08/12/2021
Rechtsprechungsänderung im Rahmen der Vorsatzanfechtung
Vorsatzanfechtung: Risiko für Gläubiger Für Gläubiger kann sich die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO als ein lang andauerndes Risiko darstellen. Denn der Zeitraum, in dem Rechtshandlungen des Schuldners gemäß § 133 InsO angefochten werden können, beträgt bis zu zehn Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Vorsatzanfechtung war daher eines der „schärfsten Schwerter“ des Insolvenzverwalters (oder Sachwalters bei einem Eigenverwaltungsverfahren). Der Insolvenzverwalter muss dabei die subjektiven Elemente nachweisen, nämlich zum einen, dass der Schuldner den Vorsatz hatte, seine Gläubiger zu benachteiligen, und zum anderen, dass der Anfechtungsgegner Kenntnis hiervon hatte. Da subjektive Elemente naturgemäß im Prozess nur schwer zu beweisen sind, hat der Bundesgerichtshof hierfür sogenannte Beweisanzeichen (Indizien) entwickelt. Die Indizien sind im Rahmen der Beweiswürdigung des Gerichtes (§ 286 ZPO) zu gewichten. Dass die Beweisanzeichen im Rahmen der freien Beweiswürdigung keinesfalls einen schematischen Schluss zulassen, hat der BGH in seiner aktuellen Entscheidung noch einmal bestätigt und die Anforderungen für den Nachweis der vom (später insolventen) Schuldner erkannten (drohenden) Zahlungsunfähigkeit erhöht. Bisheriger Standpunkt des BGH Der BGH hat bisher insbesondere den Standpunkt vertreten, dass ein künftiger Schuldner, der zahlungsunfähig ist und dies erkennt, in aller Regel mit Benachteiligungsvorsatz handele. Daher sei ein Anfechtungsgegner, der die Zahlungsunfähigkeit des künftigen Schuldners kenne, in der Regel auch über dessen Benachteiligungsvorsatz im Bilde. Dies war besonders bei kongruenten Deckungshandlungen des Schuldners relevant. Dies sind Leistungen des Schuldners, auf die der Anfechtungsgegner einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch hat, wie zum Beispiel die Bezahlung einer Lieferung oder die Rückzahlung eines Darlehens. Das Indiz der beiderseits erkannten Zahlungsunfähigkeit führte dann zu folgendem Zustand: Der Insolvenzverwalter konnte Zahlungen regelmäßig nicht nur nach der Vorschrift des § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag anfechten, sondern auch gemäß § 133 InsO innerhalb eines Zeitraums der letzten vier Jahre, weil er den Benachteiligungsvorsatz und Kenntnis des Anfechtungsgegners nachweisen konnte. Neuausrichtung durch Urteil vom 6. Mai 2021 Dem BGH-Urteil vom 6. Mai 2021 liegt die Anfechtung eines Ordnungsgeldes in Höhe von EUR 2.500 zugrunde. Der BGH hat die Entscheidung der vorigen Instanz aufgehoben, weil zum einen Tatsachen ermittelt werden mussten und zum anderen die Regeln zum Vollbeweis der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht richtig angewendet wurden. Das Gericht hat am Ende des Urteils eine Rechtsprechungsänderung eingeleitet und dem Berufungsgericht sogenannte Segelanweisungen gegeben. Hiernach reicht es nun nicht mehr aus, dass Schuldner und Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erkannt haben. Dieses Indiz muss dahingehend erweitert werden, dass der Schuldner weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass er auch künftig nicht dazu in der Lage sein wird, alle seine Gläubiger befriedigen zu können. Es genügt also etwa nicht, dass die Liquiditätslage nur im Zeitpunkt der Zahlung schlecht ist. Dies berücksichtigt nach Auffassung des BGH nicht, dass es aus verschiedenen Gründen berechtigte Hoffnung geben kann, dass sich die Liquiditätslage wieder verbessert. Solche Gründe könnten beispielsweise darin bestehen, dass Gläubiger ihre Sanierungswilligkeit angezeigt haben oder dass der Geschäftsbetrieb des Schuldners saisonale Schwankungen aufzeigt. Im zu entscheidenden Fall war auch zu berücksichtigen, dass sich die Zahlungseinstellung nur auf eine verhältnismäßig geringe Deckungslücke bezog. Der BGH hat weiter ausgeführt, dass auch die Kenntnis von der nur drohenden Zahlungsunfähigkeit ein Beweisanzeichen sein kann. Es müssen dann jedoch in der Regel weitere Umstände hinzutreten, um den Anforderungen für den Beweis des Benachteiligungsvorsatzes und der Kenntnis hiervon gerecht zu werden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn mit den vorhandenen Mitteln nur noch bestimmte (Alt-)Gläubiger befriedigt werden oder wenn Forderungen von Lieferanten und aus dem laufenden Geschäftsbetrieb nicht mehr bezahlt werden. Auch wiederholte Mahnungen und Vollstreckungsdruck bei Zahlungsverzug gehören dazu. Fazit und Folgen für die Praxis Für die Praxis bedeutet dies, dass Insolvenzverwalter bei der Anfechtung von kongruenten Handlungen, die länger als drei Monate zurückliegen, eine stärkere Nachweislast trifft. Ein bloßer Nachweis durch eine Liquiditätsbilanz, dass die Mittel des Schuldners nicht zur Deckung der Verbindlichkeiten ausreichten, genügt nicht mehr. Die Liquiditätslage des Schuldners muss auch für die Zukunft analysiert werden. Zudem werden die Anfechtungsmöglichkeiten bei einer lediglich drohenden Zahlungsunfähigkeit eingeschränkt. Verwalter müssen bei einer beiderseits erkannten drohenden Zahlungsunfähigkeit weitere Umstände vortragen, um das Gericht vom Vorliegen eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes zu überzeugen.
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