Abgesehen davon, dass das gesetzliche Mindeststammkapital bei der GmbH von bisher € 35.000 auf € 10.000 gesenkt wurde, bringt die GmbH-Reform, die am 1.7.2013 in Kraft getreten ist, mehrfache Änderungen mit sich. Diese werden nachstehend in aller Kürze zusammengefasst:
1. GmbH „light“
Seit 1.7.2013 beträgt das Mindeststammkapital bei der GmbH € 10.000 (statt bisher € 35.000). Davon müssen – wenn Bareinlagen vereinbart werden – nur mehr € 5.000 (bisher € 17.500) bar einbezahlt werden. Die Bankbestätigung über die geleisteten Zahlungen bleibt weiterhin erforderlich.
Bestehende GmbHs können im Rahmen einer Kapitalherabsetzung ihr Stammkapital auf den neuen Mindestbetrag verringern; allerdings setzt dies eine individuelle Verständigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger (und somit auch vieler Vertragspartner) mit Einschreibebrief voraus.
2. Erweiterte Pflicht zur Einberufung der Generalversammlung, wenn URG-Kriterien eingetreten sind
Nach bisheriger Rechtslage mussten Geschäftsführer der GmbH die Generalversammlung vor allem dann einberufen, wenn die Hälfte des Stammkapitals durch Verluste verloren gegangen war. Die Einberufungspflicht wird nunmehr auf den Fall erweitert, dass in der GmbH die Eigenmittelquote weniger als 8 % und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt. Das Gesetz stellt auf die Kriterien gemäß §§ 23 und 24 URG ab. Ausdrücklich ordnet das Gesetz auch an, dass in diesen Fällen die Geschäftsführer die von der Generalversammlung gefassten Beschlüsse dem Firmenbuchgericht mitzuteilen haben. Diese erweiterte Pflicht der Geschäftsführer, die Gesellschafter von einer geringen Kapitalausstattung und/oder einer schlechten Ertragslage oder Verlustsituation zu verständigen, dient der Vorbeugung von Insolvenzen.
Für den Geschäftsführer kann die Unterlassung in zweierlei Hinsicht negative Konsequenzen bewirken: Unterlässt er nämlich die Einberufung der Generalversammlung, so könnte dies als wichtiger Grund für seine Abberufung und/oder Entlassung aus dem Dienstverhältnis angesehen werden. Unterlässt der Geschäftsführer die Mitteilung an das Handelsgericht und gerät die GmbH später in Insolvenz, so könnte dies den Geschäftsführer eventuell sogar gegenüber den Gläubigern haftbar machen.
3. Ausnahmsweise trifft auch den Mehrheitsgesellschafter die Insolvenzantragspflicht (GmbH, AG und SE)
Der Gesetzgeber hat nun auch die Vorschriften der Insolvenzordnung über die Verpflichtung der Geschäftsführer zur Stellung eines Insolvenzantrags über das Vermögen einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft – also auch für AG und SE – geändert: Falls bei der GmbH Geschäftsführer oder Liquidatoren fehlen, trifft die Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrags den Mehrheitsgesellschafter. Bei der AG und SE trifft diese Pflicht im Falle des Fehlens von Vorstandsmitgliedern den Mehrheitsaktionär. Bei der GmbH & Co KG wird eine derartige Pflicht des Mehrheitskommanditisten eher zu verneinen sein; für die Komplementär-GmbH gilt das oben zur GmbH Gesagte.
Minderheitsgesellschafter sind von dieser Verpflichtung nicht erfasst.
Ist der Mehrheitsgesellschafter eine Personen- oder Kapitalgesellschaft, so trifft die Insolvenzantragsverpflichtung ihre gesetzlichen Vertreter.
