Soeben wurde der Ministerialentwurf für eine Novelle zu Wettbewerbsgesetz, Kartellgesetz und Nahversorgungsgesetz vorgelegt, die bedeutende Änderungen im Kartellrecht vorschlägt.
Neben einer Neuregelung für Bagatellkartelle ist im Entwurf eine neue Marktbeherrschungs-/Oligopolvermutung für eine gemeinsame Marktbeherrschung enthalten. Ferner wird der Marktmissbrauchstatbestand bei Preis- und Konditionenmissbrauch ausgeweitet. Im Zusammenschlussverfahren soll der Anmelder künftig die Möglichkeit haben, eine Fristverlängerung in Phase I (auf insgesamt sechs Wochen) und in Phase II zu verlangen. Daneben enthält der Entwurf insbesondere Neuregelungen für das Verfahren vor dem Kartellgericht (insbesondere Entscheidungsveröffentlichung durch das Kartellgericht in der Ediktsdatei) sowie erstmals eine explizite Regelung für Schadenersatzansprüche wegen Wettbewerbsverstößen und eine Bindungswirkung von Verbotsentscheidungen.
Im Rahmen der Novellierung des Wettbewerbsgesetzes sollen vor allem die Befugnisse der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bei Ermittlungen ausgeweitet und an die Befugnisse der Kommission angepasst werden. Die BWB soll beispielsweise Auskünfte und Unterlagen von Unternehmen bescheidmäßig anfordern und unrichtige, irreführende und (bei bescheidmäßigen Auskunftsverlangen) unvollständige Auskünfte mit Geldstrafen belegen können. Bei Hausdurchsuchungen soll die BWB die Möglichkeit haben, Räumlichkeiten zu versiegeln und geschäftliche Unterlagen zu beschlagnahmen.
Die Novelle des Nahversorgungsgesetzes soll einen (zeitlich befristeten) speziellen Marktmissbrauchstatbestand für marktbeherrschende Energieversorgungsunternehmen enthalten.
Ein Marktmissbrauch soll bereits vorliegen, wenn vom Energieversorgungsunternehmen
- ohne sachliche Rechtfertigung Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen gefordert werden, die ungünstiger sind als diejenigen anderer Unternehmen in vergleichbaren Märkten, oder
- Entgelte gefordert werden, die die Kosten in unangemessener Weise überschreiten. Ein Verstoß gegen diese Bestimmung soll sowohl mit Unterlassungsansprüchen bekämpft als auch mit Geldbußen (nach dem Kartellgesetz) sanktioniert werden können.
Die Frist für Stellungnahmen zum vorliegenden Entwurf endete am 29. Februar 2012.
Auswirkungen auf die Praxis
Eine Umsetzung des vorliegenden Entwurfs hätte insbesondere auf Unternehmen mit hohen Marktanteilen (vor allem im Energieversorgungsbereich) gravierende Auswirkungen. Während einige Neuerungen wie die Fristverlängerung in Zusammenschlussverfahren und die Angleichung der Ermittlungsbefugnisse der BWB an jene der Kommission grundsätzlich zu begrüßen sind, sind die Einführung eines vierten Marktmissbrauchs-vermutungstatbestands, die Aufweichung des Tatbestands des Preis- und Konditionenmissbrauchs und die Preishöhenkontrolle im Energiebereich kritisch zu sehen:
Etablierte – teils dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) entsprechende – Regelungen werden aufgeweicht und durch weit-reichende und unscharfe Formulierungen ersetzt, was der Rechtssicherheit abträglich sein wird. Überdies ist zu bedauern, dass die Novelle das im europäischen Kartellrecht bestehende „Anwaltsprivileg“ nicht auch in die österreichische Rechtsordnung integriert, sodass diesbezüglich weiterhin – abhängig davon ob Unionsrecht oder nationales Kartellrecht vollzogen wird – ein sachlich nicht gerechtfertigtes unterschiedliches Rechtsschutzniveau besteht.
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