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Sperrung von Bankkonten des Schuldners im Ausland

2014-07

Die Minister der EU-Mitgliedstaaten haben durch Bestätigung der Verordnung zur Einführung des Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, die unmittelbar in allen Mitgliedstaaten (außer Großbritannien und Dänemark) anzuwenden ist, eine leichtere grenzüberschreitende Eintreibung von Forderungen ermöglicht. Obwohl die Verordnung bereits im Juli in Kraft trat, wird sie mit Ausnahme des Artikels 50 erst ab dem 18. Januar 2017 angewandt. Der Artikel 50, der die von den Mitgliedstaaten bereitzustellenden Informationen festlegt, ist bereits ab dem 18. Juli 2016 anzuwenden. Die Anwendung der Verordnung ist auf grenzüberschreitende Streitigkeiten begrenzt, also nur auf Fälle, in denen sich das Gericht, welches mit dem Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses befasst ist, oder der Wohnsitz des Gläubigers in einem anderen Mitgliedstaat als das betreffende Bankkonto befindet.

Die Verordnung ist ein neuer Schritt zur Verbesserung der Zahlungsmoral, da sie ermöglicht, dass Gläubiger auf dem Gerichtsweg Bankkonten des Schuldners innerhalb der EU sperren lassen, ohne dass der Schuldner dies zuvor erfährt und das Geld rechtzeitig in einen anderen Staat überträgt. Der Europäische Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (im weiteren Text: "Beschluss") ist auf die Sicherung von Konten ausgerichtet – er sperrt das Konto des Schuldners, ohne dabei eine Auszahlung an den Gläubiger zu ermöglichen. Diese kann erst nach der endgültigen Entscheidung des Gerichts erfolgen. Die Verordnung sieht Standardformulare zur Erwirkung des Beschlusses in allen Sprachen der EU vor, was die Übersetzungskosten verringert.

Der Zweck der Verordnung besteht darin, den Gläubigern Folgendes zu ermöglichen:

  • die Erwirkung des Beschlusses unter gleichen Bedingungen ungeachtet des Staates, in dem das zuständige Gericht seinen Sitz hat, und
  • die Einholung von Informationen darüber, wo sich die Bankkonten ihrer Schuldner befinden.

Das Verfahren zur Erwirkung des Beschlusses ist in zwei Fällen möglich:

a) bevor der Gläubiger in einem Mitgliedstaat ein Verfahren gegen den Schuldner in der Hauptsache einleitet, oder während eines solchen Verfahrens, bis die gerichtliche Entscheidung erlassen oder ein gerichtlicher Vergleich gebilligt oder geschlossen wird;

b) nachdem der Gläubiger in einem Mitgliedstaat eine gerichtliche Entscheidung, einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt hat, mit der bzw. dem der Schuldner aufgefordert wird, die Forderung des Gläubigers zu erfüllen.

Falls der Gläubiger den Beschluss beantragt, bevor er einen Vollstreckungstitel erwirkt hat, muss er beweisen, dass über die Forderung gegen den Schuldner in der Hauptsache voraussichtlich zugunsten des Gläubigers entschieden werden wird; er muss seinen Antrag also mit ausreichenden Beweisen stützen. In beiden Fällen (a und b oben) muss der Gläubiger beweisen, dass eine Sicherungsmaßnahme in Form eines Beschlusses dringend erforderlich ist, weil die tatsächliche Gefahr besteht, dass ohne diese Maßnahme die spätere Vollstreckung der Gerichtsentscheidung unmöglich oder sehr erschwert wird. Laut Präambel der Verordnung sind Kontoabhebungen, Ausgaben des Schuldners zur Erhaltung seiner normalen Geschäftstätigkeit, regelmäßige Ausgaben für seine Familie oder eine schlechte Finanzlage des Schuldners an sich nicht unüblich und gelten nicht als ausreichender Beweis, um den Erlass eines Beschlusses zu rechtfertigen. Um einen Missbrauch des Verfahrens zur Erlassung des Beschlusses zu verhindern, verlangt das Gericht vom Gläubiger, falls dieser noch keinen Vollstreckungstitel erwirkt hat, eine Sicherheit für den Ersatz des eventuellen Schadens, den der Schuldner erleiden könnte, wenn der Beschluss später aus Gründen aufseiten des Gläubigers widerrufen oder seine Vollstreckung beendet wird (wenn also der Gläubiger für den Schaden verantwortlich ist). Falls der Gläubiger bereits einen Vollstreckungstitel erwirkt hat, kann das Gericht von ihm eine Sicherheitsleistung verlangen, wenn es meint, dass dies in Anbetracht der Umstände des Falles erforderlich und angemessen ist.

