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Das „Merger Simplification Package“ der Europäischen Kommission

13/01/2014

Am 14. Dezember 2013 wurde im Bereich der EU-Fusionskontrolle das sogenannte „Merger Simplificiation Package“ der Kommission („Vereinfachungspaket“) im Amtsblatt veröffentlicht (OJ 2013 L 336/1)

Das Vereinfachungspaket novelliert die Durchführungsverordnung zur „EG-Fusionskontrollverordnung“ sowie die amtlichen Formulare für Zusammenschlussanmeldungen (Formblatt CO; vereinfachtes Formblatt CO) und Verweisungsanträge (Formblatt RS) und ist am 1. Jänner 2014 in Kraft getreten.

Durch die Novellierung soll die Fusionskontrolle auf europäischer Ebene durch (i) die Ausweitung des Anwendungsbereichs des vereinfachten Verfahrens, (ii) die Verringerung der Informationsanforderungen und (iii) die Straffung des Voranmeldeverfahrens vereinfacht werden. Dieser Blogbeitrag fasst die wichtigsten Änderungen zusammen, welche sich durch das Vereinfachungspaket ergeben:

Die erste und meines Erachtens wichtigste Änderung betrifft die Anhebung der Marktanteilsschwellen, unter welchen Zusammenschlüsse dem sogenannten vereinfachten Verfahren unterliegen:

- Für Märkte, auf denen zwei am Zusammenschluss beteiligte Unternehmen tätig sind („horizontale Beziehungen“) wurde die Marktanteilsschwelle, bei der eine Anmeldung mittels „vollwertigem“ Formblatt CO erforderlich ist, von 15 % auf 20 % angehoben; gleichzeitig wurde die Schwelle für „vertikale Beziehungen“ von 25 % auf 30% erhöht.

- Weiters können Zusammenschlüsse auch im Rahmen des vereinfachten Verfahrens angemeldet werden, wenn der gemeinsame Marktanteil der Unternehmen zwischen 20 % und 50 % liegt und die Marktanteilsaddition durch den Zusammenschluss begrenzt ist (das heißt wenn das HHI-Delta unter 150 liegt).

Nach Schätzungen der Kommission werden die neuen Schwellen dazu führen, dass 60-70% aller angemeldeten Transaktionen dem vereinfachten Verfahren unterliegen (ein Anstieg von ungefähr 10%). Durch das Bestehen vergleichbarer Marktanteilsschwellen für „vereinfachte Verfahren“ in bestimmten Mitgliedsstaaten (welche das Formblatt CO in gewisser Wiese „kopiert“ haben), könnte das Anheben der Grenzwerte auf der EU-Ebene in weiterer Folge auch zu zukünftigen Änderungen/Vereinfachungen auf nationaler Ebene führen.

Als zweite wichtige Änderung wurden einige relativ „formalistische“ Informationsanforderungen aus den Formblättern beseitigt (beispielsweise sind Kopien der letzten Jahresberichte und Jahresabschlüsse nur mehr notwendig, wenn diese Unterlagen nicht im Internet öffentlich zugänglich sind; die Bereitstellung vollständiger Listen der Beteiligungsgesellschaften und bestimmter HHI Berechnungen wurde sogar ganz abgeschafft). Obwohl diese der Verwaltungsvereinfachung dienenden Änderungen zu begrüßen sind ist die Kommission meines Erachtens an anderen Stellen nicht weit genug gegangen: Zum Beispiel ist wohl in den meisten Fällen fraglich, welche Bedeutung die Vorlage der letzten/aktuellsten Fassung der (oft umfangreichen) Transaktionsdokumente (z.B. SPA, öffentliches Übernahmeangebot) für die wettbewerbsrechtliche Würdigung des Zusammenschlusses hat.

