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Verzehnfachung der Geldbuße: Sanfter Druck zum Settlement?

2015-05

In seinem Beschluss vom 8.10.2015, 16 Ok 2/15b, 16 Ok 8/15k, hat der Oberste Gerichtshof als Kartellobergericht („KOG“) die im Kartellverfahren gegen den Spar-Konzern („Spar“) erstinstanzlich verhängte Geldbuße von EUR 3 Mio. auf EUR 30 Mio. verzehnfacht. Dieses Bußgeld betrifft nur Molkereiprodukte; das Verfahren zu weiteren 16 Produktgruppen ist noch anhängig.

Zum Vorwurf

Spar wurde vorgeworfen, im Rahmen von Einkaufspreisverhandlungen mit Lieferanten regelmäßig und flächendeckend Einfluss auf die Verkaufspreise der Lieferanten für Wettbewerber von Spar genommen zu haben. Das KOG legte seiner Entscheidung zugrunde, dass die Einkäufer von Spar von jenen Lieferanten, die eine Erhöhung der Einkaufspreise ausverhandeln wollten, eine „Margenneutralität“ forderten, damit die Spanne von Spar trotz Erhöhung des Einkaufspreises gleich bleiben konnte. Dies setzte eine Erhöhung des Verkaufspreises auch gegenüber Wettbewerbern voraus. Die Lieferanten sollten diese „empfohlenen Verkaufspreise“ als Richtpreise ansetzen, um auch Wettbewerber zu einer entsprechenden Verkaufspreiserhöhung zu bewegen. Zum Nachweis für die erfolgte Umsetzung der Vereinbarung wurden die Lieferanten verpflichtet, Preisspiegel bzw. Kassenbons der Wettbewerber an Spar zu übermitteln.

Anders als der REWE-Konzern schloss Spar wegen des angelasteten Wettbewerbsrechtsverstoßes keinen Vergleich (Settlement) mit der Bundeswettbewerbsbehörde ab, sondern ergriff den Rechtsweg. In erster Instanz verhängte das Kartellgericht ein Bußgeld in Höhe von EUR 3 Mio. Gegen diese Entscheidung erhoben sowohl der Bundeskartellanwalt als auch Spar Rekurs an das KOG.

Zur Entscheidung des KOG

Das KOG sprach aus, dass eine komplexe Kernbeschränkung vorliege, wenn ein Abnehmer Lieferanten dazu anhalte, ein bestimmtes Preisniveau auch bei Wettbewerbern einzufordern. Die vertikale Preisabstimmung werde durch ausgeprägte horizontale Elemente der „Absicherung“ der vertikalen Vereinbarungen im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Wettbewerbsunternehmen in ihrer kartellrechtlichen Schädlichkeit sogar noch verstärkt.

Zur Höhe des Bußgeldes prüfte das KOG, ob das kartellrechtswidrige Verhalten der Tochtergesellschaft der Muttergesellschaft zuzurechnen ist. Dies ist der Fall, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Mutter befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen den Unternehmen. Diesfalls liegt „wirtschaftliche Einheit“ zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft vor, weshalb auch der Muttergesellschaft eine Geldbuße auferlegt werden kann, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen ist.

Hält die Mutter an der Tochter 100 % der Geschäftsanteile, liegt die widerlegbare Vermutung vor, dass die Mutter bestimmenden Einfluss auf das Marktverhalten der Tochter ausübt. Ein eigenständiger Marktauftritt der Tochtergesellschaften war im Verfahren auch gar nicht behauptet worden. Auch sei autonomes Agieren angesichts der weitgehenden Personenidentität in der Unternehmensleitung lebensfremd. Daher haben auch die Muttergesellschaften für das Fehlverhalten der Töchter einzustehen und so war der Umsatz aller Gesellschaften gemäß § 22 Z 1 Kartellgesetz für die Bußgeldbemessung zusammenzurechnen.

Bezüglich der Höhe des Bußgeldes kritisierte der OGH die erstinstanzliche Entscheidung des Kartellgerichts. Die Buße habe bei einem Höchstbetrag von 10 % des im Vorjahr erzielten Gesamtumsatzes lediglich 0,0346 % betragen. Die Höhe der Geldstrafe müsse abschreckend sein, was nur der Fall sei, wenn die Höhe und Wahrscheinlichkeit der Strafe den zu erwartenden Kartellgewinn übersteige (LL Geldbußen Rz 31). Die theoretisch optimale Bußgeldhöhe für einen materiell-rechtlichen Wettbewerbsverstoß sei der Betrag des erlangten Gewinns zuzüglich einer Marge, die garantiere, dass die Zuwiderhandlung nicht Folge eines rationalen Kalküls ist.

Es müsse aber eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller Umstände erfolgen und nicht eine schlichte Rechenoperation auf Grundlage des Umsatzes. Die in § 29 KartG vorgesehene Obergrenze sei nicht bloß eine „Kappungsgrenze“, sondern bilde den Strafrahmen, innerhalb dessen sich das Kartellgericht zu orientieren habe. Demgegenüber stellen die Leitlinien der Kommission auf den tatbezogenen Umsatz ab.

Entsprechend dieser Ansicht bewertete das KOG die Schwere, die zehnjährige Dauer, den Vorsatzgrad und die Finanzkraft von Spar als überdurchschnittlich und gelangte zu einer Strafhöhe von EUR 30 Mio.

Druck zum Settlement?

In Anbetracht zahlreicher Settlements der jüngeren Vergangenheit ist zunächst positiv zu vermerken, dass mit dieser Entscheidung eine wesentliche Klärung der Rechtslage erfolgt ist.

Äußerst ungewöhnlich ist jedoch die Verzehnfachung des Bußgeldes. Zwar betonte das KOG, dass „das Verhalten der Antragsgegnerinnen im Verfahren keinen Erschwerungsgrund bildet“, jedoch kann dies den Eindruck nicht gänzlich verhindern, dass sich die Entscheidung von Spar, einem Settlement nicht zuzustimmen, vielleicht doch negativ ausgewirkt hat. Zudem hat Spar durch das Führen des Prozesses die Chance verloren, auf den Inhalt des veröffentlichten Sachverhalts Einfluss zu nehmen, was das Risiko einer Inanspruchnahme von Spar durch geschädigte Dritte erhöht hat.

Somit könnte diese Entscheidung andere Unternehmen davon abhalten, im Zweifel den Rechtsweg zu beschreiten. Diese könnten auch bei nicht hinreichend klarer Rechtslage eher einem raschen Settlement den Vorzug geben.

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