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Auftragssperren und Blacklisting durch multilaterale Entwicklungsbanken

2014-02

Die multilateralen Entwicklungsbanken, allen voran die Weltbank, haben ihren Kampf gegen Korruption und Betrug in den letzten Jahren wesentlich verschärft. Auch heimischen und mittelständischen Unternehmen droht Ungemach bei Compliance-Versagen.

1. Etablierung eines autonomen Sanktionsregimes

Multilateralen Entwicklungsbanken („MEB“) wie der Weltbank oder der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung kommt mit rund 100 Milliarden US-Dollar an jährlich vergebenen Krediten eine Schlüsselrolle in der Entwicklungshilfe zu. Nutz­nießer dieser gewaltigen Finanzströme sind freilich (auch) jene Unternehmen, die – hier sei insbesondere auf Infrastruktur­projekte verwiesen – von den Empfängern der Kreditmittel im Zuge von öffentlichen Ausschreibungen beauftragt werden.

Das Beispiel der Weltbank zeigt, wie die MEB vor diesem Hintergrund ein ernstzunehmendes Sanktionsregime, ein­schließlich eigener Straftatbestände, Ermittlungs- und Anklage­behörden sowie eines gerichtsähnlichen Spruchkörpers, geschaffen haben.

Die Strafdrohung – eine mehrjährige, kategorische Auftrags­sperre samt öffentlichkeitswirksamer Eintragung in eine „schwarze Liste“ – sollte auch heimische Unternehmen aufhorchen lassen.

2. Tatbestände

Die Tatbestände des Sanktionsregimes beziehen sich auf alle Projekte, die zumindest teilweise durch Mittel der MEB finanziert werden. Verboten sind jegliche Formen korrupten und betrüge­rischen Verhaltens, wozu insbesondere die Bestechung von Amtsträgern, Absprachen unter Bietern in den Vergabeverfahren oder das Einreichen unwahrer oder gefälschter Angebots­unterlagen gehört. Die Tatbestände sind äußerst weit gefasst, sodass nicht nur strafrechtlich sanktionierbares Verhalten eine Auftragssperre nach sich ziehen kann.

Strafbar ist es weiters auch, die Ermittlungen der Weltbank zu behindern, wozu es auch zählt, der Weltbank nicht alle relevanten Unterlagen (= Beweise) für das eigene Fehlverhalten offen zu legen.

3. Ermittlungen

Die Ermittlungen werden seitens der Weltbank von einer spezialisierten Abteilung namens „Integrity Vice Presidency“ geführt. Die Integrity verfügt über keine staatliche Zwangs­gewalt, kann jedoch erheblichen Druck ausüben, weil – wie erwähnt – mangelnde Kooperation in den Ermittlungen an sich schon zu einer Auftragssperre führen kann. Andererseits ist sie auch befugt, über Vergleiche zu verhandeln, für die geständigen und reuigen Unternehmen wesentliche Strafmilderung zuge­sichert wird. Die Ermittlungen der Weltbank sind gründlich, aufwendig und teuer für das betroffene Unternehmen, wobei sich die Ermittler auch forensischer Datenuntersuchung bedienen.

4. Strafen

Die von der Weltbank definierte „Standardstrafe“ ist eine dreijährige Auftragssperre (sog. „Debarment“), die einem Unternehmen verbietet, als Bieter, Subunternehmer oder auch als Zulieferer an irgendeinem von der Weltbank (mit-)finanzierten Projekt teilzunehmen. Zudem werden Strafen von über einem Jahr automatisch von den anderen MEB anerkannt und auf die eigenen Projekte erstreckt (sog. „Cross-Debarment“).

Eine geringere Strafe kann verhängt werden, wenn bestimmte Strafmilderungsgründe vorliegen, wobei hier insbesondere an ein Eingeständnis der Verantwortung, Kooperation bei den Ermitt­lungen und interne Sanktionen gegen die Verantwortlichen zu denken ist. Milderungsgründe können auch dazu führen, dass eine Auftragssperre bloß bedingt verhängt wird. Hierüber, sowie über etwaige Erschwerungsgründe, entscheidet in letzter Instanz das sogenannte „Sanctions Board“, ein gerichtsähnlicher Spruchkörper der Weltbank.

Alle Auftragssperren werden auf den Websites der MEB ver­öffentlicht (sog. „Blacklists“). Mit einer Auftragssperre ist so auch ein erheblicher Reputationsschaden verbunden, zumal die Compliance-Vorgaben zahlreicher Unternehmen, einschließlich Kreditinstitute, vorsehen, dass Geschäftspartner auf Einträge in derartigen Blacklists zu screenen sind.

5. Vergleiche

Während des gesamten Verfahrens, schon ab Einleitung vorläufiger Ermittlungen seitens der Integrity, besteht zudem die Möglichkeit, einen Vergleich mit der Weltbank abzuschließen. Die Weltbank strebt hierdurch einen schnellen Abschluss der Ermittlungen an, zumal ein Vergleich ein Eingeständnis der inkriminierten Handlungen enthält. Dem betroffenen Unter­nehmen wird hingegen erhebliche Strafminderung in Aussicht gestellt. In einem laufenden Verfahren hat sich ein Mandant unserer Kanzlei entschieden, diesen Weg zu beschreiten, wobei die Verhandlungen über die Bedingungen des Vergleichs noch andauern.

Auswirkungen auf die Praxis

Nimmt ein Unternehmen an Projekten teil, die durch die Weltbank oder andere Entwicklungsbanken finanziert werden, sollte es seine Compliance-Systeme unbedingt mit den sehr spezifischen Sanktionsregimen der Entwicklungsbanken abgleichen. Insbesondere betroffen sind Unternehmen im Infrastruktur-, Wasserversorgungs-, Energie-, Gesundheits- und Lebensmittelsektor, wobei die Erfahrung zeigt, dass auch mittelständische Unternehmen schnell und unerwartet ins Visier der Ermittler geraten können.

Autoren

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Rainer Wachter
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Arno Zimmermann
Partner
Wien