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Was ändert sich durch die neuen Zwangsvollstreckungsregeln für die Gläubiger?

2014-06

Am 30. Juli 2014 trat die Novelle des Gesetzes über Zwangsvollstreckung und Sicherung (ZIZ-J) in Kraft, welche die Situation der Zwangsvollstreckungsverfahren verbessern und ihre Effizienz erhöhen soll.

Sie bringt zahlreiche Neuerungen, unter denen an erster Stelle die neue Regelung der Immobilienzwangsvollstreckung zu nennen ist, die den Gläubigern die Möglichkeit bietet, die Art des Verkaufs zu wählen und dadurch einen höheren Kaufpreis bzw. einen schnelleren Verkauf zu erzielen sowie Grundschulden aufgrund einer Offenbarung der Identität des Inhabers der Grundschuld erfolgreich anzufechten. Durch Einführung eines speziellen Bekanntgabeverfahrens wird das Gericht künftig die Inhaber von Grundschuldbriefen auffordern, dem Gericht innerhalb von 3 Monaten ihre Daten mitzuteilen und den Grundschuldbrief im Original vorzulegen. Andernfalls tritt die Vermutung ein, dass es sich beim Inhaber des Grundschuldbriefes um den Eigentümer der Immobilie handelt. In der Novelle ist festgelegt, dass trotz Ablauf der im Schuldrechtsgesetzbuch (OZ) bestimmten Frist die vom Schuldner vorgenommenen Rechtshandlungen der Begründung einer Grundschuld bzw. des Verfügens über die Grundschuld durch Klage angefochten werden können, wenn der Gläubiger oder jemand anders die Grundschuld spätestens im Verteilungstermin anficht.

Möchte sich der Gläubiger aus dem Kaufpreis befriedigen, der beim Verkauf einer Immobilie erzielt wird, bei welcher eine Hypothek zu seinen Gunsten eingetragen ist, so muss er bei der Zwangsvollstreckung aktiv mitwirken. Die Novelle erlegt ihm nämlich die Pflicht auf, seine Forderung spätestens im Verteilungstermin anzumelden. Ein Pfandgläubiger, der seine Forderung nicht rechtzeitig anmeldet, verliert seine Forderung gegen den Schuldner zwar nicht, wohl aber verliert er das Pfandrecht an der betreffenden Immobilie, also den Anspruch auf Befriedigung aus dem Wert dieser (verpfändeten) Immobilie. Mehr zur Änderung der Immobilienzwangsvollstreckung finden Sie in unserem Artikel »Vorgeschlagene Änderungen der Immobilienzwangsvollstreckung«.

Bei Insolvenz des Schuldners beantragte der Gläubiger nach der bisherigen Regelung, wenn er die Einstellung der Zwangsvollstreckung wegen erfolglosen Vollstreckungsmitteln verhindern wollte, einen Aufschub der Zwangsvollstreckung. Zu diesem Zweck stellte das Gericht den Aufschub der Zwangsvollstreckung dem Schuldner zu und setzte ihm eine Frist, in welcher er sich zum Aufschub zu äußern hatte. Falls die Sache bereits vom Gerichtsvollzieher übernommen worden war, musste der Gläubiger den Antrag auf Aufschub beim Gerichtsvollzieher einreichen, welcher den Antrag des Gläubigers dem Schuldner zur Stellungnahme sandte. In der Praxis erwies sich eine solche Einholung der Stellungnahme des Schuldners als langwierig, weshalb die Novelle zwecks Beschleunigung des Verfahrens die Regelung eingeführt hat, dass der Gläubiger, der den Aufschub der Zwangsvollstreckung beantragt, die Zustimmung des Schuldners zum Aufschub einholt. Somit wird das Gericht der neuen Regelung zufolge eine bereits begonnene Zwangsvollstreckung aufschieben, wenn der Gläubiger, der den Aufschub beantragt, eine Urkunde vorlegt, aus der die Zustimmung des Schuldners zum Aufschub hervorgeht. Bei einer Zwangsvollstreckung auf eine Immobilie muss der Gläubiger auch eine schriftliche Zustimmung der übrigen Gläubiger, auf deren Antrag die Zwangsvollstreckung auf die Immobilie genehmigt wurde, vorlegen. Der Gläubiger kann einen Aufschub nur ein einziges einmal beantragen, und zwar für längstens ein Jahr. Wenn der Gläubiger einen Aufschub um mehr als ein Jahr beantragt, wird die Zwangsvollstreckung eingestellt, wobei der Gläubiger das Pfandrecht am Vollstreckungsgegenstand behält und das Gericht den Vermerk des Zwangsvollstreckungsbeschlusses im Grundbuch oder im Handelsregister bzw. eine bereits durchgeführte Pfändung von Mobilien nicht aufhebt. Dadurch wird der Rechtsschutz des Gläubigers durch ein zwangsweises Pfandrecht gewährleistet, wobei dieser auch die Möglichkeit hat, im Rahmen der Verjährungsfrist erneut eine Zwangsvollstreckung zu beantragen.