Der Gläubiger haftet für etwaige Schäden, die dem Schuldner durch den Beschluss zur vorläufigen Pfändung aufgrund eines Verschuldens des Gläubigers entstanden sind. Die Beweislast liegt beim Schuldner.

Ein in einem Mitgliedstaat erlassener Beschluss wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf, und ist in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. Nachdem der Gläubiger den Beschluss erwirkt hat, übermittelt das Gericht ihn an die Banken in allen Staaten, in denen der Schuldner Konten unterhält. Die Bank sperrt das Konto oder pfändet vorläufig einen Teil des Geldes auf dem Konto, während der Schuldner über den übrigen Teil verfügen kann. Um aber auch tatsächlich auf die Gelder des Schuldners zurückgreifen zu können, muss der Gläubiger einen rechtskräftigen Vollstreckungstitel oder eine entsprechende rechtskräftige Gerichtsentscheidung (gemäß dem nationalen Recht) erwirken.

Hat der Gläubiger einen Vollstreckungstitel erwirkt und hat der Gläubiger Grund zu der Annahme, dass der Schuldner ein oder mehrere Konten bei einer Bank in einem bestimmten Mitgliedstaat unterhält, wobei ihm aber weder der Name der Bank noch die Kontonummer bzw. eine andere Information zur Identifizierung der Bank bekannt sind, so kann er bei dem Gericht, bei dem der Beschluss beantragt wurde, den Antrag stellen, die Auskunftsbehörde des Mitgliedsstaates der Beschlussvollstreckung um Einholung der erforderlichen Informationen zu ersuchen. Einen solchen Antrag kann der Gläubiger im Falle einer noch nicht vollstreckbaren Gerichtsentscheidung nur dann stellen, wenn es sich um einen vorläufig zu pfändenden Betrag von erheblicher Höhe handelt und der Gläubiger ausreichende Beweismittel darüber vorgelegt hat, dass die Informationen dringend erforderlich sind, da sonst die spätere Vollstreckung der Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner wahrscheinlich gefährdet ist, und dies in der Folge zu einer wesentlichen Verschlechterung der finanziellen Lage des Gläubigers führen könnte. Der Gläubiger stellt den Antrag mit dem Formular für die Beantragung des Beschlusses. Zur Einholung der Informationen bedient sich die Auskunftsbehörde des Mitgliedstaates der Vollstreckung einer der Methoden, die gemäß nationalem Recht zur Verfügung stehen.

Der Schuldner kann erst nach der Sperrung der Konten eine Beurteilung, ob der Beschluss gerechtfertigt ist, bei den Gerichten des Mitgliedstaates des Ursprungs des Beschlusses beantragen. Ist die Beschwerde des Schuldners begründet, hebt das Gericht die Sperrung auf, andernfalls bleibt sie aufrecht. Eine andere Regel bezüglich der Zuständigkeit gilt für bestimmte Kategorien von Schuldnern, bei denen im Allgemeinen angenommen wird, dass sie im Streitfall die "schwächere Partei" sind – Verbraucher, Arbeitnehmer und Versicherte. Diese Schuldner können eine Beschwerde gegen den Beschluss beim Gericht desjenigen Mitgliedstaates einlegen, in dem sich ihr Wohnsitz befindet.

Der Beschluss stellt somit eine vorläufige Sicherung dar, falls begründeterweise angenommen werden kann, dass der Gläubiger in Gerichtsverfahren gegen den Schuldner obsiegen wird, so dass er mit dem Beschluss die Möglichkeit erhält, seine Forderung vor einer Übertragung des Vermögens des Schuldners in einen anderen EU-Staat abzusichern.