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Wann gilt ein Zusammenschluss als „durchgeführt“? Eine kürzlich ergangene Entscheidung des OGH gibt Antwort

24/01/2017

Bei Erreichen der Umsatzschwellen müssen Zusammenschlüsse vor deren Durchführung bei der Bundeswettbewerbsbehörde angemeldet und freigegeben werden. In diesem Zusammenhang äußerst spannend ist die Frage, ab welchem Zeitpunkt denn nun ein Zusammenschluss als durchgeführt gilt. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 7.12.2017 (16 Ok 2/17f) hat bestätigt, dass bereits die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Zielgesellschaft durch den Erwerber als Durchführung eines Zusammenschlusses im Sinne von § 17 Abs 1 KartG 2005 gilt.

Bußgeldrelevanter Sachverhalt?

An der Zielgesellschaft hielten zwei Gesellschafterinnen jeweils 50% der Anteile. Um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der einen Gesellschafterin zu überbrücken, gab die andere (Erwerberin) ein verbindliches Übernahmeangebot mit einer längerfristigen Bindungsdauer für die restlichen Anteile an der Zielgesellschaft ab. Eine Überschreitung der Umsatzschwellen (§ 9 Abs 1 Z 2 KartG 2005) lag zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Die Erwerberin hielt aufgrund der gesellschaftsvertraglichen Situation bereits zu diesem Zeitpunkt negative Kontrolle über die Zielgesellschaft.

Die Veräußerin nahm das Übernahmeangebot ein Jahr später an und stellte gleich darauf (von sich aus) einen Antrag auf Eintragung der Änderung der Gesellschafterstruktur beim Firmenbuch. Nach Überprüfung der Umsatzschwellen meldete die Erwerberin den Zusammenschluss bei der Bundeswettbewerbsbehörde an (ca. 10 Tage nach Eintragung der Änderungen im Firmenbuch). Im gesamten Zeitraum zwischen der Annahmeerklärung und der kartellrechtlichen Freigabe des Zusammenschlusses setzte die Erwerberin keine Handlungen, mit denen die mit dem Abtretungsvertrag erworbenen Kontrollrechte über die Zielgesellschaft tatsächlich ausgeübt wurden.

Die BWB beantragte die Verhängung eines angemessenen Bußgeldes wegen Verstoßes gegen das Durchführungsverbot des § 17 KartG 2005. Das Kartellgericht wies den Antrag auf Verhängung einer Geldbuße ab, wogegen die BWB Rekurs erhob. Der OGH gab diesem jedoch keine Folge.

Bloße Möglichkeit der wirtschaftlichen Einflussname ist entscheidend

Da § 17 Abs 1 KartG 2005 keine Legaldefinition des Begriffes der „Durchführung“ enthält, griff der OGH auf die Legaldefinition des bis 31.12.1999 in Geltung stehenden § 42 Abs 1a KartG 1988 zurück. Demnach galt ein Zusammenschluss als zustande gekommen,„wenn die wirtschaftliche Einflussmöglichkeit gegeben war“. Auch im europäischen Fusionsrecht findet sich in Art. 7 FKVO keine Legaldefinition für den Begriff des Vollzuges, der das europarechtliche Pendant zum österreichischen Begriff der Durchführung darstellt.

Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den Stimmen in der Literatur folgt der OGH der Ansicht von Hoffer, Reidlinger/Hartung und Krenn, die bereits die bloße Möglichkeit der wirtschaftlichen Einflussnahme als „Durchführung“ des Zusammenschlusses gelten lassen. Auf die tatsächliche Einflussnahme kommt es nicht an. Für diese Meinung sprechen einerseits der Zweck des Durchführungsverbotes an sich, der Gleichklang mit der einheitlichen Sichtweise im europäischen Rechtsbereich sowie die Gesetzesmaterialien zu § 17 KartG 2005, die keinen Änderungswillen des Gesetzgebers im Verhältnis zu § 42 Abs 1a KartG 1988 erkennen lassen.

OGH-Einschätzung zur Strafwürdigkeit des Verhaltens

Zwar hat die Erwerberin mit der Durchführung des Zusammenschlusses bereits vor dessen Anmeldung bei der BWB gegen § 17 Abs 1 KartG 2005 verstoßen, jedoch lag nach Ansicht des OGH kein strafwürdiges Verhalten vor. Weder die Anmeldung zum Firmenbuch noch die tatsächliche Annahme des Angebotes von der Antragsgegnerin waren kontrollierbar. Die Erwerberin hat ausdrücklich darauf verzichtet, vor Freigabe des Zusammenschlussvorhabens eine (den neuen Beteiligungsverhältnissen entsprechende) Einflussnahme auf die Zielgesellschaft auszuüben. Das Verschulden war daher als äußerst gering einzustufen und die Verhängung einer Geldbuße auch aus spezial- und generalpräventiven Gründen nicht erforderlich.

Fazit: Allein die Möglichkeit der Einflussnahme als Durchführung zu werten

Der OGH stellt klar, dass ein Zusammenschluss nicht erst nach tatsächlicher wirtschaftlicher Einflussnahme als „durchgeführt“ gilt. Für die Durchführung eines Zusammenschlusses bedarf es somit keiner faktischen Auswirkung auf den Wettbewerb. Die bloß abstrakte Eignung der Einflussnahme auf die Zielgesellschaft reicht bereits aus.

Dies ist vor allem im Hinblick auf die Zielsetzung des § 17 Abs 1 KartG 2005 konsequent: Die Intention des Gesetzgebers war es, einerseits die Beteiligten vor komplexen Rückabwicklungen des Fusionsvorganges zu bewahren und andererseits den Wettbewerb vor unerwünschten Marktkonzentrationen abzusichern. Zur Verwirklichung einer präventiven Fusionskontrolle, ist es notwendig, bereits die bloße Möglichkeit der Einflussnahme als Durchführung zu qualifizieren. 

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Molly Kos