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Der Stifter, den die Errichtung der Privatstiftung reut – oder: Späte Einsicht und die Errichtung einer oder mehrerer Substiftungen zur Teilung der Stiftung

29/07/2016

Bekanntlich „verliert“ der Stifter mit der Errichtung einer Privatstiftung das von ihm der Privatstiftung gewidmete Vermögen – unter Umständen ein sehr beträchtliches oder sein ganzes Vermögen. Denn die Privatstiftung ist dann ein „vom Stifter losgelöster Rechtsträger“.

Die Verwaltung des Vermögens ist dann allein dem Stiftungsvorstand anvertraut, und der Stifter verliert sehr weitgehend den Einfluss auf die Verwaltung des Stiftungsvermögens, etwa von Firmenbeteiligungen oder die Nutzung von Immobilien, etwa eines der Stiftung gewidmeten Schlosses, Villa oder Forstgutes. Der Stiftungsvorstand hat ausschließlich auf Grundlage des [in der Stiftungsurkunde enthaltenen] Stiftungszwecks und nach seinem Ermessen das Vermögen zu verwalten und zu verwenden (OGH RIS-Justiz RS 0052995; siehe auch den Blog-Beitrag zur Business Judgement Rule des Stiftungsvorstands). Einflussmöglichkeiten des Stifters auf das „Stiftungsgeschehen“ können sich nur dann ergeben, wenn sich der Stifter in der Stiftungsurkunde deren Änderung oder sogar den Widerruf der Stiftung vorbehalten hat (so wörtlich OGH 6 Ob 108/15y)1.

In etlichen Fällen haben die Stifter diesen ihren Verlust an Einfluss und Kontrolle über die Verwaltung des Stiftungsvermögens bei Errichtung der Stiftung entweder nicht realisiert oder falsch eingeschätzt, weil sie nicht erwartet haben, dass die spätere Rechtsprechung die in den Stiftungsurkunden geregelten Rechte der Stifter und der Begünstigten so stark einschränken würde. So wurde etwa nicht erwartet, dass die in Stiftungsurkunden häufig geregelte freie Abberufbarkeit der Mitglieder des Stiftungsvorstands – als korrigierende Maßnahme des Stifters gegen einen ein „Eigenleben“ entwickelnden oder den familiären Wertvorstellungen nicht entsprechenden Stiftungsvorstand „kippen“ würde.

So ist es letztlich der Stiftungsvorstand, der entscheidet,

  • ob Kinder des Stifters in Unternehmen, die der Stiftung gehören, mittägig sein dürfen oder dort in leitender Position eingesetzt werden oder nicht,
  • ob alle oder einzelne Kinder des Stifters das der Stiftung gehörende Feriendomizil oder Schloss bewohnen oder mieten dürfen, dort jagen gehen dürfen oder nicht,
  • und das alles ggf. unter grober Ungleichbehandlung der betroffenen Personen (Begünstigten).

Der Stiftungsvorstand wird hier zum „Schiedsrichter“ unter den Nachkommen, zum „Zünglein an der Waage“. Da zahlt es sich aus Sicht der Nachkommen des Stifters oder der Begünstigten schon aus, sich mit dem Stiftungsvorstand „gut zu stellen“ – ein unter Compliance-Gesichtspunkten bedenklicher Anreiz. Oder der Stiftungsvorstand kommt überhaupt auf die Idee, um „Neutralität“ zu demonstrieren, alle Nachkommen (Begünstigten) von jeder Mittätigkeit im Unternehmen / Nutzung des Feriendomizils oder Schlosses/Jagdmöglichkeit auszuschließen und eigene Freunde in den Genuss dieser Möglichkeiten, wenngleich zu einem üblichen Entgelt, kommen zu lassen.

Wie reagiert nun der umsichtige Stifter, der diesen Machtzuwachs des Stiftungsvorstands und dessen Spannungsverhältnis in Mitten der möglicherweise widerstreitenden Interessen der Nachkommen und Begünstigten mit Besorgnis registriert?

Der Widerruf der Privatstiftung wäre die radikalste Lösung – vorausgesetzt, der Stifter hatte sich in der Stiftungsurkunde den Widerruf der Stiftung vorbehalten. Dennoch kommt diese Variante schon mit Rücksicht auf die häufig teuren steuerlichen Folgen nicht in Betracht.

Zu erwägen ist auch die Errichtung einer oder mehrerer Sub-Stiftungen: Danach bringt die bisherige Stiftung („Hauptstiftung“, „Mutterstiftung“) entweder ihr im Wesentlichen ganzes Stiftungsvermögen oder bestimmte Teile in eine oder mehrere Substiftungen ein, in welcher (welchen) dann auch die (derzeit lebenden) Begünstigten als Mitstifter aufgenommen werden und Einfluss- und Kontrollrechte (einschließlich Änderungsrecht) eigeräumt erhalten. Auf diese Weise lässt sich eine vermögensmäßige Teilung („Spaltung“) des Stiftungsvermögens und der Einflusssphären erreichen.

Beispiel: Sohn 1 wird Mit-Stifter in der Sub-Stiftung 1, an die zum Beispiel die Firmenbeteiligungen der Hauptstiftung übertragen werden. Sohn 2 erhält eine gleichartige Position in Sub-Stiftung 2, an die das Immobilien- oder Wertpapiervermögen der Hauptstiftung übertragen wird.

