Home / Veröffentlichungen / Umwälzungen für die Baubranche durch das neue V...

Umwälzungen für die Baubranche durch das neue Vergabegesetz

21/08/2018

Lange wurde darüber gesprochen, nun wurde das Bundesvergabegesetz 2018 (BVergG 2018) tatsächlich am 20.08.2018 im Bundesgesetzblatt kundgemacht und ist (größtenteils) am 21.08.2018 in Kraft getreten.

Darin finden sich einige Änderungen, oftmals relativ unscheinbar, in kurz gefassten oder am Ende des Gesetzes angesiedelten Bestimmungen, sodass man sie bei schnellem Lesen des neuen Gesetzes mitunter gar nicht bemerkt. Der Schein trügt jedoch: Diese Neuerungen bringen insbesondere für die Baubranche bedeutende Umwälzungen mit sich. Dies beginnt mit Änderungen, die sich auf die Angebotserstellung auswirken werden, geht über Änderungen bisheriger Verfahrensabläufe und reicht bis hin zu Änderungen, die einen bedeutenden zusätzlichen bürokratischen Aufwand bei der Auftragsausführung bewirken werden. Aber dazu im Detail:

1. Angebotserstellung

a. Generelle Zulässigkeit von Preisaufschlags- bzw Preisnachlassverfahren

Bislang führte das Preisaufschlags- bzw Preisnachlassverfahren ein Schattendasein. Ab und an führte die Stadt Wien ein Verfahren nach diesem Prinzip, bei dem die Bieter einen gewissen Auf- oder Abschlag zu dem vom Auftraggeber bekanntgegebenen Preis anbieten, durch. Dies lag auch daran, dass bislang ein solches Verfahren nur in „begründeten Ausnahmefällen“ zulässig war. Das neue Vergabegesetz löst diese Rangordnung auf: Zukünftig kann der Auftraggeber frei wählen, ob er das klassische Preisangebotsverfahren wählt oder eine Leistung lieber nach dem Aufschlag- bzw Abschlagsprinzip vergibt. Gerade bei kleineren, ähnlichen Bauaufträgen werden sich damit Möglichkeiten bieten.

b. Abweichung von ÖNORMen

Das österreichisches Vergaberecht ist historisch aus ÖNORMEN gewachsen. Trotz zahlreicher unionsrechtlicher Vorgaben, hatten noch einige österreichische Besonderheiten aus dieser Zeit Bestand. Neben der Angebotsöffnung war dies vor allem die Grundregel, dass Auftraggeber sich bei der Leistungsbeschreibung und dem Leistungsvertrag an einschlägigen ÖNORMen orientieren müssen und nur in einzelnen Punkten davon abweichen dürfen („Z“-Positionen). Für viele Bauunternehmen bedeutete das eine Vereinheitlichung und Erleichterung der Angebotserstellung. Zugleich sicherte die großflächige Anwendung der ÖNORMen auch für Auftraggeber eine fundierte Grundlage für die Ausschreibung.

Das neue Vergabegesetz relativiert die Leitfunktion von ÖNORMen. Es ist zwar weiterhin auf einschlägige ÖNORMen Bedacht zu nehmen, die Beschränkung, dass Auftraggeber nur in einzelnen Punkten davon abweichen dürfen, findet sich im Gesetz jedoch nicht mehr.

c. Abschaffung von „W“-Positionen

Auch die weithin bekannten „W“-Positionen gehören seit dem Inkrafttreten des neuen Vergabegesetzes der Geschichte an. Bisher konnten Auftraggeber in der Ausschreibung angeben, welche Positionen des Leistungsverzeichnisses sie als wesentlich kennzeichnen. Dies hatte Bedeutung für die Angebotsprüfung: „W“-Positionen mussten alle direkt zuordenbaren Kosten (Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten) enthalten. Andernfalls galt der angebotene Preis als nicht plausibel, was wiederum zum Ausscheiden des Angebots führte.

Das neue Vergabegesetz kennt keine Unterscheidung in wesentliche und nicht wesentliche Positionen im Leistungsverzeichnis. Damit einhergehend wurde auch der Gesetzeswortlaut zur Plausibilität der Preise geändert. Zu prüfen ist nunmehr ganz allgemein, ob „im Preis von Positionen“ alle direkt zuordenbaren Kosten enthalten sind. Ist dies nicht der Fall, ist das Angebot auszuscheiden.

