Hintergrund – Automatische Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien
Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke am 1. November 2019 ist die Ausgabe und der Fortbestand von Inhaberaktien gemäss Art. 622 Abs. 1bis des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) nur noch zulässig, sofern die betreffende Gesellschaft Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat oder die Inhaberaktien als Bucheffekten im Sinne des Bundesgesetzes über Bucheffekten ausgestaltet und bei einer von der Gesellschaft bezeichneten Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister eingetragen sind. Gesellschaften, welche weiterhin Inhaberaktien ausgegeben haben, sind zudem verpflichtet, den vorgenannten Ausnahmetatbestand ins Handelsregister eintragen zu lassen.
Gesellschaften, die nicht unter die obengenannte Ausnahmebestimmung betreffend die Weiterführung von Inhaberaktien fielen, waren verpflichtet, bis spätestens zum 1. Mai 2021 sämtliche ausgegebenen Inhaberaktien in Namenaktien umzuwandeln und eine entsprechende Statutenänderung beim Handelsregisteramt zu veranlassen. Ohne aktives Tätigwerden der Gesellschaft wurden allfällige Inhaberaktien (sowie auch allfällige Inhaberpartizipationsscheine) von Gesetzes wegen per 1. Mai 2021 in Namenaktien umgewandelt, wobei das zuständige Handelsregisteramt die sich aus der Umwandlung ergebenden Änderungen im Handelsregister von Amtes wegen vorgenommen hat (Art. 4 Abs. 1 und 2 der Übergangsbestimmungen der Änderung vom 21. Juni 2019; ÜBest). Gesellschaften, deren Aktien von Gesetzes wegen umgewandelt wurden, waren respektive sind weiterhin verpflichtet, bei der nächsten Statutenänderung ihre Statuten dahingehend anzupassen. Solange die entsprechende Anpassung der Statuten durch die betreffende Gesellschaft nicht vorgenommen wird, weist das zuständige Handelsregisteramt jede Eintragung einer anderen Statutenänderung zurück. Andere Eintragungen (wie z.B. Personalmutationen) können von den betroffenen Gesellschaften jedoch weiterhin vorgenommen werden.
Vorausgesetzt eine der Ausnahmeregelungen von Art. 622 Abs. 1bis OR war erfüllt (Börsenkotierung oder Ausgestaltung als Bucheffekten), musste die Gesellschaft die Tatsache, dass die Inhaberaktien entweder kotiert oder als Bucheffekten ausgegeben wurden, dem zuständigen Handelsregisteramt samt Belegen spätestens am 1. Mai 2021 melden (Art. 43 Abs. 1 lit. i HRegV). Wurde diese Meldung nicht innert Frist vorgenommen, wurden die Inhaberaktien ebenfalls nach dem 1. Mai 2021 ex lege in Namenaktien umgewandelt.
Möglichkeiten für die ehemaligen Inhaberaktionäre bis zum 31. Oktober 2024
Im Falle der oben beschriebenen automatischen Umwandlung von Inhaberaktien in Namenaktien war die Gesellschaft ab dem 1. Mai 2021 verpflichtet, eine Bemerkung im Aktienbuch über diejenigen Aktien aufzunehmen, für welche bis zu diesem Datum keine Meldung der ehemaligen Inhaberaktionäre gemäss Art. 697i aOR (sog. Meldung der wirtschaftlich berechtigten Personen) bei der Gesellschaft eingegangen war. Die Mitgliedschaftsrechte der ehemaligen Inhaberaktionäre, die der Meldepflicht bis dahin nicht nachgekommen waren, ruhten, und die Vermögensrechte waren verwirkt (Art. 6 Abs. 2 ÜBest). Diese Bestimmung steht im Einklang mit dem Sanktionsregime betreffend die Nichteinhaltung von Meldepflichten der wirtschaftlich berechtigten Personen gemäss Art. 697m OR.
Aktionäre die ihrer vorgenannten Meldepflicht nach wie vor nicht nachgekommen sind, haben bis zum 31. Oktober 2024 noch die Möglichkeit, unter Einholung der vorgängigen Zustimmung der Gesellschaft, die Eintragung ihrer Eigentümerstellung in das Aktienbuch der Gesellschaft beim zuständigen Gericht zu beantragen. Die Zustimmung der Gesellschaft darf dabei nur aus vernünftigen Gründen verweigert werden, d.h. wenn berechtigte Zweifel an der Aktionärsstellung bestehen. Da die strenge Hürde der Beweisführung erst im gerichtlichen Verfahren zum Tragen kommt, muss es für die Zwecke der Zustimmung durch die Gesellschaft genügen, dass der vermeintliche Aktionär seine Aktionärsstellung glaubhaft macht. Aktionäre können nach erfolgter Zwangsumwandlung also nicht mehr selbständig eine Situation schaffen, in der sie zur vollständigen Ausübung ihrer Mitgliedschaftsrechte berechtigt sind. Stattdessen sind sie auf Mitwirkung der Gesellschaft angewiesen und müssen ihre Eigentümerstellung in einem gerichtlichen Verfahren nachweisen. Wird die Zustimmung von der Gesellschaft ungerechtfertigterweise verweigert, kann der Verwaltungsrat der Gesellschaft hierfür verantwortlich gemacht werden.
Hat die Gesellschaft der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens zugestimmt, muss der Gesuchsteller gegenüber dem Gericht seine Aktionärsstellung mittels einer lückenlosen Eigentumskette nachweisen.
