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Update Commercial 02/2022

Februar 2022

Auch diesen Monat informieren wir Sie über aktuelle Rechtsprechung und Gesetzgebung. Bereits in der letzten Ausgabe unseres Updates haben wir Sie über wichtige Neuerungen des Kaufrechts informiert, die am 1. Januar 2022 in Kraft getreten sind. Welche Auswirkungen insbesondere die Änderung des Sachmangelbegriffs auf den unternehmerischen Rechtsverkehr hat, erfahren Sie in unserem Blogbeitrag „Das neue Gewährleistungsrecht in B2B-Verträgen“.

Um die Reform des Kaufrechts geht es auch in unserer aktuellen Podcast-Folge „Update Commercial Spezial: Das neue Kaufrecht 2022“ – hören Sie gerne einmal rein!

Für den B2C-Bereich stehen im Mai 2022 bereits die nächsten Gesetzesänderungen an. Wichtig zu wissen: Bei Verstößen gegen das Verbraucherschutzrecht können künftig hohe Bußgelder drohen. Und auch in Zukunft wird es nicht ruhiger: Um die Langlebigkeit von Produkten zu erhöhen, plant die EU-Kommission ein „Recht auf Reparatur“ sowie Änderungen beim Gewährleistungsrecht. Mehr dazu lesen Sie in dieser Ausgabe.


Inhalt

Im Folgenden finden Sie die Themen des Newsletters.

Aktuelle Rechtsprechung

Gesetzgebung und Trends

Bei Interesse können Sie das Update Commercial hier abonnieren.

Podcast CMS to go – Update Commercial Spezial: Das neue Kaufrecht 2022
Seit dem 1. Januar 2022 gibt es in der EU ein neues Kaufrecht mit dem Ziel, die Verbraucherrechte zu stärken. Es gilt für alle Verträge, die nach dem 1. Januar 2022 geschlossen werden und betrifft den B2B- ebenso wie den B2C-Bereich. Die CMS-Anwälte Dr. Ulrich Becker und Dr. Robert Budde sprechen in dieser Folge unseres Podcasts mit Lars Eckhoff darüber, welche Änderungen und Folgen damit einhergehen und was Unternehmen nun beachten sollten.


Aktuelle Rechtsprechung

Kartellrechtliche Beurteilung von Vorrangklauseln in Vertriebsverträgen

(EuGH, Urteil v. 18. November 2021 – C-306/20 – Visma Enterprise)

Die vom EuGH untersuchte Vertragsklausel hatte ein lettisches Softwareunternehmen mit seinen Vertriebshändlern geschlossen. Auf Anrufung eines lettischen Gerichts befasste sich der EuGH mit der vom lettischen Wettbewerbsrat für kartellrechtswidrig erachteten Klausel.

  • Eine Vereinbarung zwischen einem Lieferanten und einem Vertriebshändler, darüber, dass der Händler, der das potentielle Geschäft mit dem Endnutzer zuerst registriert hat, während eines Zeitraums von sechs Monaten ab der Registrierung des Geschäfts einen „Vorrang für die Abwicklung des Verkaufsvorgangs“ genießt, sofern der Endnutzer diesem Vorrang nicht widerspricht, ist grundsätzlich keine „bezweckte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV. 
  • Ob eine solche Vereinbarung eine „bewirkte“ Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellt, ist vom nationalen Gericht in Anbetracht aller relevanten Umstände zu untersuchen. Insbesondere sind 

    – der wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhang, in dem die betreffenden Unternehmen tätig sind, 
    – die Art der betroffenen Waren und Dienstleistungen und
    – die auf dem betreffenden Markt bestehenden tatsächlichen Bedingungen sowie die Struktur dieses Marktes

    zu berücksichtigen.
  • Ist der Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfüllt, bleibt schließlich zu prüfen, ob die Vereinbarung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt ist. 

Praxistipp: Nach traditioneller Methodik wird man schwerlich bezweifeln können, dass die vom EuGH behandelte Vorrangklausel wettbewerbsbeschränkenden Charakter hat. Denn sie verschafft dem begünstigten Händler für sechs Monate ab Registrierung des Geschäfts einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitkonkurrenten, zumal der Widerspruchsmöglichkeit des Kunden offenbar keine praktische Bedeutung zukommt, da ausweislich der Entscheidungsgründe der Endkunde über sein Widerspruchsrecht nicht in Kenntnis gesetzt wurde (Rn. 81).