2. Öffnung von Angeboten

Wesentlicher Bestandteil eines Vergabeverfahrens war bisher die Öffnung und Verlesung der Angebote im Beisein der Bieter (im offenen und nicht offenen Verfahren). Das gab einem Bieter die Möglichkeit, sofort die Reihung zu erfahren und zu wissen, „wo man steht“. Mit der vermehrten Verbreitung elektronischer Vergabeverfahren wurde zwar die Bedeutung der öffentlichen Angebotsöffnung und -verlesung zurückgedrängt, aber erst das neue Vergabegesetz schafft die Pflicht zur Einladung von Bietern zur Angebotsöffnung ab. Freiwillig kann ein Auftraggeber dies auch weiterhin vornehmen.

3. Baustellendatenbank

Eine Neuerung, die dezidiert die Baubranche betrifft, hält das BVergG 2018 in einem seiner letzten Paragraphen bereit: Die „Baustellendatenbank“. Alle Bauaufträge bzw Abrufe aus einer Rahmenvereinbarung mit einem Wert von mehr als EUR 100.000,- müssen dort gemeldet werden, samt kurzer Auftragsbeschreibung und Bekanntgabe der Daten des Auftragnehmers. Außerdem sind die Daten von Subunternehmern anzugeben. Auch sämtliche Änderungen dieser Daten sind bekannt zu geben.

Die Meldepflicht selbst trifft den Auftraggeber, nicht jedoch den Auftragnehmer. Aber auch für den Auftragnehmer ist Achtung während der gesamten Auftragserbringung geboten, insbesondere, wenn im Angebot mehrere Subunternehmer genannt wurden. Denn dann muss er dem Auftraggeber den tatsächlich beauftragten Subunternehmer jeweils dem Auftraggeber bekanntgeben. Erheblichen Mehraufwand wird diese Datenbank daher wohl für beide Seiten, Auftraggeber wie Auftragnehmer, bringen. Etwas Zeit sich darauf einzustellen bleibt allerdings: Diese Bestimmung tritt erst mit 01. März 2019 in Kraft.

4. Bekanntgabe der Kontaktdaten von Subunternehmern

Bereits seit einigen Jahren ist gesetzlich geregelt, wie vorzugehen ist, wenn ein Subunternehmer nach der Zuschlagserteilung herangezogen werden soll, der im Angebot nicht benannt ist. Neu ist hingegen, dass das Vergabegesetz vorschreibt, welche Daten dem Auftraggeber zu übermitteln sind. Das sind – neben der Vorlage sämtlicher Eignungsnachweise des Subunternehmers – die Kontaktdaten sowie die vertretungsbefugten Personen des Subunternehmers. Selbstredend sind auch sämtliche Änderungen dieser Daten dem Auftraggeber unverzüglich bekannt zu geben.

Wer aller als „vertretungsbefugte Person“ gilt, ist fraglich. Wären sämtliche Geschäftsführer und Prokuristen aller Subunternehmer erfasst, würde diese Pflicht – an Großbaustellen gedacht – zu uferlosen Dokumentations- und Meldepflichten des Auftragnehmers führen. Wie diese Pflicht zu handhaben ist, wird daher erst die Praxis zeigen.

5. Ausblick

Wie dieser Abriss zeigt, können bedeutende Änderungen für die Praxis aus simplen Änderungen des Gesetzeswortlauts folgen: Eine kleine Streichung an der einen Stelle, eine dezent andere Formulierung an einer anderen Stelle. Im neuen Vergabegesetz werden auf diese Art einige in der bisherigen Praxis etablierte Ansätze gestrichen: Die enge Anlehnung an ÖNORMen, die „W“-Positionen, die Öffnung und Verlesung von Angeboten in Anwesenheit der Bieter im offenen und nicht offenen Verfahren.

Das neue Vergabegesetz bringt aber auch Neues, indem beispielsweise das Preisaufschlags- bzw Preisnachlassverfahren jederzeit gewählt werden kann. Zugleich werden mit der Baustellendatenbank und der Meldepflicht der Kontaktdaten von Subunternehmern neuerlich Bestimmungen eingeführt, die die Dokumentations- und Meldepflichten für Auftraggeber wie Auftragnehmer bei Bauaufträgen weiter anheben. Mit der Zuschlagserteilung ist damit zwar der Auftrag gesichert, das Vergaberecht begleitet den Auftragnehmer jedoch (verlässlich) weiter, bis der letzte Arbeiter die Baustelle verlässt.

 

Autoren

Ruth Bittner