Der Umstand, dass in der GmbH aktuell Geschäftsführer fehlen, verpflichtet den Mehrheitsgesellschafter noch nicht zur Stellung des Insolvenzantrags. Vielmehr ist ein Insolvenzantrag – nach wie vor – nur dann geboten, wenn die Insolvenzeröffnungsgründe der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegen. Sanierungsbemühungen dürfen weiterhin, wenn sie sorgfältig betrieben werden, für eine Dauer von max. 60 Tagen, im Falle von Naturkatastrophen bis zu 120 Tagen, gesetzt werden.
Durch die gegenständliche Neuerung werden Mehrheitsgesellschafter in die Pflicht genommen: Wenn sie schon keinen neuen Geschäftsführer bestellen und ein solcher auch nicht vom Gericht bestellt wird, so müssen sie selbst den Insolvenzantrag stellen. Das Unterlassen könnte dann – ebenso wie bei Geschäftsführern – zur persönlichen Schadenersatzhaftung des Mehrheitsgesellschafters gegenüber den geschädigten Gläubigern führen.
4. Reduktion der Gründungskosten der GmbH
Die bei der Gründung anfallenden Notariatsgebühren werden gesenkt. Ferner werden neu gegründete GmbHs nicht mehr in der Wiener Zeitung bekannt gemacht, was zu einer Kostenersparnis führt.
5. Verringerung der Mindestkörperschaftsteuer
Mit der gesetzlichen Reduktion des Mindeststammkapitals für GmbHs reduziert sich auch die Mindest-KöSt für GmbHs künftig auf € 500 pro Jahr statt bisher € 1.750. Diese Änderung tritt erst ab 1.1.2014 in Kraft.
6. Ausblick - Auswirkungen auf die Praxis
Mit der Herabsetzung des Mindeststammkapitals nähert der österreichische Gesetzgeber die Kapitalerfordernisse bei GmbHs jenen der Nachbarländer an: So benötigt etwa eine GmbH in der Tschechischen Republik ein Kapital von umgerechnet ca. € 7.700, in der Slowakei von € 5.000, in Slowenien von € 7.500, in Italien und Deutschland von je € 10.000. Sowohl Italien als auch Deutschland lassen allerdings auch die Gründung einer GmbH mit € 1 Stammkapital zu.
Offenbar wollte der österreichische Gesetzgeber den Abwanderungstendenzen ins benachbarte Ausland oder dem vermehrten Einsatz der Gesellschaftsform „Limited“ entgegenwirken. Dennoch kann der Einsatz derart gering kapitalisierter GmbHs nicht vorbehaltlos empfohlen werden. Denn die Insolvenzantragspflicht jedes Geschäftsführers bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung tritt tendenziell umso früher ein, je geringer die Gesellschaft mit Eigenkapital ausgestattet, je weniger ihre Finanzierung gesichert und je geringer die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft ist. Die Verletzung der Insolvenzantragspflicht – Insolvenzverschleppung – kann massive Haftungsfolgen für die Geschäftsführer und, wie die Novelle jetzt eingeführt hat, auch für den Mehrheitsgesellschafter einer geschäftsführerlosen GmbH nach sich ziehen.
Dazu kommt noch der strafrechtliche Aspekt: Je geringer das Eigenkapital ist, desto eher werden Gerichte das Vorliegen eines Betrugs-Vorsatzes annehmen, wenn der Geschäftsführer einer völlig vermögenslosen, also todgeweihten GmbH noch neue Geschäfte eingeht und seine Gläubiger dadurch schädigt.
Augenmaß ist daher weiterhin anzuraten, da frivoles Spekulieren auf dem Rücken der Gläubiger zivil- und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.
Unsere Kanzlei berät Sie gerne in heiklen Situationen, einschließlich zu Fragen der praktischen Durchführung von Sanierungen – etwa durch Gesellschafterzuschüsse, Forderungsverzichte, Rangrücktrittserklärungen, Kapitalschnitte, Kapitalerhöhungen, Hereinnahme eines strategischen Partners usw.
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