Vor diesem Hintergrund ist bemerkenswert, dass der EuGH die Klausel nicht als per se wettbewerbsschädlich beurteilt (keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung). Er begründet dies damit, dass der Begriff der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung eng auszulegen ist (Rn. 60) und dass vertikale Vereinbarungen ihrer Natur nach weniger schädlich für den Wettbewerb sind als horizontale Vereinbarungen (Rn. 61). Zu der konkreten Klausel bemerkt der EuGH, dass sich nicht genau erschließe, worin der „Vorrang für die Abwicklung des Verkaufsvorgangs“ bestehe (Rn. 65), und dass die Klausel für sich genommen den Vertriebshändlern nicht ausdrücklich verbiete, sich aktiv an einen potentiellen Kunden zu wenden oder auf Anfragen eines solchen Kunden zu antworten (Rn. 66).

Die weiteren Erwägungen des EuGH zur bewirkten Wettbewerbsbeschränkung und zur Freistellungsfähigkeit enthalten nichts Neues.

Es mag überraschen, dass sich die EuGH-Entscheidung nicht explizit mit der Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen (Vertikal-GVO) befasst. Denn wenn die Vertragsklausel tatsächlich weder den aktiven noch den passiven Vertrieb durch andere Vertriebshändler einschränkt und wenn der Marktanteil der Beteiligten 30 Prozent nicht überschreitet (Rn. 80), ist nicht so recht ersichtlich, was einer Freistellung nach der Vertikal-GVO entgegenstehen sollte.

Resümee für die Vertriebspraxis: Ob Vorrangklauseln in Vertriebsverträgen kartellrechtskonform sind, bedarf der Prüfung im Einzelfall, per se verboten sind sie jedenfalls nicht.

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Keine Rückkehr vom Geldersatz- zum Herstellungsanspruch

(BGH, Urteil v. 23. September 2021 – IX ZR 118/20)

  • Wer einem anderen zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat nach den allgemeinen Regelungen des BGB den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn das schädigende Ereignis nicht eingetreten wäre. Schadensersatz in Form einer Geldzahlung kann der Geschädigte grundsätzlich erst dann verlangen, wenn er dem Schädiger erfolglos eine Frist zur Wiederherstellung gesetzt hat (Ausnahmen gelten z. B., wenn eine Wiederherstellung von vorneherein nicht möglich oder ausreichend für eine vollständige Entschädigung ist, oder der Schädiger die Wiederherstellung bereits vor Fristsetzung ernsthaft und endgültig verweigert).  
  • Der BGH hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass eine geschädigte Person, die dem Ersatzpflichtigen eine Frist zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gesetzt und erklärt hat, danach kein Interesse mehr an der Herstellung zu haben, nach Fristablauf an diese Erklärung gebunden ist und regelmäßig nur noch Ersatz in Geld verlangen kann.
  • Der Anspruch auf Herstellung sei ab diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Ein (zuvor vom Berufungsgericht angenommenes) Recht des Geschädigten, von dem Zahlungsanspruch wieder zur Geltendmachung des Herstellungsanspruchs zurückzugehen, bestehe nicht, da ein derartiges Hin- und Herwechseln zwischen Herstellungs- und Geldersatzanspruch mit dem Interesse des Schuldners, im Vertrauen auf die Erklärung des Gläubigers Dispositionen für eine Art der Schadensersatzleistung treffen zu können, unvereinbar wäre. 
  • Dabei ließ der BGH allerdings offen, ob in Ausnahmefällen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht doch etwas anderes gelten könne und auch nach Ablauf einer Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung weiter Wiederherstellung verlangt werden kann – etwa, wenn der Anspruch auf Geldersatz nicht durchsetzbar ist, während derjenige auf Herstellung realisierbar ist.  

Praxistipp: Die Entscheidung verdeutlicht noch einmal den – sich bereits aus dem Gesetz ergebenden – Grundsatz des Schadensrechts, dass die geschädigte Partei es grundsätzlich selbst in der Hand hat, durch die Setzung einer angemessenen Frist zur Wiederherstellung und der Erklärung, nach Fristablauf kein Interesse mehr an dieser zu haben, den Wiederherstellungsanspruch in einen Geldersatzanspruch umzuwandeln. Wer von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, muss sich hieran (abgesehen von den möglichen o. g. Ausnahmen) allerdings auch festhalten lassen und kann sich nicht nach Belieben wieder umentscheiden. Zum Schadenersatz Berechtigte, deren primäres Interesse auf eine Kompensation in Geld gerichtet ist, sollten darauf achten, dass die zusammen mit der Fristsetzung erforderliche „Ablehnungsandrohung“ klar formuliert ist. Die bloße Ankündigung, sich nach Fristablauf die Ablehnung der Wiederherstellung vorzubehalten, reicht hierfür z. B. nicht aus. 

