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Fördert das Deregulierungsgesetz 2017 Start-Ups?

29/05/2017

Der Countdown für das Deregulierungsgesetz 2017, das auch die Entbürokratisierung bzw. Vereinfachung einer GmbH-Gründung weiter vorantreiben soll, läuft. Die im Folgenden behandelten Vorschriften treten mit 1. Juli 2017 in Kraft und zielen dabei unter anderem explizit auf die Verbesserung der Gründungsbedingungen von Start-ups ab. Wer kurz vor der Firmengründung steht, sollte sich mit den in Kürze geltenden Vorschriften vertraut machen. Schließlich kann der Gründungsprozess in manchen Fällen beschleunigt und verbilligt werden.

GmbH-Gründung ohne Notar

Die wohl weitreichendste Neuerung ist eine Vereinfachung der Formvorschriften für Neugründungen. Bisher war der Abschluss eines Gesellschaftsvertrages gemäß § 4 Abs 3 GmbHG notariatsaktspflichtig. Mit dem Deregulierungsgesetz wurde nunmehr ein neuer § 9a in das GmbHG aufgenommen, der die Notariatsaktpflicht unter folgenden Voraussetzungen entfallen lässt:

  1. Der Gründer ist einziger Gesellschafter und einziger Geschäftsführer.
  2. Die GmbH kann eine „GmbH light“ mit gründungsprivilegierter Stammeinlage sein.
  3. Die Errichtungserklärung beschränkt sich auf die Firma und den Sitz der Gesellschaft, den Unternehmensgegenstand, die Höhe des Stammkapitals und die Höhe der zu leistenden Einlagen. Ein Ersatz der Gründungskosten kann höchstens bis zu einem Betrag von EUR 500 vorgesehen werden.
  4. Die Errichtungserklärung muss in elektronischer Form in einer Art und Weise erfolgen, bei der die Identität des Gesellschafters einwandfrei festgestellt werden kann. Die inhaltlichen Voraussetzungen der technischen Details im Zusammenhang mit der elektronischen Gründung müssen vom Justizministerium durch Verordnung näher geregelt und jedenfalls vor Inkrafttreten des § 9a GmbHG veröffentlicht werden. Derzeit erscheinen diese jedoch noch großteils unklar.
  5. Die Anmeldung zum Firmenbuch hat ebenfalls so zu erfolgen, dass die Identität des Gesellschafters (und einzigen Geschäftsführers) „einwandfrei erkennbar“ ist. Auch hier werden der genaue Inhalt der Anmeldung sowie die technischen Details mittels Verordnung des Justizministeriums noch geregelt.
  6. Die Identität des Gesellschafters (und einzigen Geschäftsführers) wird dabei künftig von jenem Kreditinstitut überprüft, bei dem das Gesellschaftskonto eröffnet wird. Auch die Musterzeichnungserklärung des Geschäftsführers wird beim Kreditinstitut geleistet. Dieses übermittelt dann die Bankbestätigung samt Identitätsnachweis und Musterzeichnungserklärung direkt an das Firmenbuch. Das Kreditinstitut übernimmt somit manche Funktionen des Notars.

In der Praxis wird die vereinfachte Gründung daher wie folgt ablaufen:

Bei GmbH-Gründungen ist die Beiziehung eines Notars unter den genannten Bedingungen nicht mehr zwingend notwendig. Zunächst sucht der Gründer ein Kreditinstitut auf und identifiziert sich durch Vorlage eines Lichtbildausweises. Anschließend werden die jeweiligen Identifizierungsdaten und die Bankbestätigung vom Kreditinstitut direkt an das Firmenbuch weitergeleitet und dort vorläufig angelegt. In weiterer Folge identifiziert sich der Gründer unter Verwendung eines elektronischen Kommunikationsmittels (Bürgerkarte oder Handysignatur) über das Unternehmensserviceportal (USP) oder das Webportal der Justiz und kann dann in einem Schritt sowohl die Errichtungserklärung als auch den Firmenbuchantrag elektronisch abgeben bzw. einbringen.

Freilich bleibt es dem jeweiligen Gründer aber auch weiterhin unbenommen, sich bei der Gründung von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen und/oder einen Notar aufzusuchen. Für letztere Fälle sieht das Deregulierungsgesetz eine erhebliche Senkung des Notartarifs insbesondere für standardisierte Gründungen (die Gesetzesmaterialien sprechen von einer Vergünstigung um ca. 95%) aber auch für manche, nicht standardisierte Gründungen vor.

Die Gesetzesmaterialien halten fest, dass der Notar im Zusammenhang mit der Gründung auch als wichtiger Berater des Gründers fungiert. Durch einen Wegfall der Notariatsaktspflicht geht diese Beratungsfunktion verloren, weshalb das Gesetz und die Gesetzesmaterialien auch auf Gründungen mit standardisiertem Inhalt abstellen. Darunter sind, wie oben schon ausgeführt, Gründungen durch einzelne Personen zu verstehen, da sich in solchen Fällen naturgemäß keine (beratungsbedürftigen) Fragen in Bezug auf die interne Willensbildung stellen. Zu beachten ist jedoch, dass sich der standardisierte – und höchst rudimentäre – Gesellschaftsvertrag (Errichtungserklärung) in Zukunft rächen könnte. Zum Beispiel dann, wenn ein neuer Gesellschafter in die GmbH aufgenommen wird oder der einzige Gesellschafter verstirbt und mehrere Erben hinterlässt.

