie), welche die Betreiber zur Speicherung aller Verbindungs-, Standort- und anderen Daten, die zur Bestimmung des Teilnehmers oder Benutzers notwendig sind, verpflichtete.

Die erwähnte Richtlinie wurde durch das Gesetz über elektronische Kommunikation (ZEKom-1) in slowenisches Recht umgesetzt, dessen Kapitel XIII (Datenspeicherung) die Verpflichtung zur präventiven und nichtselektiven Speicherung bestimmter Verbindungsdaten im Zusammenhang mit der Benutzung von Telekommunikationsdiensten (Telefondiensten im Fest- und Mobilnetz, Internetzugang, E-Mails, Internettelefonie) festlegte. Gemäß ZEKom-1 waren die Betreiber verpflichtet, Daten über die Identität der Person, die Art der Kommunikationsmittel sowie die Zeit, den Ort und die Häufigkeit der Kommunikation zu speichern. Dadurch wurden riesige Datensammlungen geschaffen, die 14 bzw. 8 Monate gespeichert blieben und aus denen sehr detaillierte Fakten über das Leben einer jeden Person, die elektronische Kommunikationsdienste benutzt, entnommen werden konnten.

Da die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie (was auch für ZEKom-1 gilt) kein objektives Kriterium festlegte und im Namen der Bekämpfung schwerster Formen von Kriminalität durchwegs alle Personen, alle elektronischen Kommunikationsmittel und alle Verbindungsdaten erfasste, kam es bereits bei der Implementierung der Richtlinie zu starken Meinungsverschiedenheiten zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten. Das letzte Wort in diesem Rechtsstreit hatte wie immer der Europäische Gerichtshof (EuGH), der in den verbundenen Rechtssachen C-293/12 und C-594/12 (Digital Rights Ireland und Seitlinger u. a.) am 8. April 2014 entschied, dass die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie zwar ein gerechtfertigtes Ziel (das allgemeine Interesse und die öffentliche Sicherheit) verfolge und zu dessen Erreichung geeignet sei. Dennoch stellt sie nach Ansicht des EuGH einen übermäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Achtung des Privatlebens und das Grundrecht auf den Schutz personenbezogener Daten dar, weswegen es die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie für ungültig erklärt hat.

Der Entscheidung des EuGH schloss sich auch das Verfassungsgericht der Republik Slowenien (Verfassungsgericht) in Gänze an und hob mit der Entscheidung U-I-65/13-19 vom 3. Juli 2014 auf Antrag des nationalen Informationsbeauftragten alle Bestimmungen des Kapitels XIII des Gesetzes über elektronische Kommunikation (ZEKom-1) auf. Das slowenische Verfassungsgericht hob hervor, dass es sich sowohl aufgrund der Personenzahl als auch aufgrund des Datenvolumens um einen außerordentlich invasiven Eingriff in die Informationsprivatsphäre der gesamten Bevölkerung handle, weshalb diese Maßnahme mangels objektiver Kriterien für eine solche Speicherung weder dem Kriterium der Notwendigkeit noch dem Kriterium der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genüge. Außerdem wies das Verfassungsgericht auf das hohe Risiko hin, dass auch unbefugte Personen auf die Daten zugreifen bzw. dass die Daten zu rechtswidrigen Zwecken verwendet werden, wie auch auf das Gefühl eines ständigen Überwachtseins, welches durch diese Maßnahme hervorgerufen werden kann. Im Unterschied zur Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie beschränkte das ZEKom-1 die Verpflichtung zur Speicherung von Verbindungsdaten nicht nur auf bestimmte (schwere Straf-)Taten.

Welche Folgen wird die Aufhebung der strittigen Bestimmungen haben? Die Artikel 162 bis 169 ZEKom-1 wurden rückwirkend aufgehoben, weshalb der slowenische Verfassungsgerichtshof die sofortige Vernichtung aller gespeicherten Daten anordnete. Da aber die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie dennoch ein völlig legitimes Ziel verfolgte, ist zu erwarten, dass die Europäische Kommission bald die Ausarbeitung eines neuen Richtlinienentwurfes in Angriff nehmen wird, welcher im Lichte der Urteile der höchsten Gerichte enger abgesteckt und auf die notwendigsten Eingriffe in die Menschenrechte begrenzt sein wird.