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Einzelkaufleute handeln im Zweifel privat

(BGH, Urteil v. 10. November 2021 – VIII ZR 187/20)

  • Kann nicht aufgeklärt werden, ob ein (Einzel-)Kaufmann oder eine (Einzel-)Kauffrau ein Rechtsgeschäft als Verbraucher bzw. Verbraucherin oder im Rahmen seiner oder ihrer gewerblichen Tätigkeit abschließt, kommt nach einer aktuellen BGH-Entscheidung nicht die Vermutungsregel des § 344 Abs. 1 HGB zum Tragen, wonach die von Kaufleuten vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb ihres Handelsgewerbes gehörig gelten. Das rechtsgeschäftliche Handeln einer natürlichen Person ist danach vielmehr nach § 13 BGB grundsätzlich als Verbraucherhandeln anzusehen, da diese Regelung als die jüngere und für den Bereich des hier einschlägigen Verbraucherrechts speziellere Vorschrift vorrangig sei. 
  • Es bestehe keine allgemeine Vermutung, dass alle Rechtsgeschäfte einer unternehmerisch tätigen natürlichen Person „im Zweifel“ ihrem geschäftlichen Bereich zuzuordnen seien. Dies gelte für Freiberufler ebenso wie für Einzelkaufleute. Ein entsprechender auf alle selbständig Erwerbstätigen anzuwendender allgemeiner Rechtsgedanke sei der Vorschrift des § 344 Abs. 1 HGB nicht zu entnehmen. 
  • Die auf Verbraucherschutz ausgerichteten Bestimmungen in §§ 13, 14 BGB verfolgten ein anderes Regelungsziel als die auf Publizität und Vertrauensschutz gerichtete Vermutungsregel des § 344 HGB. Die verschiedenen Regelungsziele des auf europäischen Vorgaben basierenden Verbraucherrechts einerseits und des auf dem nach deutschem Handelsrecht gebotenen Vertrauensschutz ausgerichteten § 344 Abs. 1 HGB andererseits verböten eine Verschränkung dieser Regelungsbereiche.

Praxistipp: Die Frage, ob es sich bei einem Vertragspartner um einen Unternehmer oder um einen Verbraucher handelt, ist für gewerbliche Verkäufer von entscheidender Bedeutung, da das Verbraucherschutzrecht Unternehmern im B2C-Bereich deutlich erweiterte Pflichten auferlegt. Die zum 1. Januar 2022 erfolgte Reform des BGB hat diese noch einmal erheblich erweitert, im Mai treten weitere Verschärfungen in Kraft (s.u. (Weitere) Modernisierung des Verbraucherschutzrechts – geänderte Informationspflichten und Bußgeldrisiken ab Mai 2022). Für die Abgrenzung, ob eine natürliche Person ein Rechtsgeschäft „privat“ oder in Ausübung ihrer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit abschließt, kommt es auf die objektiv erkennbare Zweckrichtung des Geschäfts an. Unklarheiten gehen dabei zulasten des gewerblichen Verkäufers, da im Zweifel von einem Verbraucherhandeln auszugehen ist. Verkäufern, deren Geschäftsmodell ausschließlich auf B2B-Verkäufe ausgelegt ist, ist daher zu empfehlen, dies ausreichend zu kommunizieren und in Zweifelsfällen gegebenenfalls eine entsprechende Erklärung des Kunden einzuholen, in welcher Funktion er das Rechtsgeschäft abzuschließen beabsichtigt. 

