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Stifter: Überrascht, enttäuscht, entmachtet, entmündigt – und doch ein neuer Lichtblick

27/07/2016

Die Erwartungen vieler Stifter in „ihre“ Privatstiftung und dahin, welchen Einfluss sie weiterhin behalten und ausüben können, wurden durch die überraschende Rechtsentwicklung massiv enttäuscht.

Oft wollte der Stifter einfach nur der bis 31.7.2008 geltenden exorbitanten Erbschaftssteuerbelastung entgehen. Dieser nachvollziehbare Gedanke stand Pate für eine Vielzahl von Stiftungsgründungen. Häufig meinten dabei die Stifter – und deren Berater –, dass der Stifter zu Lebzeiten weiterhin über Kontroll- und Einflussrechte, die er sich vorbehält, die Geschicke der Stiftung einigermaßen kontrollieren könne.

Mitnichten: Wenn sich der Stifter in der Stiftungsurkunde Weisungsrechte gegenüber dem Stiftungsvorstand vorbehielt – nach den Gesetzesmaterialien schien dies immerhin zulässig – wurde er enttäuscht: Die Rechtsprechung erklärte Weisungsrechte des Stifters für unzulässig, da der Vorstand nicht zum Vollzugsorgan eines anderen Gremiums degradiert werden dürfe (für viele: OGH 6 Ob 60/01v, 6 Ob 42/09h, 6 Ob 6 Ob 139/13d).

Wenn der Stifter einen Beirat einrichtete, diesen überwiegend mit Begünstigten besetzt und dem der Stifter umfassende Kontrollrechte und umfassende Zustimmungsvorbehalte und das Recht die Vergütung des Stiftungsvorstandes zu bestimmen einräumt war das Ergebnis ebenfalls ernüchternd – auch dies erklärte die Rechtsprechung für zu weit gehend und für unwirksam (OGH 6 Ob 139/13d).

Wenn sich der Stifter das Recht vorbehält, Mitglieder des Stiftungsbeirats jederzeit und grundlos abzuberufen, sah der OGH solche Beiratsmitglieder „am Gängelband“ des Stifters und erklärte die betreffende Statutenbestimmung für unwirksam (OGH 6 Ob 42/13i).

Erst Recht kann sich der Stifter nicht das Recht vorbehalten, Mitglieder des Stiftungsvorstands jederzeit und grundlos abzuberufen (schon OGH 6 Ob 39/97x, vgl auch 6 Ob 42/09h).

Diese kurze, keineswegs vollständige Aufzählung dessen, was dem Stifter alles nicht erlaubt ist, hat zur Enttäuschung so mancher Stifter geführt. Diese durch die Rechtsprechung eingeführten Schranken der Gestaltungsfreiheit von Privatstiftungen zwingen zur „Reparatur“ und Überarbeitung vieler Stiftungsurkunden.

Zwei Wege standen und stehen dem Stifter allerdings zur Verfügung, um sich einen gewissen – vielleicht sehr radikalen – Einfluss auf die Privatstiftung vorzubehalten:

  • Indem sich der Stifter in der Stiftungsurkunde die Änderung der Stiftungsurkunde vorbehält („Änderungsrecht“). Das Änderungsrecht können sich sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen (zB eine GmbH, AG, Verein) als Stifter vorbehalten; und
  • indem sich der Stifter in der Stiftungsurkunde das Recht zum Widerruf der Privatstiftung vorbehält („Widerrufsrecht“). Dieses Recht können sich allerdings nur natürliche Personen, nicht juristische Personen, vorbehalten. Das Widerrufsrecht hat in vielerlei Hinsicht weitreichende Konsequenzen (etwa im Bezug auf Pflichtteilsrecht, Exekutionsführung durch Gläubiger des Stifters), ist also oft gar nicht gewünscht.

Dazu sprach der OGH aus, dass der Stifter, wenn er sich das Änderungsrecht vorbehält, grundsätzlich zu Lebzeiten jede Art der Änderung der Stiftungsurkunde vornehmen kann: Etwa eine Änderung des Stiftungszwecks, der Zahl und der Personen der Begünstigten und der Letztbegünstigten sowie auch der Höhe, Fälligkeit und Gesamtausmaß der Zuwendungen (OGH 23.2.2016, 6 Ob 237/15v). Hatten mehrere Stifter die Privatstiftung errichtet, so kann das Änderungsrecht allerdings nur unter Mitwirkung sämtlicher Mitstifter ausgeübt werden – es müssen also noch alle Mitstifter am Leben sein und mitwirken –, sofern die Stiftungsurkunde diesbezüglich nichts anderes regelt.

Bei Fehlen eines Widerrufsrechts in der Stiftungsurkunde oder bei Verzicht auf ein Widerrufsrecht werden nach herrschender Ansicht auch widerrufsgleiche Änderungen der Stiftungsurkunde für unzulässig angesehen (OGH 6 Ob 237/15v).

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Foto vonJohannes Reich-Rohrwig
Johannes Reich-Rohrwig
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Wien