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Corona-Vertragscheck – zehn Punkte, die Unternehmen jetzt prüfen sollten

25/03/2020

Die Corona-Pandemie hält die Welt in Atem und betrifft mittlerweile Unternehmen aller Branchen und Größen. Um die Auswirkungen der Corona-Krise im Hinblick auf bestehende Vertragsverhältnisse abzumildern und Risiken bei Neuabschlüssen zu minimieren, empfiehlt sich eine Überprüfung der bestehenden Verträge. Diese zehn Punkte sollten Sie dabei beachten: 

1. Liefer- und Zahlungspflichten 

Kommt es aufgrund der Corona-Pandemie zu Lieferschwierigkeiten oder besteht aufgrund der geänderten Wirtschaftslage kein Interesse mehr an der Abnahme bestimmter Produkte, kann es sich lohnen, bestehende Verträge daraufhin zu überprüfen, ob und inwieweit diese tatsächlich verbindliche Liefer- oder Abnahmeverpflichtungen vorsehen und ob diese auch bereits fällig sind. Oft sind z. B. in langfristig angelegten Rahmenverträgen entsprechende „harte“ Pflichten gar nicht enthalten. 

2. Leistungsverweigerungsrechte 

Kann eine vertraglich geschuldete Leistung faktisch nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Anstrengungen erbracht werden (z.B. aufgrund behördlicher Anordnungen), liegt rechtlich ein Fall der sog. Unmöglichkeit vor. Der Schuldner kann dann die Leistung verweigern, zugleich entfällt auch der Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung. Lieferverträge enthalten zudem oftmals einen Selbstbelieferungsvorbehalt, der es Lieferanten unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, die Leistung zu verweigern, wenn sie ihrerseits nicht beliefert werden (können). 

3. Kündigungsmöglichkeiten 

Möglicherweise können unrentabel oder undurchführbar gewordene Verträge auch ganz regulär gekündigt werden. So können unter Umständen langwierige Auseinandersetzungen über die Frage, ob eine Vertragserfüllung angesichts der Corona-Pandemie noch möglich und zumutbar war, vermieden werden. 

4. Vertragsanpassung aufgrund höherer Gewalt  

Vertragsklauseln zu höherer Gewalt oder „Force Majeure“ können die Vertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen ganz oder teilweise von ihren Lieferpflichten befreien. Je nach Formulierung der Regelungen kann die Corona-Pandemie als Ereignis höherer Gewalt einzustufen sein, was zu Haftungserleichterungen führen kann. Enthalten Verträge keine derartige Regelung, kann eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen. 

5. Prüfung alternativer Beschaffungsmöglichkeiten 

Auf höhere Gewalt oder ein Corona-bedingtes Leistungsverweigerungsrecht kann sich nur berufen, wer das Leistungshindernis mit zumutbaren Maßnahmen nicht beseitigen kann. Die Frage, was in einer bestimmten Situation (noch) zumutbar ist, ist dabei für jeden Einzelfall gesondert zu ermitteln. Gewisse finanzielle Mehraufwendungen werden jedoch in der Regel als zumutbar angesehen. Lieferanten, die für ihre Leistungserbringung auf Zulieferer angewiesen sind, sollten daher prüfen, welche alternativen Möglichkeiten zur Sicherstellung der eigenen Leistungsfähigkeit bestehen, wenn Zulieferer ausfallen oder andere Umstände die Beschaffung erschweren. 

6. Kartellrecht im Blick behalten

Im Persönlichen ist Abstand das Gebot der Stunde, doch die Krise lässt die Märkte näher zusammenrücken: Zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit kommen möglicherweise auch Kooperationen mit Wettbewerbern in Betracht. Die kartellrechtlichen Vorschriften bleiben jedoch auch unter den gegenwärtigen Voraussetzungen anwendbar, sodass bei einem allzu engen Austausch Vorsicht geboten ist. Bei marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen müssen u. U. auch einseitige Maßnahmen einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung unterzogen werden. Es erscheint aber naheliegend, dass die Kartellbehörden ein gewisses Verständnis dafür aufbringen werden, wenn angesichts eines Krisenszenarios die Prüfung der Kartellrechtskonformität eines Vorhabens etwas schneller und weniger gründlich erfolgt als in Normalzeiten.

7. Bei Neuverträgen: Corona-Klauseln aufnehmen

Achtung: Voraussetzung für eine Berufung auf höhere Gewalt ist in der Regel, dass das Ereignis bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war. Bei Verträgen, die nach Bekanntwerden des erheblichen Ausmaßes der Pandemie abgeschlossen werden, sollte daher gesondert klargestellt werden, dass Beeinträchtigungen aufgrund des Coronavirus auch weiterhin keine Haftung begründen sollen. 

8. Versicherungen prüfen 

Für den Fall, dass sich die Auswirkungen der Pandemie nicht (vollständig) abfedern lassen: Überprüfen Sie, ob und inwieweit Versicherungsschutz für Corona-bedingte Betriebsausfälle oder -einschränkungen besteht.

9. Verjährung verhindern 

Zu den Auswirkungen des Coronavirus auf laufende Verjährungsfristen haben wir hier bereits informiert. Um Unwägbarkeiten bei der Beurteilung vorzubeugen, ob eine Hemmung der Verjährung aufgrund höherer Gewalt in Betracht kommt, sollten auch in der momentanen Ausnahmesituation demnächst ablaufende Verjährungsfristen im Blick behalten und ggf. rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden. Hierzu können auch Vereinbarungen mit dem Vertragspartner, wie beispielsweise eine Verjährungsverzicht, erwogen werden.   

10. Erarbeiten möglicher Lösungen gemeinsam mit dem Vertragspartner

Im Zweifel gilt: Reden ist Gold. Hat das Coronavirus bereits zu Komplikationen in der Vertragsbeziehung geführt oder zeichnen sich solche ab, kommunizieren Sie dies (dokumentierbar) an Ihre Vertragspartner und versuchen Sie, gemeinsam eine für beide Seiten tragfähige Lösung zu finden. Gerade in Fällen, in denen die juristische Beurteilung aufgrund der sich aktuell rasant verändernden Gegebenheiten nicht eindeutig ausfällt, erscheint dies allemal sinnvoller und ressourcenschonender, als sich nach Beendigung der Krise vor – wohl dann erst recht überlasteten – Gerichten anhand von Fragen zur Auslegung einzelner Begrifflichkeiten oder Risikoabwägungen darüber zu streiten, wer welche wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu tragen hat.


Aktuelle Informationen zu COVID-19 finden Sie in unserem Corona Center. Wenn Sie Fragen zum Umgang mit der aktuellen Lage und den Auswirkungen für Ihr Unternehmen haben, sprechen Sie unser CMS Response Team jederzeit gerne an.


Autoren

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Dr. Markus Schöner, M.Jur. (Oxford)
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Dr. Gerald Gräfe
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