Arbeitszeiterfassung in der Schweiz
Nach dem derzeit geltenden Arbeitsgesetz (ArG) sowie der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) haben Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass grundsätzlich alle Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit im Detail erfassen. Ausgenommen sind lediglich die höheren leitenden Angestellten, d.h. die wenigen Mitglieder des Top Managements (diese unterstehen dem ArG im Grundsatz nicht).
Diese gesetzliche Regelung wurde seit längerer Zeit als überholt kritisiert. Zudem trägt sie dem heutigen Arbeitsalltag, welcher zumindest in gewissen Funktionen bzw. Positionen keine scharfe Trennung zwischen Berufs- und Privatleben kennt, nicht ausreichend Rechnung.
In einer Weisung vom 19. Dezember 2013 hat das SECO (Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft) die kantonalen Arbeitsinspektorate aufgefordert, ihre Praxis der Arbeitszeitkontrollen ab dem 1. Januar 2014 anzupassen. Insbesondere wird in dieser Weisung festgehalten, dass für eine bestimmte Kategorie von Arbeitnehmern eine vereinfachte Arbeitszeiterfassung ausreichend sein kann. Die vereinfachte Arbeitszeiterfassung gilt für Arbeitnehmer, welche einen wesentlichen Entscheidungsspielraum in der Arbeit haben, ihre Arbeit weitgehend selber planen und auch selbst entscheiden, wann sie arbeiten; dies gilt allerdings nur, wenn die fraglichen Mitarbeiter nicht regelmässig Nacht- und Sonntagsarbeit leisten.
Diese Weisung des SECO soll nun durch eine Anpassung der ArGV 1 abgelöst werden, auf welche sich die Sozialpartner geeinigt haben. Der genaue Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Änderungen ist noch nicht festgelegt. Laut einer Mitteilung des Eidgenössischen Departementes für Wirtschaft, Bildung und Forschung vom 22. Februar 2015 soll die Anpassung nach verkürzter Konsultation so früh wie möglich in Kraft gesetzt werden, wobei das dritte Quartal 2015 genannt wird. Eine Gutheissung der neuen Bestimmungen durch das Parlament ist nicht erforderlich.
Inhalt der neuen Regelungen
a) Ausgangslage
Der Vorschlag sieht mit Art. 73a und 73b zwei neue Bestimmungen der ArGV 1 vor. Während sich Art. 73a ArGV 1 dem Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung widmet, hat Art. 73b ArGV 1 die vereinfachte Arbeitszeiterfassung zum Gegenstand.
b) Verzicht auf Arbeitszeiterfassung
Der Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung muss gemäss Art. 73a ArGV 1 in einem Gesamtarbeitsvertrag erfolgen. Sodann müssen drei kumulative Voraussetzungen erfüllt sein. Erstens muss der Arbeitnehmer über ein grosses Mass an Autonomie verfügen und eine grosse Freiheit in der Gestaltung der Arbeitszeiten haben (Abs. 1 lit. a). Zweitens muss er ein Bruttojahreseinkommen im Sinne des AHV-pflichtigen Lohnes haben, welches mehr als 120'000 CHF beträgt (Abs. 1 lit. b). Drittens muss der Arbeitnehmer schriftlich sein individuelles Einverständnis erklären (Abs. 1 lit. c). Ergänzende Angaben zum Gesamtarbeitsvertrag sind in Abs. 3 festgehalten.
c) Vereinfachte Arbeitszeiterfassung
Die vereinfachte Arbeitszeiterfassung gemäss Art. 73b ArGV 1 wird zwischen den Sozialpartnern einer Branche oder auf Stufe eines Unternehmens vereinbart. Wie beim Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung kann auch die vereinfachte Arbeitszeiterfassung nicht für sämtliche Arbeitnehmer eingeführt werden, sondern nur für diejenigen, welche ihre Arbeitszeiten grösstenteils selber bestimmen können. In diesem Fall muss nur die täglich geleistete Arbeitszeit erfasst werden (Abs. 1). In Bezug auf die Vereinbarung schreibt Abs. 2 vor, dass die Arbeitnehmerkategorien aufgeführt sein müssen, für welche die Arbeitszeit vereinfacht erfasst werden kann. Zudem müsse festgehalten werden, wie die Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen ein-gehalten werden. Eine paritätische Begleitung soll dafür sorgen, dass die Vereinbarung eingehalten wird.
Erwähnenswert ist, dass gemäss Abs. 3 Arbeitnehmer trotz einer solchen Vereinbarung die Aufzeichnung ihrer Arbeitszeit verlangen können und dass der Arbeitgeber ihnen dies durch Bereitstellung eines entsprechenden Gerätes zu ermöglichen hat.
Fazit
Die mit der Revision der ArGV 1 geschaffenen Möglichkeiten (Verzicht auf Arbeitszeiterfassung bzw. vereinfachte Arbeitszeiterfassung) erscheinen auf den ersten Blick attraktiv. Auch die finanzielle Schwelle (Bruttojahreseinkommen von mindestens CHF 120'000) ist grundsätzlich sinnvoll.
Dieses positive Grundbild wird dadurch ganz erheblich relativiert, dass für den Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung der Abschluss eines Gesamtarbeitsvertrages notwendig ist. Damit ist die neue Regelung vor allem für diejenigen Branchen bzw. Arbeitgeber interessant, welche bereits heute einem Gesamtarbeitsvertrag unterstehen. Sich bloss wegen der neuen Regelung zur Arbeitszeiterfassung einem (umfassenden) Gesamtarbeitsvertrag zu unterstellen, dürfte für die übrigen Arbeitgeber keine echte Alternative darstellen. Für diese Arbeitgeber bleibt also die heutige (unbefriedigende) Situation bestehen.
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