Ist es für Frauen, insbesondere Mütter, immer noch schwieriger, in einer Wirtschaftsanwaltskanzlei Karriere zu machen, als für Männer?
Sibylle: Bei uns in der Kanzlei sind 60 Prozent unserer juristischen Mitarbeitenden weiblich. In den nächsten Jahren wird sich daher zweifellos auch der Frauenanteil in der Partnerschaft erhöhen. Natürlich stellen sich insbesondere Müttern, welche eine Anwaltskarriere anstreben, die bekannten Herausforderungen wie zum Beispiel Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Inzwischen gibt es aber immer mehr Rollenvorbilder, welche zeigen, wie diese Herausforderungen gemeistert werden können. Sodann haben Frauen aktuell gerade relativ gute Karten, wenn es um die Besetzung von Gremien wie Verwaltungs- oder Stiftungsräte geht oder Referierende für eine Tagung gesucht werden – wir Frauen sollten diese Chancen nutzen!
Simone: Ich glaube, man kann heute nicht mehr sagen, dass eine Karriere in einer Wirtschaftskanzlei für Frauen grundsätzlich schwieriger ist als für Männer. Es besteht ein gewisser Druck seitens der Klientschaft, insbesondere der internationalen, dass das Beratungsteam auf allen Stufen durchmischt ist. Zudem stelle ich fest, dass meine Ansprechpartner bei den Klienten zunehmend Frauen sind. Eine andere Frage ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, welche im Anwaltsberuf mit seiner geringen Planbarkeit eine besondere Herausforderung darstellt. Ich beobachte aber, dass in den letzten Jahren erfreulicherweise eine Veränderung stattgefunden hat und dies nicht mehr nur ein Thema der Anwältinnen, sondern vermehrt auch der Anwälte ist.
Simone und Sibylle, Ihr habt beide ein Nachdiplomstudium im englischsprachigen Raum, einen sogenannten Master of Laws (LL.M) absolviert. Was hat Euch dies gebracht? Ist ein solches Nachdiplomstudium auch heutzutage noch ein Muss in einer internationalen Wirtschaftskanzlei oder sprechen sowieso alle jungen Anwälte fliessend Englisch?
Sibylle: Wir begrüssen und unterstützen es, wenn jüngere Kolleginnen ein Nachdiplomstudium im ausländischen, insbesondere englischsprachigen Raum absolvieren. Dabei geht es nicht nur um die Verbesserung von Sprachkenntnissen, sondern auch darum, das englische beziehungsweise amerikanische Rechtssystem besser zu verstehen. Als internationale Kanzlei haben wir täglich mit Klienten aus dem angelsächsischen Raum zu tun. Da ist es natürlich wichtig, mit den entsprechenden Begriffen und rechtlichen Konzepten vertraut zu sein.
Sibylle, Du bist unter anderem auch für die Auswahl und Anstellung von Anwältinnen und Substituten in Eurer Kanzlei zuständig. Worauf achtest Du besonders in den eingehenden Bewerbungen?
Sibylle: Eine Grundvoraussetzung ist ein sehr guter juristischer Abschluss. Unsere Wunschkandidatinnen zeichnen sich sodann durch einen spannenden Lebenslauf aus, der zum Beispiel erste berufliche Erfahrungen, Zusatzausbildungen, Sprachkenntnisse oder wertvolle Erfahrungen in anderen Bereichen wie Sport, Kultur, ehrenamtlichen Tätigkeiten etc. aufweist. Im persönlichen Gespräch versuche ich anschliessend herauszufinden, ob die Kandidatin auch von den Interessen und dem Typ her in unsere Kanzlei passt – die gegenseitige Chemie muss schliesslich stimmen.
Gibt es auch Schattenseiten in Eurem Job und wie geht Ihr damit um?
Aline: Eine Herausforderung ist die manchmal sehr schwankende Auslastung. In «heissen Phasen» eines Prozesses kann es sehr hektisch werden mit langen Arbeitstagen – das macht es teilweise schwierig, Ausgleich zu finden und soziale Kontakte zu pflegen. Ich plane mir aber immer bewusst Pausen ein, in denen ich auch tatsächlich offline bin und geniesse diese Momente dafür auch umso mehr.
Simone: Die Tätigkeit als Anwältin ist herausfordernd und man übernimmt teilweise viel Verantwortung. Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden zu verbringen, sei es wandernd oder bei einem guten Essen, ist für mich der beste Ausgleich.
Was würdet Ihr jüngeren Kolleginnen, die zum Beispiel noch im Studium stehen, mit auf den Weg geben?
Olivia: Ich habe schon während des Studiums Praxiserfahrung in verschiedenen juristischen Tätigkeiten gesammelt und kann das nur empfehlen. Ein Auslandssemester würde ich auf keinen Fall missen wollen und jeder Studentin dazu raten, eines zu machen. Das ist eine wertvolle Erfahrung, nicht nur aus akademischer oder beruflicher, sondern auch aus persönlicher Sicht.
Simone: Ich stelle immer noch fest, dass sich viele jüngere Juristinnen zu wenig zutrauen und auf keinen Fall ehrgeizig erscheinen wollen. Beides ist nicht hilfreich. Ich würde deshalb sagen, dass sich jüngere Kolleginnen etwas zutrauen und offen zu ihren Zielen stehen sollten.
Sibylle: Ich würde mich im Studium insbesondere auf die Grundlagenfächer konzentrieren, um ein solides juristisches Handwerk zu erlernen. Sodann sollte man sich den Horizont unbedingt durch andere Aktivitäten wie einen Studentenjob, ein ehrenamtliches Engagement oder ein Praktikum verbreitern. Und nicht zuletzt, sobald es die Pandemie wieder zulässt, auch noch etwas das Leben geniessen, zum Beispiel auf Reisen, für welche man später im Leben nicht mehr unbedingt die Zeit hat.
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