Rechtsfolge der Nichtigkeit ab dem 1. November 2024
Für den Fall, dass bis zum 31. Oktober 2024 kein Antrag eines ehemaligen Inhaberaktionärs beim Gericht erfolgt ist oder das Gericht den Antrag auf Eintragung in das Aktienbuch der Gesellschaft ablehnt, werden die ehemaligen Inhaberaktien per 1. November 2024 von Gesetzes wegen nichtig (Art. 8 Abs. 1 ÜBest), d.h. die betreffenden Aktionäre werden formell enteignet. Die nichtigen Aktien werden durch eigene Aktien der Gesellschaft ersetzt. In der Folge kann der Verwaltungsrat über die von Gesetzes wegen nichtigen und nunmehr zu eigenen Aktien gewordenen Aktien frei verfügen. Der Verwaltungsrat kann die Aktien an die übrigen Aktionäre als Sachdividende ausschütten, er kann sie aber auch verkaufen oder im Rahmen einer Kapitalherabsetzung vernichten (vgl. dazu Art. 732 ff. OR). Ebenfalls besteht die Möglichkeit, dass der Verwaltungsrat die Aktien selbst erwirbt. Im Extremfall wären damit fragwürdige Konstellationen denkbar, bei denen ein Erwerber solcher eigenen Aktien die gesamte Gesellschaft praktisch umsonst erwirbt. Dies wäre namentlich dann der Fall, wenn sämtliche Aktien einer Gesellschaft nichtig und in der Folge durch den Verwaltungsrat an einen Dritterwerber verkauft werden. Durch diesen Verkauf fliessen der Gesellschaft gegebenenfalls ausschüttbare Reserven im Umfang des Erwerbspreises zu, die sich der Erwerber in seiner Eigenschaft als Alleinaktionär anschliessend mittels Dividende vollumfänglich wieder ausschütten könnte. Für diese denkbaren Extremfälle hat es der Gesetzgeber leider unterlassen, eine Regelung vorzusehen.
Führt die Zuführung der eigenen Aktien im Rahmen der Umwandlung zu einer Überschreitung der maximal zulässigen Schwelle von 10 Prozent des Aktienkapitals der Gesellschaft gemäss Art. 659 Abs. 2 OR, muss der Verwaltungsrat den Anteil der eigenen Aktien, der den Schwellenwert überschreitet, aufgrund von Art. 659 Abs. 2 und 3 OR zwingend innert zwei Jahren veräussern oder mittels Kapitalherabsetzungsverfahren vernichten.
Für jene Aktionäre, deren Aktien "ohne eigenes Verschulden" nichtig geworden sind, besteht die Möglichkeit, unter Nachweis ihrer Aktionärseigenschaft zum Zeitpunkt des Nichtigwerdens der Aktien, bis zum 31. Oktober 2034 gegenüber der Gesellschaft einen Anspruch auf Entschädigung (Schadensersatz) geltend zu machen. Die Gesellschaft wird jedoch nur dann gegenüber dem betreffenden Aktionär schadenersatzpflichtig, wenn sie im Zeitpunkt der Geltendmachung des Schadensersatzanspruches über frei verwendbares Eigenkapital im entsprechenden Umfang verfügt (Art. 8 Abs. 2 ÜBest). Einen Aktionär trifft kein Verschulden, wenn er die Meldepflicht weder vorsätzlich noch fahrlässig missachtet hat. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er objektiv keine Möglichkeit hatte, von den Publikationen zum Inkrafttreten der neuen Regelungen Kenntnis zu erlangen, da er zu diesem Zeitpunkt im Ausland gelebt hat, oder ihm seine Aktionärsstellung nicht bewusst gewesen ist. Dies könnte etwa gegeben sein, wenn er die Aktien geerbt und von der Erbschaft erst nach dem Fristablauf erfahren hat. Der Entschädigungsanspruch entspricht dem wirklichen Wert der Aktien zum Zeitpunkt ihrer Umwandlung, wobei unklar ist, wie sich dieser Wert bestimmt, da dieser Jahre nach der Umwandlung schwierig zu bestimmen sein wird. Ist der wirkliche Wert der Aktien zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs tiefer als zum Zeitpunkt der Umwandlung, so schuldet die Gesellschaft hingegen nur den tieferen Wert. Bei Uneinigkeit zwischen der Gesellschaft und dem Aktionär in Bezug auf die Höhe des Entschädigungsanspruchs oder in Bezug auf das Verschulden des Aktionärs steht namentlich dem Aktionär der Gerichtsweg offen.
Fazit
Aktionäre umgewandelter Inhaberaktien haben dringend zu prüfen, ob sie seinerzeit (d.h. vor dem 1. Mai 2021) ihrer Meldepflicht nach Art. 697i aOR nachgekommen sind und der Gesellschaft ihren Vor- und Nachnamen oder ihre Firma sowie ihre Adresse mitgeteilt haben. Sofern dies nicht geschehen ist, empfiehlt es sich, dass die betreffenden Aktionäre umgehend die Zustimmung der Gesellschaft respektive des Verwaltungsrats einholen und beim zuständigen Gericht spätestens am 31. Oktober 2024 die Eintragung ihrer Aktionärsstellung im Aktienbuch der Gesellschaft beantragen.
Wird die Gesuchstellung bis zum 31. Oktober 2024 versäumt, kann der Aktionär, sofern ihn kein Verschulden trifft und die Gesellschaft über frei verfügbares Eigenkapital im entsprechenden Umfang verfügt, die Entschädigung des "wirklichen Werts" der nichtigen Aktien von der Gesellschaft verlangen. Seine Eigentümerstellung an den betreffenden Aktien der Gesellschaft (inkl. der damit verbundenen Stimm- und Vermögensrechte) ist jedoch mit Ablauf der vorgenannten Frist vom 31. Oktober 2024 endgültig verwirkt.
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