Nach der bisherigen Regelung galt, dass der Gläubiger im Falle einer erfolglosen Pfändung, wenn sich keine Sachen finden lassen, die Gegenstand der Vollstreckung sein könnten, bzw. wenn die gepfändeten Sachen nicht zur Befriedigung der Forderung des Gläubigers ausreichen, innerhalb von drei Monaten ab der ersten Pfändung eine erneute Pfändung beantragen muss, andernfalls wird die Zwangsvollstreckung eingestellt. Die Novelle erlegt diese Pflicht den Gläubigern nun auch dann auf, wenn der Gerichtsvollzieher die Pfändung gar nicht durchführt, weil der Schuldner nicht anwesend ist oder den Raum nicht öffnen will.

Eingeführt wurde ferner die obligatorische Einstellung der Zwangsvollstreckung auf das Arbeitsentgelt und andere ständige Einkünfte, falls der Schuldner ein Jahr vor oder nach Erhalt des Vollstreckungsbeschlusses keine pfändbaren Arbeitsentgelte oder sonstigen ständigen Einkünfte bezieht.

Die Novelle senkt auch den geschützten Betrag, auf den durch Zwangsvollstreckung nicht zugegriffen werden kann, und zwar vom Betrag des vollen Mindestlohns auf den Betrag von 70 % des Mindestlohns. Bei der Forderungseintreibung aus gesetzlichen Unterhaltszahlungen und Schadenersatzleistungen für entfallene Unterhaltszahlungen wegen Tod des Leistenden muss dem Schuldner mindestens ein Betrag von 50 % des Mindestlohns verbleiben. Wenn der Schuldner ein Familienmitglied oder eine andere Person unterhält, zu deren Unterhalt er laut Gesetz verpflichtet ist, so muss ihm auch der Betrag verbleiben, der für die vom Schuldner unterhaltene Person bestimmt ist, und zwar nach den Kriterien gemäß dem Gesetz über Sozialleistungen, die sich auf die Gewährung finanzieller Sozialhilfeleistungen beziehen. Die Einschränkungen werden auch auf Tagegelder, Reisekosten und Jubiläumsprämien ausgeweitet, also auf alle Einkommen aus dem Arbeitsverhältnis im weiteren Sinne, wie sie im Einkommensteuergesetz definiert sind. Die erwähnten Einschränkungen gelten auch beim sogenannten "administrativen Auszahlungsverbot", bei dem der Schuldner gestattet, dass ein Teil seines Arbeitsentgelts gepfändet und an den Gläubiger ausgezahlt wird, und der Arbeitgeber dies bestätigt. Hinsichtlich der Reihenfolge hat das administrative Auszahlungsverbot nach der neuen Regelung die Rechtswirkung eines Beschlusses über eine Zwangsvollstreckung auf das Arbeitsentgelt des Schuldners, sobald es vom Arbeitgeber des Schuldners bestätigt wird.

Zum Schutz der Rechte des Kindes und zur effizienteren Eintreibung des Unterhalts schreibt die Gesetzesnovelle den absoluten Vorrang der Befriedigung von Forderungen aus dem gesetzlichen Unterhalt bei der Zwangsvollstreckung auf Geldforderungen vor, also vor allem bei der Zwangsvollstreckung auf das Arbeitsentgelt und andere ständige Einkünfte sowie bei der Zwangsvollstreckung auf Kontoguthaben bei Kreditinstituten.

Nach der neuen Regelung muss ein Dritter dem Gläubiger auf dessen Verlangen die Kosten erstatten, die er ihm ungerechtfertigt verursacht hat. Dies ist vor allem dann relevant, wenn ein Dritter vor dem Vermerk der Zwangsvollstreckung im Grundbuch über eine geeignete Urkunde zur Eintragung des Eigentumsrechts verfügte, die Eintragung aber unterließ und auf diese Weise die Gläubiger in einen Irrtum hinsichtlich der Eigentümerschaft an der Immobilie führte, weshalb diese eine Zwangsvollstreckung auf diese Immobilie beantragt haben.

Die Novelle schreibt eine neue Art von glaubwürdiger Urkunde vor, auf deren Grundlage eine Zwangsvollstreckung gestattet werden kann: Eine schriftliche Abrechnung der Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis kann künftig als glaubwürdige Urkunde die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung bilden.

Das bisherige Gesetz ermöglichte, dass ein Gläubiger seine Geldforderung durch ein Pfandrecht an Immobilien und durch ein Pfandrecht an Mobilien sichert. Die Novelle fügt den bisherigen Sicherungsmitteln ein neues hinzu, nämlich die Möglichkeit der Sicherung durch Erwerb des Pfandrechts an einem Geschäftsanteil. Der Gläubiger hat aufgrund eines Vollstreckungstitels, der auf eine Geldforderung lautet, das Recht, dessen Sicherung durch ein Pfandrecht an einem Geschäftsanteil des Schuldners zu verlangen, welches durch Eintragung in das Handelsregister aufgrund eines Sicherungsbeschlusses erlangt wird.