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EuGH: Vertrags- oder Deliktstatut? Anwendbares Recht bei AGB-Verbandsklage

12/10/2016

Diese Frage beantwortete der EuGH kürzlich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahren differenziert. Das für Unterlassungsklagen gegen die Verwendung unzulässiger Vertragsklauseln iSd Richtlinie 2009/22/EG (Verbandsklagen) anzuwendende Recht richtet sich nach dem Deliktstatut (Rom-II), während für die Prüfung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln das Recht des Vertragsstatuts (Rom-I) maßgeblich ist (EuGH vom 28.07.2016, C‑191/15).

Den Ausgangsfall des Verfahrens bildete eine Verbandsklage des VKI gegen die in Luxemburg ansässige Amazon EU Sàrl, die auf Unterlassung der Verwendung sittenwidriger AGB-Klauseln, darunter eine Rechtswahlklausel, gerichtet war. Nach divergierenden Urteilen der ersten beiden Instanzen reichte der OGH ein Vorabentscheidungsersuchen beim EuGH ein.

Die erste Frage betraf die Ermittlung des anwendbaren Rechts bei einer Unterlassungsklage iSd Richtlinie 2009/22/EG wegen der Verwendung unzulässiger Vertragsklauseln durch ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen.

Der EuGH entschied, dass sich das anwendbare Recht betreffend die Unterlassungsklage nach Rom-II richtet, da die Klage auf Untersagung der Verwendung vermeintlich missbräuchlicher Klauseln ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung iSd Kapitels II Rom-II betrifft. Konkret ist das anwendbare Recht nach Art 6 Abs. 1 Rom-II zu ermitteln, sofern die Verwendung missbräuchlicher Klauseln in AGB kollektive Interessen der Verbraucher beeinträchtigen und damit die Wettbewerbsbedingungen am Markt beeinflusst werden können. Im Ergebnis ist daher das Rech jenes Landes maßgeblich, in dem die betroffenen Verbraucher, deren kollektive Interessen vom Verbraucherschutzverein geschützt werden, ihren Wohnsitz haben: Im Falle eines ausländischen Unternehmens, welches sich mittels Webshop an österreichische Verbraucher richtet, wäre dies daher nach Verbandsklage durch den VKI Österreich.

Art 4 Abs. 3 Rom-II, wonach sich das anzuwendende Recht aus der Gesamtheit der Umstände und nach der offensichtlich engeren Verbindung zu einem gewissen Staat richtet, ist hier nicht anwendbar. Dies auch dann nicht, wenn sich das Unternehmen in diesem Zusammenhang, wie im Ausgangsfall, auf eine Rechtswahl in den AGB beruft und damit eine "engere Verbindung" iSd Art 4 Abs. 3 Rom-II argumentieren möchte.

Unabhängig von dem auf die Unterlassungsklage anzuwendenden Recht ist zu ermitteln, welches Recht für die Prüfung der Missbräuchlichkeit von Klauseln zur Anwendung kommt. Die Klauseln selbst sind Gegenstand eines vertraglichen Schuldverhältnisses, weshalb sich das anwendbare Recht diesbezüglich nach Rom-I bestimmt.

Ferner hatte der EuGH in diesem Zusammenhang zu beurteilen, ob eine Rechtswahlklausel in AGB eines auf elektronischem Weg geschlossenen Vertrags jedenfalls missbräuchlich iSd Verbraucher-RL ist. Rechtswahlklausel in AGB sind gemäß Art 6 Rom-I gegenüber Verbrauchern grundsätzlich wirksam. Art. 6 Abs. 2 leg cit legt allerdings fest, dass dem Verbraucher trotz gegenteiliger Rechtswahl der Schutz gewährleistet wird, der dem Verbraucher nach den Bestimmungen des Rechts am Gerichtsstand des Wohnsitzes, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf, zukommt.

Eine Klausel, wonach "luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“ gelte, ist dann missbräuchlich, wenn dem Verbraucher der Eindruck vermittelt wird, dass auf den Vertrag mit dem Unternehmer ausschließlich das entsprechende (hier luxemburgische) Recht Anwendung findet, ohne den Verbraucher darüber zu unterrichten, dass er trotz Rechtswahl den Schutz der zwingenden Bestimmungen des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts genießt.

Zuletzt beschäftigte sich der EuGH mit der Frage, welches Recht auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch ein Unternehmen anzuwenden ist. Insbesondere war fraglich, ob auch die Datenschutzvorschriften jener Mitgliedstaaten maßgeblich sind, auf die das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ausrichtet.

Der EuGH stellte nun klar, dass das Recht des Mitgliedstaates, auf den das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit ausrichtet, nur dann maßgeblich ist, wenn sich in diesem Staat eine Niederlassung des Unternehmens befindet und eine Verarbeitung im Rahmen der Tätigkeiten dieser Niederlassung stattfindet. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Datenverarbeitung von der betreffenden Niederlassung selbst erledigt wird. Für eine Niederlassung reichen bereits die Beständigkeit einer Einrichtung sowie deren effektive Ausübung wirtschaftlicher Tätigkeit aus.

Autoren

Christian Stögerer