Rückblick
Eines der zentralen Anliegen der Aktienrevision war und ist, das Aktienrecht an die aktuellen sowie zukünftigen wirtschaftlichen Bedürfnisse der Marktteilnehmer anzupassen. Konkret wurden daher beispielsweise Bestimmungen geschaffen, gemäss denen Beschlüsse (der Generalversammlung oder des Verwaltungsrats) auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form gefasst werden können.
Zudem werden etwa Kapitalveränderungen erleichtert, indem beispielsweise ein Kapitalband die genehmigte Kapitalerhöhung ersetzt, die gesetzlichen Bestimmungen zur beabsichtigten Sachübernahme gänzlich gestrichen wurden und die Liberierung von gezeichneten Aktien selbst dann vollständig durch Verrechnung bewirkt werden kann, wenn die zugrundeliegende Forderung nicht (mehr) werthaltig ist.
Handlungsbedarf?
Wie einleitend angesprochen läuft die Übergangsbestimmung zur Anpassung der Statuten und Organisationsreglemente am 31. Dezember 2024 ab. Als Folge davon treten sämtliche nicht mit dem revidierten Aktienrecht übereinstimmenden Statutenbestimmungen von Gesetzes wegen ausser Kraft. An deren Stelle tritt sodann die jeweilige gesetzliche Bestimmung.
Somit ist es möglich, dass trotz Blick in die Statuten die geltende Rechtslage nicht erkennbar ist, weil einzelne darin enthaltene Bestimmungen veraltet sind und somit nicht mehr gelten oder weil das geltende Recht nur unvollständig abgebildet ist.
Typische Konflikte / Abweichungen von nicht angepassten Statuten und geltendem Recht
Dies zeigt sich beispielsweise an den im Rahmen der Aktienrechtsrevision herabgesetzten Schwellenwerten für die Ausübung von Minderheitsrechten: (i) Die Einberufung einer Generalversammlung kann bei kotierten Gesellschaften neu ab 5 % und (ii) die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen bei kotierten Gesellschaften neu ab 0,5 % und bei nicht kotierten Gesellschaften neu ab 5 % verlangt werden. Dabei bezieht sich der Schwellenwert je auf das Aktien- bzw. Stammkapital oder die Stimmen. Vor der Aktienrechtsrevision waren für die Einberufung mindestens 10 % des Aktienkapitals notwendig, und die Traktandierung von Verhandlungsgegenständen konnte durch Aktionäre verlangt werden, die Aktien im Nennwert von mindestens CHF 1'000'000 oder – praxisgemäss – ebenfalls mindestens 10 % des Aktienkapitals vertraten. Aktionäre, die zusammen mindestens 5 % des Aktienkapitals oder der Stimmen vertreten, können neu zudem jederzeit – anders als vor der Aktienrechtsrevision also auch ausserhalb der Generalversammlung – Einsicht in die Geschäftsbücher und Akten der Gesellschaft verlangen.
Eine weitere Abweichung zum geltenden Recht findet sich bei den Befugnissen der General- bzw. Gesellschafterversammlung. Das Gesetz ist diesbezüglich umfangreicher geworden und sieht etwa ausdrücklich die Festsetzung von Zwischendividenden (nur bei der Aktiengesellschaft) und die Beschlussfassung über die Rückzahlung gesetzlicher Kapitalreserven durch die General- bzw. Gesellschafterversammlung vor. Gleiches gilt für den aktualisierten Katalog zu den wichtigen Beschlüssen der General- bzw. Gesellschafterversammlung, bei denen ein qualifiziertes Quorum notwendig ist, sowie für die unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrats bzw. der Geschäftsführer. Statuten, die die Erweiterungen des Katalogs zu den wichtigen Beschlüssen nicht enthalten, sind unvollständig und vermitteln ein falsches Bild der aktuellen Rechtslage.
Schliesslich wurden etwa auch die Anforderungen an das Protokoll, das über die Beschlüsse der General- bzw. Gesellschafterversammlung zu führen ist, konkretisiert.
Wegfall des genehmigten Kapitals / Kapitalband
Anstelle des genehmigten Kapitals ist neu ein Kapitalband in den Statuten vorzusehen, falls dem Verwaltungsrat weiterhin die Möglichkeit an die Hand gegeben werden soll, in Eigenregie Kapitalerhöhungen durchzuführen. So wurden die Bestimmungen zum genehmigten Kapital durch das Kapitalband ersetzt, und es kann daher gestützt auf ein statutarisch vorgesehenes genehmigtes Kapital unseres Erachtens nach dem 31. Dezember 2024 keine Kapitalerhöhung mehr durchgeführt werden (sofern die Frist für die Ausführung des genehmigten Kapitals nicht ohnehin bereits abgelaufen ist). Das Kapitalband hat den zusätzlichen Vorteil, dass der Verwaltungsrat auch zur Herabsetzung des Aktienkapitals ermächtigt werden kann. Es ist nur für Aktiengesellschaften vorgesehen und nicht für Gesellschaften mit beschränkter Haftung.
