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"Recht auf Vergessen" ist kein bloßes Schlagwort mehr

15/05/2014

Der Betreiber einer Internetsuchmaschine ist bei personenbezogenen Daten, die auf von Dritten veröffentlichten Internetseiten erscheinen, für die von ihm vorgenommene Verarbeitung verantwortlich.

Der EuGH hat am vergangenen Dienstag ein für den Datenschutz bahnbrechendes Urteil gefällt. Demnach sind von Suchmaschinenanbietern (Google im konkreten Fall) unter bestimmten Umständen Verweise auf Websites mit persönlichen Daten aus der Ergebnisliste zu streichen.

Bereits im April 2013 habe ich in meinem Blog einen Beitrag zum Thema „EuGH prüft Datenschutz bei Google“ veröffentlicht. Kurz nochmals der Sachverhalt: Ein Spanier verlangte, dass sein Name aus dem Index der Suchmaschine gelöscht werden sollte. Er wehrte sich gegen den Verweis auf eine Zeitung, die nach Meinung des Klägers einen nachteiligen Inhalt über ihn veröffentlichte. Es handelte sich um einen Bericht über eine lange zurückliegende Zwangsversteigerung seiner Liegenschaft. Er beantragte, dass Google den Link auf diese Website zu löschen habe.

Google argumentierte, dass die Suchmaschine lediglich Inhalte Dritter auffinde und kein Recht auf Löschung bestehe, wenn sich jemand durch einen Inhalt beschwert erachte. Google meinte, der Betroffene habe sich an den Betreiber der Website zu wenden. Im Übrigen wurde die Anwendung des spanischen Datenschutzrechtes bestritten, weil Google in Spanien gar keine Datenbanken gehabt habe. Die EU Kommission setzte dem entgegen, dass das "Recht auf Vergessenwerden“ Teil des Rechtes auf Datenschutz sei. Die Abwägung des Rechts auf Persönlichkeitsschutz gegenüber dem Recht auf Information über eine bereits 1998 abgeschlossene Zwangsversteigerung stand somit zur Diskussion.

Nun ist das mit Spannung erwartete Urteil da. Der EuGH argumentierte wie folgt:

  • Mit der Eingabe eines Namens kann ein User ein Persönlichkeitsprofil der gesuchten Person erstellen. Die Erstellung eines solchen Profils wäre ohne die Suchmaschine so nicht möglich. Das ist laut EuGH ein Eingriff in die Rechte der betroffenen Person.
  • Suchergebnisse sind nichts anderes als eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten, da die Suchmaschine die im Internet vorhandenen Daten aufspürt, organsiert und abspeichert und im Fall der Recherche an seine Nutzer weitergibt. Deshalb sei der Betreiber der Suchmaschine laut EuGH der im Sinne der Richtlinie für die Datenverarbeitung „Verantwortliche“.
  • Das Rechts auf Entfernung von Links mit privaten Daten leitet sich aus der EU-Datenschutzrichtlinie ab.
  • Da Google eine Niederlassung in Spanien hat, ist das spanische Datenschutzrecht anwendbar, auch wenn die tatsächliche Datenverarbeitung in einem Drittstaat stattfindet, weil die Datenverarbeitung im Rahmen der Tätigkeit für diese Niederlassung erfolgt, da diese ja im betreffenden Mitgliedsstaat (hier Spanien) den Verkauf von Werbung etc. und damit den Erwerb von Google fördert.
  • Bei der Beurteilung, ob eine Löschungsverpflichtung besteht, ist eine Interessensabwägung zwischen Persönlichkeitsrechten und öffentlichem Interesse vorzunehmen.
  • Durch die Löschung aus dem Suchindex ist zwar die Information aus dem Internet nicht verschwunden, aber viel schwerer zugänglich.

Auswirkungen der Entscheidung:

  • Nutzer, die Inhalte persönlicher Natur, die das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz verletzen, im Internet nicht über die Suchmaschine auffindbar haben wollen, können sich direkt an den Suchmaschinenbetreiber wenden.
  • Suchmaschinenbetreiber sind auf Antrag verpflichtet, die beanstandeten Links daraufhin zu prüfen, ob Persönlichkeitsrechte oder das Datenschutzrecht verletzt ist, wobei es bei der Verletzungseignung auf den gegenwärtigen Zeitpunkt ankommt.
  • Der in seinen Rechten verletzte Antragsteller hat ein gerichtlich durchsetzbares Recht auf Löschung.
  • Es handelt sich um ein klares Bekenntnis des EuGH zum Datenschutz und zur Anerkennung persönlicher Rechte, die über den Interessen der Suchmaschinenbetreiber stehen.
  • Auf Suchmaschinenbetreiber wird eine Flut an Löschungsanfragen zukommen.

Definitiv kann diese Entscheidung als richtungsweisend und als großer Erfolg für Datenschützer bezeichnet werden.

Autoren

Foto vonJohannes Juranek
Johannes Juranek
Managing Partner
Wien