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Verbotene Diskriminierung durch Auswahlmöglichkeit von nur zwei Geschlechtern in Onlineshop

(OLG Karlsruhe, Urteil v. 14. Dezember 2021 – 24 U 19/21)

  • Wenn in einem Onlineshop beim Registrierungsvorgang nur eine Auswahlmöglichkeit zwischen den Anreden „Frau“ oder „Herr“ besteht, benachteiligt dies Personen nichtbinärer Geschlechtsidentität und verletzt sie in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. 
  • Das OLG Karlsruhe nahm für einen derartigen Sachverhalt einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das auch außerhalb des Arbeitsrechts bei zivilrechtlichen, ohne Ansehung der Person geschlossenen Schuldverhältnissen gilt, sowie eine Persönlichkeitsrechtsverletzung an, da Personen, die weder weiblich noch männlich zugeordnet sind, den Kaufvorgang nicht abschließen konnten, ohne im dafür vorgesehenen Feld eine Angabe zu machen, die der eigenen geschlechtlichen Identität nicht entspricht. 
  • Einen Anspruch auf Ersatz eines deswegen behaupteten immateriellen Schadens verneinte das OLG Karlsruhe jedoch, weil die festgestellte Diskriminierung im konkreten Fall nicht die für einen Entschädigungsanspruch erforderliche Intensität erreicht habe.

Praxistipp: In einem ähnlich gelagerten Fall hatte das LG Frankfurt Ende 2020 einen AGG-Verstoß noch verneint und „nur“ einen Verstoß gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht angenommen (siehe dazu unseren Blogbeitrag LG Frankfurt: Keine Anrede entgegen der geschlechtlichen Identität). Onlineshopbetreiber sollten – unabhängig von der konkreten rechtlichen Einordnung – darauf achten, Angaben zum Geschlecht und zur Anrede nur auf freiwilliger Basis abzufragen (sofern diese für die Vertragsdurchführung nicht zwingend erforderlich sind) und die Möglichkeit einer geschlechtsneutralen Anrede anzubieten. 

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Handelsvertreter kann Prinzipal keine Vorgaben zur Abrechnung machen

(OLG Hamm, Urteil v. 13. Dezember 2021 – 18 U 31/21)

  • Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein Handelsvertreter im Rahmen des Abrechnungsanspruchs aus
    § 87c Abs. 1 HGB dem Unternehmer keine Vorgaben dahingehend machen kann, dass sich die Abrechnung auf bestimmte Geschäfte beziehen oder auf der Basis eines bestimmten Provisionssatzes erfolgen müsse. 
  • Die vom Unternehmer geschuldete Provisionsabrechnung enthalte die Mitteilung, in welcher Höhe einem Handelsvertreter nach der Auffassung des Unternehmers ein Provisionsanspruch zustehe und wie dieser sich zusammensetzt und errechnet. Daher genüge der Unternehmer auch bei Unstimmigkeiten über den anwendbaren Provisionssatz seiner Abrechnungspflicht, wenn er von demjenigen Provisionssatz ausgeht, den er für zutreffend hält. 
  • Denn da eine Abrechnung nach der Rechtsprechung regelmäßig als ein (abstraktes) Schuldanerkenntnis anzusehen ist, würde eine Verpflichtung des Unternehmers zur Abrechnung auf der Basis anderer Provisionssätze bedeuten, dass er sich zu Provisionen verpflichten müsste, von denen er selbst gar nicht ausgeht, sie zahlen zu müssen. 
  • Aus dem gleichen Grund könne dem Unternehmer auch nicht vorgeschrieben werden, dass sich die Abrechnungen auf einen bestimmten Kreis von Geschäften zu erstrecken haben. Denn es sei Sache des Unternehmers, sich selbst darüber klar zu werden, welche Provisionsansprüche des Handelsvertreters ihm gegenüber bestehen, über die er abzurechnen hat. Soweit der Unternehmer solche Ansprüche erkenne, müsse die darüber zu fertigende Abrechnung allerdings all diejenigen Informationen enthalten, die es dem Handelsvertreter ermöglichen, die einzelnen provisionspflichtigen Geschäfte zu identifizieren und die Berechnung der Provision zu überprüfen. 

Praxistipp: Die Entscheidung stärkt die Position von Unternehmern im Hinblick auf den Abrechnungsanspruch des Handelsvertreters und präzisiert zugleich noch einmal die inhaltlichen Anforderungen an die Abrechnung. Anzugeben ist nach dem OLG Karlsruhe, welche Geschäfte mit welchen Kunden im jeweiligen Abrechnungszeitraum durchgeführt worden sind, was der Provisionswert (Warenpreis) ist und welchen Provisionsbetrag der Handelsvertreter aus Sicht des Unternehmers fordern kann. Vorschüsse und zwischenzeitlich entfallene Provisionen sind in Abzug zu bringen. Besondere Betonung findet in dem Urteil auch, dass diese Inhalte vom Unternehmer zur Verfügung zu stellen sind, ohne dass es eines entsprechenden ausführlichen Antrags des Handelsvertreters bedarf.