Noch gravierender ist allerdings, dass die Kommission im Zuge des intendierten „Bürokratieabbaus“ zugleich neue Informationsanforderungen eingeführt hat:

- Vorlage interner Unterlagen: Zusätzlich zu den bestehenden Offenlegungspflichten betreffend interne Unterlagen besteht bei einer Anmeldung mittels Formblatt CO nun auch eine Pflicht zur Vorlage von Kopien (i) der Protokolle der Leitungs-/Aufsichtsorgane und Gesellschafterversammlungen, in welchen die Transaktion besprochen wurde, (ii) interner Unterlagen bezüglich der Beurteilung potentieller alternativer Akquisitionen und (iii) interner Unterlagen bezüglich der Beurteilung der betroffenen Märkte in den letzten zwei Jahren; im vereinfachten Verfahren müssen im Falle horizontaler oder vertikaler Überschneidungen (sogenannte „anzeigepflichtige Märkte“) Abschriften aller Präsentationen von/für Leitungs-/Aufsichtsorgane und Gesellschafterversammlungen, welche den angemeldeten Zusammenschluss analysieren, übermittelt werden.

- Abgrenzung plausibler alternativer sachlich und räumlich relevanter Märkte: Die Anmelder müssen nicht nur Informationen hinsichtlich der ihrer Ansicht nach relevanten, sondern auch hinsichtlich der sonstigen plausiblen alternativen sachlich und räumlich relevanten Märkte vorlegen (solche Märkte können auf Basis von vorhergegangenen Entscheidungen der Kommission und der Gemeinschaftsgerichte und (insbesondere bei Fehlen derartiger Entscheidungen) anhand von Branchenberichten, Marktstudien und internen Unterlagen der Anmeldungswerber bestimmt werden). Während diese Anforderung nicht vollkommen neu ist (eine vergleichbare Anforderung bestand bereits unter dem Regime des „alten“ vereinfachten Formblatt CO und war auch in den Best Practices der GD Wettbewerb enthalten), wird deren „Kodifikation“ und die oben dargestellte „Legaldefinition“ im Formblatt den Kosten- und Ressourcenaufwand der Anmelder eher erhöhen; dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass in der Mehrheit der veröffentlichten Entscheidungen der Kommission in Zusammenschlusssachen eine genaue Marktdefinition offen gelassen wird.

Die neuen Informationsanforderungen werden damit voraussichtlich zu einer Vermehrung der Anträge an die Case Teams auf Erteilung einer Befreiung („Waiver“) von der Übermittlung bestimmter (laut Formblatt erforderlicher) Informationen führen, wobei dieser Anstieg an Befreiungsanträgen meines Erachtens tendenziell eher zu einer Erhöhung des Arbeitsaufwands für alle Beteiligten führen wird.

Zur intendierten Straffung der Voranmeldephase durch das Vereinfachungspaket ist anzumerken, dass in diesem Bereich (im Vergleich zur bestehenden Praxis) keine wesentlichen Änderungen vorgenommen wurden. Das Vereinfachungspaket enthält jedoch eine Auflistung von (i) Informationen, die sich üblicherweise besonders für die Beantragung eines „Waivers“ eignen und (ii) Zusammenschlussvorhaben, in denen eine (ohnehin freiwillige) Einreichung eines Anmeldungsentwurfs in der Voranmeldephase nicht „notwendig“ ist (z.B. solche ohne vertikale und horizontale Beziehungen zwischen den Zusammenschlussbeteiligten).

Obwohl das Vereinfachungspaket insgesamt große Verbesserungen (insbesondere die Anhebung der Marktanteilsschwelle zur Ausweitung des Anwendungsbereichs des vereinfachten Verfahrens) mit sich bringt, wird es in den meisten Fällen – wie zuvor – von der Herangehensweise des zuständigen Case Teams abhängen, ob die (teilweise erheblichen) Kosten und Aufwendungen für die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen tatsächlich signifikant verringert werden können.

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Dieter Zandler
Partner
Wien