Weitere sinnvolle Anpassungen
Auch wenn die Überprüfung der aktuellen Statuten ergibt, dass kein Widerspruch zu den durch die Aktienrechtsrevision eingeführten Bestimmungen besteht, kann eine Anpassung sinnvoll sein. So kann teilweise nur aufgrund einer statutarischen Grundlage von den Erleichterungen des neuen Aktienrechts profitiert werden.
Neben dem Kapitalband ist diesbezüglich insbesondere zu nennen, dass Generalversammlungen – bei entsprechender statutarischer Grundlage – komplett virtuell oder an einem ausländischen Tagungsort durchgeführt werden können. Flankiert wird diese Erleichterung dadurch, dass der Geschäftsbericht nicht mehr vorgängig am Sitz der Gesellschaft zur Einsicht aufgelegt werden muss, sondern es grundsätzlich genügt, dass die Unterlagen für die Aktionäre elektronisch zugänglich sind, wobei dies auch ohne statutarische Regelung gilt.
Zudem sehen Statuten, welche noch nicht an das revidierte Aktienrecht angepasst wurden, keine Möglichkeit vor, Beschlüsse (der Generalversammlung oder des Verwaltungsrats) auf schriftlichem Weg auf Papier oder in elektronischer Form (bspw. per E-Mail) zu fassen.
Schliesslich kann durch eine entsprechende Statutenbestimmung bei nicht kotierten Gesellschaften, die – gegebenenfalls umständliche – Einzelwahl der Mitglieder des Verwaltungsrats abbedungen werden. Bei fehlender statuarischer Bestimmung ist eine Wahl der Mitglieder des Verwaltungsrats in Globo (so wie es bis anhin von den meisten Unternehmen gehandhabt wurde) nicht mehr zulässig. Sofern die Delegation der Geschäftsführung durch den Verwaltungsrat an Dritte ausgeschlossen werden soll, ist neuerdings eine entsprechende Regelung in den Statuten notwendig, da das geltende Recht die Delegationsmöglichkeit als Regelfall vorsieht.
Fazit
Eine Anpassung der Statuten einer Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist auch nach Ablauf der zweijährigen Übergangsfrist in vielen Fällen nicht zwingend erforderlich. So werden viele Statuten wenige oder gar keine Bestimmungen enthalten, die dem neuen Aktienrecht widersprechen und folglich durch die einschlägigen neuen gesetzlichen Bestimmungen ersetzt werden. Und selbst wenn dies bei vereinzelten Bestimmungen der Fall sein sollte, bleibt es bei dieser Rechtsfolge: d.h. die Gesellschaft hat bei fehlender Anpassung der Statuten mit keinen (weiteren) Sanktionen zu rechnen.
Im Sinne einer guten Corporate–Governance, um Verfahrensfehler zu vermeiden sowie ein rechtssicheres "Nachschlagewerk" zu haben, bietet es sich unseres Erachtens aber jedenfalls an, die Statuten zu überprüfen und im Bedarfsfall an das neue Recht anzupassen. Dabei können auch Erleichterungen, wie das Kapitalband – insbesondere mit der Möglichkeit, das Kapital herabzusetzen – oder die Durchführung virtueller Generalversammlungen, implementiert werden. Bei einer Anpassung können gegebenenfalls auch weitere Bestimmungen geändert bzw. eingeführt werden, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Aktienrechtsrevision stehen. Insbesondere kann es sich bei nicht kotierten Gesellschaften anbieten, die Bestimmung zur Amtszeit von Verwaltungsrats- bzw. Geschäftsführungsmitgliedern anzupassen. Aufgrund einer neuen Rechtsprechung vom Sommer dieses Jahres endet die Amtszeit stets mit Ablauf von sechs Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres, wenn die Statuten eine Wahl von einem Jahr bis zum Ablauf der nächsten ordentlichen General- bzw. Gesellschafterversammlung vorsehen. Mit dem Ende der Amtszeit fehlt der Gesellschaft also das Leitungsorgan. Dies kann bei nicht kotierten Gesellschaften durch eine Regelung in den Statuten, beispielsweise in Form verlängerter Amtszeiten, adressiert werden.
Kotierte Gesellschaften sollten im Übrigen ihre Statuten in jedem Fall revidieren, und haben dies – soweit uns bekannt – auch bereits getan.