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Kein Anspruch auf stichtagsmäßig bestimmte Vergütung bei coronabedingter Verschiebung des Transferfensters

(LG Bremen, Urteil v. 31. Januar 2022 – 8 O 2016/20)

  • Ist in einem Spielervermittlungsvertrag zwischen der Spielervermittlungsagentur und dem aufnehmenden Club vereinbart, dass der gestaffelte Provisionsanspruch für die neue Spielzeit immer dann fällig wird, wenn der Spieler am 31. August, also dem Ende des regulären Sommertransferfensters, beim Club angestellt ist, ist diese Regelung bei einer pandemiebedingten Verschiebung des Transferfensters ergänzend dahingehend auszulegen, dass die Provision nur zum Zeitpunkt des tatsächlichen Endes des (verschobenen) Transferfensters fällig wird. Wechselt der Spieler zwar nach dem 31. August 2020, aber vor dem Ende des verschobenen Transferfensters (hier dem 5. Oktober 2020), besteht insoweit kein Anspruch auf Vergütung.
  • Konnten die von der Beständigkeit der datumsmäßigen Festlegung des Schlusses des Sommertransferfensters auf den 31. August eines jeden Jahres ausgehenden Vertragsparteien eine coronabedingte Verschiebung des Transferfensters nicht voraussehen, entspricht es dem Regelungsplan des Vertrags und einer interessengerechten Auslegung, dass trotz der eindeutigen vertraglichen Regelung auf das tatsächliche Ende des Transferfensters abzustellen ist. 

Praxistipp: Die Entscheidung des LG Bremen hat die praxisrelevante Frage der rechtlichen Folgen einer pandemiebedingten Verschiebung des Transferfensters für den Bereich der Spielervermittlung beantwortet und so für Rechtssicherheit gesorgt. Gleichwohl ist bei einer stichtagsmäßig bestimmten Fälligkeitsregelung, die eigentlich das regelmäßig auf diesen Stichtag fallende Ereignis meint, nicht nur für Verträge mit Spielervermittlern zu empfehlen, insoweit eine klarstellende Regelung in den Vertrag aufzunehmen.

Die Entscheidung ist auch Thema der Auftaktfolge unserer neuen Podcast-Staffel „Law & Sports“. Die Rechtsanwälte der CMS Sports GroupDr. Robert Budde und Philipp Rohdenburg, berichten aus erster Hand über das Urteil und seine Auswirkungen.

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Gesetzgebung und Trends

(Weitere) Modernisierung des Verbraucherschutzrechts – geänderte Informationspflichten und Bußgeldrisiken ab Mai 2022

(Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche in Umsetzung der EU-Richtlinie zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union […] vom 10. August 2021)

  • Nachdem das BGB zum 1. Januar 2022 bereits weitreichende Änderungen erfahren hat, treten am 28. Mai 2022 weitere Gesetzesänderungen in Kraft, die insbesondere den B2C-Bereich betreffen. Die Neuregelungen dienen der Umsetzung der sog. „Omnibus-Richtlinie“, die als Teil des europäischen „New Deal for Consumers“ eine Verbesserung und Modernisierung der europäischen Verbraucherschutzvorschriften zum Ziel hat. 
  • Die Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht erfolgt auf zivilrechtlicher Ebene durch Änderungen des BGB und des EGBGB. Die außerdem in der Richtlinie enthaltenen wettbewerbsrechtlichen Aspekte werden durch eine ebenfalls am 28. Mai 2022 in Kraft tretende Reform des UWG und der Gewerbeordnung umgesetzt (wir berichteten zuletzt im Update Commercial 12/2020 über die entsprechenden Referentenentwürfe). 
  • Im Hinblick auf die Vertragsanbahnung und -durchführung mit Verbraucherinnen und Verbrauchern müssen sich Unternehmer im Onlinehandel oder bei anderen Formen des Fernabsatzes auf erweiterte Informations- und Hinweispflichten einstellen. Unter anderem sind Änderungen an Kontaktinformationen und Widerrufsbelehrung erforderlich und es besteht künftig eine Hinweispflicht bei der Verwendung von personalisierten Preisen. Zudem ergeben sich verschiedene Änderungen in Bezug auf den Widerruf von Verträgen. Neue Pflichten gelten ab Mai auch für Betreiber von Online-Marktplätzen. Hier müssen Verbraucherinnen und Verbraucher bald z. B. über die wesentlichen Parameter für das Zustandekommen von Suchrankings und Maßnahmen zur Authentizitätsprüfung von Kundenbewertungen informiert werden. 
  • Die wohl folgenschwerste Änderung liegt in der Einführung von Bußgeldandrohungen für Verstöße gegen das Verbraucherschutzrecht. Entsprechend den Minimalvorgaben der Omnibus-Richtlinie können für einen umfangreichen Katalog von Verstößen gegen verbraucherschützende Vorschriften künftig Bußgelder von bis zu EUR 50.000 oder – für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über EUR 1,25 Mio. in den betroffenen Staaten – von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes verhängt werden, wenn diese Verstöße sich in mehreren EU-Mitgliedstaaten auswirken. Kann der Jahresumsatz nicht ermittelt und auch nicht geschätzt werden, kann das Bußgeld bis zu EUR 2 Mio. betragen. Besonders kritisch dürften in diesem Zusammenhang z. B. fehlerhafte Informationen im Onlinehandel und die Verwendung bestimmter unwirksamer AGB-Klauseln sein. 

