Ein vor kurzem eingebrachter Antrag auf Änderung des Versicherungsvertrags- und Konsumentenschutzgesetzes blieb von der öffentlichen Wahrnehmung beinahe verschont. Zu Unrecht, denn die beantragten Änderungen, so sie tatsächlich wie geplant in Kraft treten, führen zu einer wesentlichen Vereinfachung der Rechtslage betreffend das Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers. Gleichzeitig birgt die Novelle einige Brisanz im Zusammenhang mit Lebensversicherungsverträgen.
A.Vereinheitlichung des Rücktrittsrechts
Kern der beabsichtigen Gesetzesänderung ist die Vereinheitlichung des Rücktrittsrechts des Versicherungsvernehmers mit§ 5c VersVG als (zukünftig) einzig verbleibende versicherungsvertragsrechtliche Rücktrittsbestimmung. Der Versicherungsnehmer soll ohne Angabe von Gründen innerhalb von 14 Tagen, bei Lebensversicherungen innerhalb von 30 Tagen, ab dem Tag, an dem der Versicherungsvertrag zustande gekommen ist und der Versicherungsnehmer darüber informiert worden ist, vom Versicherungsvertrag zurücktreten können. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsschein (Versicherungspolizze) und die Versicherungsbedingungen, einschließlich der Bestimmungen über die Prämienfestsetzung oder –änderung sowie eine Belehrung bestimmten Inhalts über das Rücktrittsrecht erhalten hat. Verwendet der Versicherer das in Anlage A zum Änderungsantrag enthaltene Belehrungsformular, so soll dies kraft gesetzlicher Anordnung den Anforderungen an eine gesetzmäßige Belehrung genügen.
Der Rücktritt vom Versicherungsvertrag ist in geschriebener Form zu erklären. Ein höheres Formerfordernis, wie etwa die Schriftform, kann nicht vereinbart werden. Zur Wahrung der Frist soll das Absenden der Rücktrittserklärung maßgebend sein. Das Rücktrittsrecht soll zudem spätestens einen Monat nach Zugang des Versicherungsscheins und der Belehrung über das Rücktrittsrecht erlöschen.
Der neue § 5c VersVG soll sämtliche bestehenden versicherungsvertragsrechtlichen Rücktrittsrechte sowie jene nach §§ 3 und 3a KSchG ersetzen. Die Regelung bewirkt im Ergebnis, dass Versicherer Versicherungsnehmer nur noch über das Rücktrittsrecht nach § 5c VersVG (im Falle eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz: nach § 8 FernFinG) belehren müssen.
§ 5c VersVG und die Anlage A sollen auf Versicherungsverträge anzuwenden sein, die nach dem 22.2.2018 geschlossen werden.
B. Aus für das zeitlich unbegrenzte Rücktrittsrechts bei fehlerhafter Beratung in der Lebensversicherung
Die Novelle enthält überdies Regelungen des Übergangsrechts für Rücktritte von bereits bestehenden Lebensversicherungsverträgen. Im Falle eines Rücktritts nach den §§ 5b, 5c und 165a VersVG in der Fassung vor dem Inkrafttreten der beantragten Gesetzesänderungen, der nach deren Inkrafttreten erklärt wird, soll folgendes gelten:
(i) Das Rücktrittsrecht erlischt spätestens einen Monat, nachdem der Vertrag von beiden Seiten vollständig erfüllt wurde.
(ii) Trägt der Versicherungsnehmer selbst das Veranlagungsrisiko, so kann der Versicherer allfällige bis zum Rücktritt eingetretene Veranlagungsverluste berücksichtigen.
(iii) Sind nicht alle Voraussetzungen für den Beginn der Rücktrittsfrist erfüllt, so gebührt dem Versicherungsnehmer innerhalb von 5 Jahren ab Vertragsabschluss der Rückkaufswert gemäß § 176 Abs. 1 VersVG, von dem jedoch weder ein Abzug der Abschlusskosten noch ein Abzug gemäß § 176 Abs. 4 VersVG vorzunehmen ist. Bei einem Rücktritt nach Ablauf von 5 Jahren gebührt dem Versicherungsnehmer der Rückkaufswert gemäß § 176 Abs. 1 VersVG, ohne dass ein Abzug nach § 176 Abs. 4 VersVG vorzunehmen ist.
C. Bewertung und Ausblick
Nach der derzeitigen Rechtslage können Versicherungsnehmer nach ihrer Wahl auf der Grundlage verschiedener gesetzlicher Bestimmungen vom Versicherungsantrag zurücktreten. Die Gründe und Voraussetzungen, die zum Rücktritt berechtigen, sind jeweils unterschiedlich geregelt. Die beabsichtigte Neuregelung ist zu begrüßen, weil sie Klarheit und Rechtssicherheit für Versicherer und Versicherungsnehmer schafft. So die geplanten Änderungen vom Parlament in dieser Form beschlossen werden, ergibt sich für Versicherer zum 23.2.2018 die Notwendigkeit der Überprüfung und Anpassung bestehender Versicherungsvertragsunterlagen und Belehrungsformulare.
Die Vorschläge zur Regelung des Rücktritts von bestehenden kapitalbildenden Lebensversicherungsverträgen sind brisant, weil sie der Ausübung des Rücktrittsrechts durch den Versicherungsnehmer ganz klare Grenzen setzen und entweder überhaupt zum Verlust des Rücktrittsrechts oder zumindest zur Verwirklichung von möglicherweise erheblichen Verlusten führen können. Hier wurde wohl an die heftig diskutierte Entscheidung des OGH vom 2.9.2015 zu 7 Ob 107/15h gedacht. Darin bejahte der OGH im Falle der unterbliebenen oder fehlerhaften Belehrung über das Rücktrittsrecht ein über die Dauer der Rücktrittsfrist bestehendes, zeitlich unbefristetes Rücktrittsrecht des Versicherungsnehmers sowie den darauf gestützten Anspruch des Versicherungsnehmers auf Rückzahlung des Sparanteils samt Zinsen an diesen, auch wenn der Rücktritt erst Jahre nach dem Abschluss des Versicherungsvertrags erfolgt sei. Dieser Rechtsprechung wäre durch die neue Rechtslage, so sie in dieser Form tatsächlich in Kraft tritt, weitestgehend der Boden entzogen. Hinzu kommt, dass bislang nicht abschließend geklärt war, wie die Rückabwicklung bei einem Spätrücktritt erfolgt. Die Bandbreite der vertretenen Meinungen reicht vom Ersatz des Rückkaufswerts bis zur Rückabwicklung der Prämie samt Zinsen. Der vorliegende Gesetzesvorschlag entscheidet sich klar für die aus Sicht des Versicherungsnehmers mitunter – je nach Entwicklung der hinter der Lebensversicherung stehenden Veranlagung - verlustträchtigere erste Möglichkeit.
Namhafte Interessensvertreter von Versicherungsnehmern, namentlich der VKI oder Cobin Claims, haben den Gesetzesvorschlag als "Anlassgesetzgebung" heftig kritisiert und dazu aufgerufen, bestehende Lebensversicherungsverträge zu prüfen, bevor es für einen Rücktritt "zu spät" sei. Es ist damit zu rechnen, dass sie ihre Bemühungen noch verstärken werden, was sich in einer steigenden Anzahl von Rücktrittserklärungen noch im Jahr 2017 bemerkbar machen könnte.
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