Besonders risikoanfällig erscheint bei einer Standardgründung außerdem die Wahl des Firmenwortlauts und des Unternehmensgegenstands, sodass sich künftig wohl selbst bei Standardgründungen Beratungsbedarf ergeben wird. 

GmbH-Gründung ohne Bankkonto

Eine weitere bedeutsame Neuerung wurde in § 10 Abs 2 und 3 GmbHG umgesetzt: Bisher war für die Gründung einer österreichischen GmbH zwingend die Eröffnung eines Bankkontos bei einem österreichischen Kreditinstitut erforderlich, auf dem die Stammeinlage einzuzahlen war. Nunmehr steht es den Gründern einer jeden GmbH frei, die Stammeinlage vor der Gründung auf ein Anderkonto des beurkundenden Notars einzuzahlen. Die für die Anmeldung der Gesellschaft zum Firmenbuch erforderliche Bankbestätigung wird ebenfalls vom Notar ausgestellt. Nach erfolgter Eintragung der Gesellschaft im Firmenbuch wird der entsprechende Betrag vom Notar an die Gesellschaft weitergeleitet.

Gerade für ausländische Gründer stellt die Kontoeröffnung in der Praxis bisweilen ein Hindernis dar, weil die KYC-Prüfungen vergleichsweise viel Zeit in Anspruch nehmen und Firmenbuchgerichte Bankbestätigungen von ausländischen Banken regelmäßig (unionsrechtswidrig) nicht akzeptieren. Deshalb ist diese Neuregelung insbesondere im Sinne einer Beschleunigung des Gründungsvorganges sehr zu begrüßen. 

Elektronische Gründung und Neugründungs-Förderungsgesetz

In den Genuss des Neugründungs-Förderungsgesetzes, das eine weitreichende Gebühren- und Steuerbefreiung enthält, kommen Start-ups auch im Rahmen der vereinfachten elektronischen Gründung. Dazu muss die Gründerin oder der Gründer bei den in Betracht kommenden Behörden einen amtlichen Vordruck vorlegen, mit dem die Neugründung erklärt und das Vorliegen gewisser Voraussetzungen bestätigt wird. Die Abgabe dieser Erklärung soll zukünftig ebenfalls elektronisch über das Unternehmensserviceportal (USP) möglich sein. Überhaupt sollen künftig möglichst alle mit der Gründung in Zusammenhang stehenden Behördengänge über das USP abgewickelt werden können. 

Gebührenbefreiung trotz „verspätetem“ Antrag

Bisher musste ein Antrag auf Gebührenbefreiung gemäß § 4 NeuFöG bereits zum Zeitpunkt der Firmenbuch-Antragstellung vorgelegt werden, da die Gebührenschuld sonst nicht erlischt und die Förderung somit verfällt. Im Sinne einer Beschleunigung des Anmeldeverfahrens und Verbesserung der Förderbedingungen kann das Formular nunmehr noch bis 14 Tage nach Einreichung des Firmenbuchantrages nachgereicht werden. Aber Achtung: Dies muss allerdings bereits im Firmenbuchantrag entsprechend angekündigt werden. 

Zweischneidiges Deregulierungsgesetz

Auf der einen Seite ermöglicht das Deregulierungsgesetz 2017 eine kostengünstige elektronische Gründung von Einpersonen-GmbHs ohne wesentlichen (formellen) Verwaltungsaufwand. Wobei auch hier zu sagen ist, dass der grundsätzlich damit beabsichtigte Nutzen für Start-ups ungewiss erscheint,, weil diese meist nicht von Einzelpersonen gegründet werden und daher der Anwendungsbereich sehr eingeschränkt ist.

Eine tatsächliche Verbesserung, insbesondere für ausländische Gründer, ist künftig jedoch die Möglichkeit, das Stammkapital auf ein Notarskonto einzuzahlen, wodurch die GmbH-Gründung durch ausländische Investoren deutlich erleichtert und beschleunigt wird.

Auf der anderen Seite ist derzeit noch äußert unklar, welche Auswirkungen der Wegfall der Notariatsaktpflicht bei einer vereinfachten Gründung auf eine „normale“ GmbH-Gründung hat. So lässt sich nicht mehr behaupten, dass die Notariatsaktpflicht eine Warnpflicht bezweckt, wenn sie nicht mehr verpflichtend ist. Und erstreckt sich die Warnpflicht somit nur auf Regelungen des GmbH-Vertrags, die über den Mindestinhalt hinausgehen? Hinzu kommen Fragen wie: Kann die Errichtungserklärung einer vereinfacht gegründeten GmbH im Wege eines notariell beurkundeten Gesellschaftsbeschlusses geändert werden? Wird die vereinfachte Gründung dazu ausgenützt werden, um rascher und einfacher eine „normale“ GmbH zu errichten? Bei einer reinen notariellen Beurkundung bestehen keine Belehrungspflichten und daher auch keine Warnpflichten, weshalb in diesen Fällen jedenfalls ein Rechtsanwalt konsultiert werden sollte.

Zusammengefasst könnte das Deregulierungsgesetz 2017 durchaus zu einigen Inkonsistenzen des GmbHG führen und sollte im Sinne einer weiteren Vereinfachung und Verbesserung für Gründer und Unternehmer die Deregulierung wohl noch weiter gehen.

Autoren

Bartolomäus Matt
Oliver Stauber