Praxistipp: Unternehmen mit B2C-Geschäft sollten sich zeitig mit den Neuregelungen befassen, um erforderliche Änderungen an ihren Vertragsdokumenten oder sonstigen Informationen rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Änderungen umsetzen zu können. Hierbei bietet es sich insbesondere an, den eigenen Außenauftritt sowie die verwendeten Vertragsunterlagen im Hinblick auf mögliche Verstöße gegen den Katalog der künftig – jedenfalls im internationalen Bereich – bußgeldbewehrten Verletzungen von Verbraucherinteressen zu überprüfen. 

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EU will „Recht auf Reparatur“ einführen

(Pressemitteilung der EU-Kommission vom 12. Januar 2022)

  • Die EU-Kommission hat am 11. Januar eine öffentliche Konsultation über den nachhaltigen Konsum von Gütern eingeleitet. Die Konsultation ist Teil der Initiative „Nachhaltiger Konsum von Gütern – Förderung von Reparatur und Wiederverwendung, die u. a. durch ein „Recht auf Reparatur“ eine nachhaltigere Nutzung von Gütern während ihrer gesamten Nutzungsdauer fördern soll. Basierend auf den Ergebnissen wird die Kommission Maßnahmen prüfen, die eine Reparatur defekter Produkte während und nach der gesetzlichen Gewährleistungsfrist fördern.
  • Nach einer im Vorfeld von der Kommission veröffentlichten Sondierung kommen hierfür z. B. ein Vorschlag für eine Änderung der Warenkauf-Richtlinie sowie möglicherweise ein gesonderter neuer Legislativvorschlag zum Recht auf Reparatur in Betracht. Als mögliche Änderungen zur bisherigen Rechtslage werden beispielsweise eine Verlängerung der gesetzlichen Gewährleistungsfristen, ein Vorrang der Reparatur mangelhafter Produkte vor einer Neulieferung eines mangelfreien Produktes, der Neubeginn der Gewährleistungsfristen nach einer Reparatur oder die Möglichkeit der Neulieferung durch überholte Ware erwogen. Daneben soll über die Einführung eines neuen Rechts auf Reparatur über die gesetzlichen Gewährleistungszeiträume hinaus beraten werden. 
  • Die Konsultation läuft bis zum 5. April 2022. Ein entsprechender Regelungsvorschlag soll im 3. Quartal 2022 veröffentlicht werden.

Praxistipp: Produkte nachhaltiger zu gestalten ist auch ein Anliegen der Ampel-Regierung. Laut Koalitionsvertrag will sie sich u. a. dafür einsetzen, Nachhaltigkeit zum Standard bei Produkten zu machen und ein Recht auf Reparatur einzuführen. Für langlebige Güter soll eine flexible Gewährleistungsdauer eingeführt werden, die sich an der vom Hersteller oder der Herstellerin bestimmten Lebensdauer des Produkts orientiert. Ob dies primär über eine entsprechende Einflussnahme auf den europäischen Gesetzgebungsprozess erfolgen soll, oder neben den EU-Vorgaben auch eine eigene Reglung für Deutschland in Betracht kommt, bleibt abzuwarten. 

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