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Ausgeliehen, aber gleich

12/10/2012

In vielen Unternehmen zählt die Beschäftigung überlassener Arbeitskräfte zum betrieblichen Alltag. Diese Leasingarbeitnehmer weisen lediglich einen Arbeitsvertrag zum Überlasser, nicht jedoch zum Beschäftiger auf. Der Beschäftiger wiederum steht nur zum Überlasser in einer Vertragsbeziehung. Dieses Dreieck bietet vor allem Vorteile für den Beschäftiger: Er kann die Überlassung mit dem Überlasser jederzeit beenden, da mangels direkten Arbeitsvertrages der allgemeine Kündigungsschutz im Beschäftigerbetrieb nicht greift. So ist im Falle einer wirtschaftlichen Krise ein rascher Personalabbau möglich. Weiters sind überlassene Arbeitskräfte – derzeit noch – billiger als Stammarbeitnehmer.

Das zum Schutz von überlassenen Arbeitskräften geschaffene Arbeitskräfteüberlassungsgesetz (AÜG) sieht bislang nämlich nur eine lückenhafte Gleichstellung mit den Stammarbeitnehmern vor. Bereits jetzt ist der Beschäftiger für die Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes (inklusive Arbeitszeitregelungen) auch hinsichtlich der Leasingarbeitnehmer verantwortlich. Hinsichtlich des Entgelts gilt, dass für die Zeit der Überlassung zwingend zumindest das im Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebes vorgesehene Mindestentgelt zusteht, nicht jedoch der Stammbelegschaft gewährte Überzahlungen und sonstige Zusatzleistungen. In Umsetzung der europäischen Leiharbeitsrichtlinie (2008/104/EG) wird nun das AÜG novelliert.

Am 04.09.2012 wurde an den Nationalrat eine Regierungsvorlage übermittelt, die nunmehr zur Beschlussfassung ansteht. Diese sieht die Gleichstellung und Gleichbehandlung von Leasingarbeitskräften vor, ihre Arbeitsbedingungen sollen mindestens jenen der Stammbelegschaft entsprechen. Laut Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage sollen die überlassenen Arbeitskräfte betreffend Entgelt, Arbeitszeitregelungen und Urlaubs während der Überlassung künftig mit den Stammarbeitnehmern gleich gestellt werden. Das soll auch arbeitsfreie Tage und Mehrarbeit betreffen. Dem geplanten Gesetzeswortlaut ist aber nicht eindeutig zu entnehmen, ob auch Überzahlungen über das laufende kollektivvertragliche Mindestentgelt, die der Stammbelegschaft gewährt werden, davon umfasst sind.

Wäre das der Fall, würden Entgeltregelungen in Betriebsvereinbarungen oder generellen Vertragschablonen unzweifelhaft dazu zählen. Ob davon auch individuelle Überzahlungen erfasst sind, ist unklar. Nach dem geplanten Gesetzeswortlaut wohl aber nicht. Jedenfalls soll das alles nicht gelten, wenn der Überlasser einem Kollektivvertrag unterworfen ist („opting out“). Darüber hinaus haben überlassene Arbeitskräfte zukünftig Zugang zu betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen und -maßnahmen – wie etwa Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel – unter den gleichen Bedingungen wie die Stammbelegschaft, es sei denn, eine unterschiedliche Behandlung ist aus sachlichen Gründen gerechtfertigt. Welche Gründe nun sachlich sein sollen, den Leiharbeitnehmern künftig zB kein verbilligtes Mittagessen zu gewähren, wird die Praxis zeigen.

Durch den neu eingefügten § 6a AÜG wird weiters festgelegt, dass der Beschäftiger auch gegenüber der überlassenen Arbeitskraft zur Einhaltung der Gleichbehandlungsvorschriften und Diskriminierungsverbote verpflichtet ist. Dies gilt insbesondere für die Auswahl der Arbeitskraft sowie für die sonstigen Arbeitsbedingungen, zu denen auch die Beendigung der Überlassung zählt. Die Diskriminierung durch den Beschäftiger wird aber dem Überlasser zugerechnet, der gegen den Beschäftiger Anspruch auf Ersatz aller Aufwendungen hat. Letztlich sollen die überlassenen Arbeitskräfte gegen Diskriminierung den gleichen Schutz genießen wie Stammarbeitnehmer.

Weitere Regelungsgegenstände der Novelle sind eine Erweiterung der Mitteilungspflichten des Überlassers an die überlassene Arbeitskraft sowie die Ansprüche, die im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung den aus dem Ausland nach Österreich überlassenen Arbeitskräften zustehen. Schließlich soll ein Sozial- und Weiterbildungsfonds zum Zweck der Unterstützung von überlassenen Arbeitskräften während überlassungsfreier Zeiten eingerichtet werden, der durch Beiträge der Überlasser finanziert werden soll.

Insgesamt wird durch die AÜG-Novelle 2012 die Rechtsposition von überlassenen Arbeitskräften im Sinne der Leiharbeits-RL gestärkt. Zweierlei kann man jetzt schon mit Sicherheit sagen: Für Arbeitgeber wird sich ihr Einsatz verteuern. Und die Arbeitsgerichte werden in absehbarer Zeit mit den neuen Bestimmungen beschäftigt sein. Denn selbst bei kursorischer Betrachtung der Regierungsvorlage zur AÜG-Novelle stellen sich – sofern der Entwurf vom Nationalrat in seiner derzeitigen Fassung beschlossen wird – zahlreiche Rechtsfragen.

Dieser Artikel ist am 12.10.2012 im Journal Wirtschaft und Recht erschienen.

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Christoph Wolf
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Wien