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Infrastruktur-Projekte ohne Verzug dank Alliancing-Verträgen

16/09/2019

Kein endloser Streit um zahllose Claims mehr: Wie die australische Idee von Alliancing-Verträgen und Partnerschaftsmodellen die Umsetzung komplexer Bauprojekte verbessern soll.

Die steigende Komplexität von Bauprojekten hinsichtlich ihrer technischen und regulatorischen Anforderungen sowie ein steigender Kosten- und Zeitdruck sorgen bei traditionellen Bauverträgen immer öfter für das Gegenteil dessen, was Bauherr und Vertragsverfasser eigentlich wollen: Mehrkosten, Verzug und zahlreiche Claims. Deshalb wurde vor allem in Australien ein anderes Vertragsmodell entwickelt und erfolgreich umgesetzt: Alliancing-Verträge – die auch Partnering- oder Mehrparteien-Verträge genannt werden.

Es gibt keine feste Definition von Alliancing. Typisch sind folgende Elemente:

  • Alle wesentlichen Parteien eines Projektes werden in einen gemeinsamen Vertrag eingebunden.
  • Ihre Interessen im Projekt werden durch Risikoteilung und Beteiligung an den Vorteilen/Gewinnen wie auch Verlusten gebündelt, statt konträre Positionen mit kollidierenden Angriffs- und Verteidigungsmitteln zu definieren.
  • Wesentliche Ziele und Kriterien, wann diese als erreicht gelten, werden definiert.
  • Unerwarteter Mehraufwand wird grundsätzlich abgegolten, aber zu Konditionen, die es attraktiver machen, diesen Aufwand erst gar nicht entstehen zu lassen. Ersparnisse werden genauso geteilt wie Kostensteigerungen.
  • Bestimmte streitträchtige Ansprüche werden beschränkt.

Was sind Stärken von Alliancing und für welche Projekte eignet es sich besonders?

  • Bewältigung komplexer technischer Herausforderungen, die innovative Lösungen außerhalb traditioneller Vertragsstrukturen erfordern: Durch die frühzeitige Einbindung aller wichtigen Beteiligten werden Planungsfehler verringert und Innovation gefördert.
  • Unsicherheit über den tatsächlichen Leistungsumfang aufgrund von schwer abschätzbaren Herausforderungen: Hier kommt man mit möglichst umfassenden Leistungsverzeichnissen nicht zum Ziel. Management der Lösungsfindung während des Projekts hilft weiter.
  • Management konkurrierender technischer und wirtschaftlicher Anforderungen: Bei traditionellen Bauverträgen versuchen Auftraggeber die Kosten zu drücken und Risiken auf den Unternehmer abzuwälzen. Dieser hat ein Interesse an vielen Mehrleistungen, um den schlechten Preis, der durch hohen Preiswettbewerb während der Ausschreibung entstanden ist, zu verbessern. Wenn alle Parteien von der Erreichung vordefinierter gemeinsamer Ziele profitieren, haben sie einen Anreiz, technische und wirtschaftliche Anforderungen im Sinne des Projekts zu lösen.
  • Ressourcenknappheit bei Fachkompetenz und materiellen Ressourcen: frühzeitige Einbindung aller Beteiligten und laufende Koordination in definierten Teams sollen Abhilfe schaffen.
  • Flexibilität bei Zeitplanung, Projektentwicklung und -durchführung, um bei Brownfield-Projekten den laufenden Betrieb aufrecht zu erhalten.
  • Kritische Fertigstellungstermine, die einen innovativen Ansatz für Planung, Bauabwicklung und Leistungsänderungen erfordern.

Wann funktionieren Alliance-Verträge?

Vision und Engagement
Allianzen funktionieren, wenn es gemeinsam gesetzte Ziele gibt, welche alle Parteien gemeinsam erreichen wollen. Ein effektiver Weg dahin kann sein, eine gemeinsame Vision für das Projekt und deren Bedingungen festzulegen. Das geschieht manchmal im Rahmen eines vorgeschalteten Beratungsvertrags, den schon die Parteien des späteren Bauvertrags schließen. Die Parteien sollen sich dabei auf jene Qualität der Bauarbeiten und Dienstleistungen einigen, die zur Erreichung der Vision/Ziele der Allianz erforderlich ist. Gelingt dies, schließen sie den Alliancing(Bau)-Vertrag.

Integration und offene Kommunikation
Um effiziente Teamarbeit und offenen Informationsaustausch im Hinblick auf die gemeinsamen Ziele zu erreichen, werden organisatorische Voraussetzungen (Alliance Board/Management-Team, Streitbeilegungs-Ebene, …) für effektive Kommunikation zwischen allen Parteien festgelegt.

Auch eine Integration der Beteiligten ist eine Schlüsselanforderung. Sie wird ebenfalls durch ein gemeinsames Allianzmanagement bzw. -führungsteam erreicht. Diesem gehören alle Auftragnehmer und der Auftraggeber an. Alle wichtigen Entscheidungen werden darin getroffen.