Auf diese Weise lässt sich eine Trennung der Vermögenssphären der Söhne (einschließlich von Mitbestimmungsrechten) erreichen und künftigen Streitigkeiten zwischen den Nachfolgern vorbeugen (vorausgesetzt, dies erfolgt in gutem familiären Einvernehmen; hier ist dann auch ein wechselseitiger Pflichtteils- und Anrechnungsverzicht in Erwägung zu ziehen).

Das österreichische Höchstgericht (OGH) hatte nun in zwei rezenten Entscheidungen über die Zulässigkeit der Errichtung von Substiftungen durch eine Privatstiftung zu entscheiden. In der ersten Entscheidung gab sich der OGH restriktiver, formalistischer, in der jüngeren Entscheidung hingegen offener und weniger formalistisch. Hier seine wesentlichen Aussagen:

Eine Privatstiftung („Mutterstiftung“, „Hauptstiftung“) darf Sub-Stiftungen errichten, wenn dies in ihrem Stiftungszweck gedeckt ist. Ggf muss der Stifter den Stiftungszweck ad hoc ändern, wenn er sich ein Änderungsrecht vorbehalten hatte. Die mit der Errichtung von Sub-Stiftungen verbundene Vermögensübertragung – mag sie auch die Übertragung von nahezu des gesamten Stiftungsvermögens umfassen – ist auch keine [unzulässige] widerrufsgleiche Änderung der Stiftung, mag auch die Hauptstiftung danach liquidiert werden und ihr lediglich so viel Vermögen verbleiben, wie für die Liquidationsphase notwendig ist. Es ist durchaus zulässig, wenn der Stifter der „Mutterstiftung“, der sich bei die Änderung der Stiftungsurkunde vorbehalten hatte, deren Stiftungszweck erweitert und die Errichtung einer Sub-Stiftung und die Vermögensübertragung an diese ausdrücklich zulässt. (Anmerkung: Offenbar muss die förmliche Änderung des Stiftungszwecks noch zu Lebzeiten des Stifters der Hauptstiftung im Firmenbuch eingetragen werden, um die Errichtung von Sub-Stiftung durch die Hauptstiftung zu ermöglichen.)

Auf die in der älteren OGH-Entscheidung (6 Ob 108/15y) geforderte wörtliche Identität des ursprünglichen Stiftungszwecks der „Mutterstiftung“ mit dem Stiftungszweck der neuerrichteten (Sub)-Stiftung kommt es nach der jüngeren OGH-Entscheidung (6 Ob 237/15v) nicht [mehr] an.

Im Hinblick auf das im konkreten Fall vorhandene umfassende Änderungsrecht des Stifters war es auch unbedenklich, bei der Errichtung der Sub-Stiftung neben der Hauptstiftung als Stifter weitere Mitstifter zu beteiligen [in concreto: ein Familienmitglied des ursprünglichen Stifters und auch diesen selbst] (OGH 23.02.2016 6 Ob 237/15v).

Eine weitere Variante der „Entflechtung“ könnte darin bestehen, die bisherige Privatstiftung zwar zu belassen, in dieser aber unterschiedliche (organisatorische) Einfluss- und Vermögenssphären zu schaffen: Dies könnte durch Bildung unterschiedlicher Kategorien von Begünstigten (zB: Sohn 1 und dessen Nachkommen sowie Sohn 2 und seine Nachkommen) und durch die Einrichtung von Rechnungskreisen („Profit-Center“) geschehen. Zusätzlich werden unterschiedliche Kontrollorgane (zB Beiräte) für die unterschiedlichen Profit-Center (Vermögensteile) eingerichtet, die dann die Verwaltung des jeweiligen Vermögensteiles kontrollieren und in wichtigen Angelegenheiten zu fragen sind. Aus den jeweiligen Erträgen der einzelnen Rechnungskreise werden – ggf. unterschiedliche – Zuwendungen an die verschiedenen Kategorien von Begünstigten geleistet.

Diese bloß rechnerische (virtuelle) Aufteilung der Stiftung hat naturgemäß den Nachteil, dass ein völliger Vermögensverlust in einem Profit-Center eventuell auf das andere Profit-Center durchschlagen kann, etwa wenn zusätzliche Haftungsrisiken eingegangen wurden (zB Haftung der Stiftung für Kredite einer Tochtergesellschaft).

Eine bessere Vermögenstrennung der Stiftung lässt sich demnach durch „Spaltung“ der Stiftung in Form von Sub-Stiftungen erreichen. Diese ist aber auch mit höheren Kosten verbunden.

Bei der Konzeption und Durchführung solcher kreativen Lösungen beraten wir Sie gerne!


1.) Zu ergänzen ist diese wörtliche Aussage des OGH jedenfalls dahingehend, dass sich ein Stifter durchaus Rechte zur Bestellung und Abberufung des Stiftungsvorstandes sowie Zustimmungsvorbehalte und Vetorechte in der Stiftungsurkunde vorbehalten kann – sind er und seine Familie nicht begünstigt, so kann sogar der Stifter selbst mit umfassenden Befugnissen ausgestatteter Stiftungsvorstand sein.

Autoren

Foto vonJohannes Reich-Rohrwig
Johannes Reich-Rohrwig
Partner
Wien