Geteiltes Risiko
Alle nicht versicherbaren Risiken im Projekt werden zwischen den Teilnehmern des Allianzprojekts geteilt, anstatt wie üblich die Risiken einzelnen Parteien zuzuordnen. Eine faire Risikoteilung soll "Win/Lose"-Situationen vermeiden.

Gewinn- und Verlustbeteiligung
Die Bezahlung der Vertragsleistungen erfolgt auf Grundlage von Soll-Kosten. Das Vertragsteam hat aber Anspruch auf die tatsächlichen Kosten (nach Open-Book-Ermittlung), die ihm vorbehaltlich der vereinbarten Gewinn-/Verlustanteile entstehen. Damit einher geht ein fixes Budget für Projektchancen und -risiken, das gemeinsam verwaltet wird. Der Auftraggeber partizipiert als Mitglied der Allianz an Gewinn und Verlust (zu vereinbarten Anteilen) mit, nicht nur an Kostenunterschreitungen.

Ohne Claims kein Bedarf an Schuldzuweisungen
Ein Umfeld ohne Schuldzuweisung ist von grundlegender Bedeutung für Alliancing-Verträge. Dazu gehört der Ausschluss von gewissen, üblicherweise streitträchtigen Ansprüchen wie aus Verzug, Planungs- und Baumängeln. Nicht ausgeschlossen werden vorzeitige Vertragsbeendigung und die Ansprüche daraus sowie andere für einzelne Parteien unverzichtbare Ansprüche.

Wie können Alliancing-Verträge in Österreich erfolgreich sein?

1)    Die Interessenlage bei Alliancing-Verträgen ist komplexer als bei Bau-ARGEn. Entscheidungsfindung und Interessenausgleich erfolgen wie oben beschrieben. Auftraggeber in Österreich dürfen aber nicht übersehen, dass eine solche Allianz auch eine GesBR ist und die entsprechenden Bestimmungen des AGBG gelten, wenn der Allianz-Vertrag ein Thema nicht regelt. Ein gemeinsamer Rechnungskreis ist erforderlich.

2)    Die Einbeziehung von Ziviltechnikern in eine Allianz wird am Verbot des Ziviltechnikergesetzes scheitern, mit bauausführenden Unternehmen eine ARGE zu gründen. Ziviltechniker müssen Subunternehmer bleiben.

3)    Öffentliche Auftraggeber von Alliancing-Verträgen müssen einige ungewöhnliche vergabe- und/oder beihilfenrechtliche Problemstellungen beachten, z.B.:

Verfahrenswahl
Solange Auftraggeber und Bieter über wenig Erfahrung mit solchen Verträgen verfügen, führt ein offenes Verfahren nicht zum gewünschten Erfolg. Möglich sind Verhandlungsverfahren, wettbewerblicher Dialog oder sogar  Innovationspartnerschaft.

Leistungsbeschreibung und sonstige Ausschreibungsunterlage
Trotz aller Partnerschaft müssen (funktionale) Leistungsbeschreibung, Leistungsziel und -fristen genau spezifiziert werden. Die Vertragsleistungen der einzelnen Allianz-Mitglieder müssen so präzise definiert und voneinander abgegrenzt werden, dass sie vergleichbare Angebote ermöglichen.

Eignungs- und Zuschlagskriterien
Alliancing-Verträge werden für Bauvorhaben gewählt, die Erfahrung, Kompetenz und Innovationsbereitschaft auf Auftragnehmer-Seite verlangen. Nachweise für diese Fähigkeiten, also die technische Leistungsfähigkeit dürften einen Schwerpunkt der Eignungsprüfung bilden, z.B. genaue Referenzen sowie das eingesetzte Personal.

Die Gestaltung der Zuschlagskriterien muss trotz der vielen Variablen die eindeutige Feststellung eines Bestbieters ermöglichen. Ähnlich einem Preis-Aufschlags- und -nachlassverfahren kann der Gewinnzuschlag bewertet werden. Auch Preis- und Bauzeit-Obergrenzen können in Erwägung gezogen werden (wie schon bisher Bauzeitverkürzungen oder Gewährleistungsverlängerungen).

Vertragsänderungen
Die Entscheidungsfindung in der Allianz und zulässige Leistungsänderungen müssen in klar, präzise und eindeutig formulierten Vertragsänderungsklauseln vorgegeben werden. Vergaberechtlich unzulässige Vertragsänderungen sind zu vermeiden. Deshalb müssen Auftraggeber vor allem Festlegungen zu Umfang und Art der möglichen Änderungen oder Optionen treffen sowie zu den Bedingungen, unter denen diese zur Anwendung gelangen können.

Fazit: Alliancing-Verträge als praxiserprobte Alternative

Für Bauprojekte mit komplexen technischen Anforderungen bei Zeitdruck und begrenzten finanziellen Mitteln bieten Alliancing-Verträge eine praxiserprobte Alternative zum herkömmlichen Modell. CMS-Teams haben schon zahlreiche solcher Projekte betreut. Die rechtlichen Hürden nach österreichischem Recht scheinen alle lösbar.

Autoren

Foto vonThomas Hamerl
Thomas Hamerl
Partner
Wien