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Die „Gemeinschaftsmarke“ soll zur „europäischen Marke“ werden

2013-03

Durch eine Novelle der Gemeinschaftsmarkenverordnung (Verordnung (EG) Nr. 207/2009, GMV) und der Gebührenordnung des Harmonisierungsamtes (HABM) (Verordnung (EG) Nr. 2869/95) soll das Verfahren zur Registrierung einer Gemeinschaftsmarke, die künftig europäische Marke heißen soll, günstiger und schneller und der Markenschutz wirksamer werden.

Von den Ende März dieses Jahres von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlägen sind die nachfolgenden besonders hervorzuheben:

  • In der Markendefinition soll das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit gestrichen werden. Insbesondere soll auch eine Darstellung mit anderen technologischen Mitteln zulässig sein. Dies würde gerade bei nichtkonventionellen Markenformen wie Klangbildern (z. B. Darstellung in Form einer Klangdatei) zu einer präziseren Bestimmung der Marke und so zu mehr Rechtssicherheit führen (Art 4 GMV).
  • Die Einfuhr von Waren in die Europäische Union soll auch dann verboten sein, wenn lediglich der Versender aus kommerziellen Beweggründen handelt. Derart sollen Markeninhaber Unternehmen daran hindern können, außerhalb der Europäischen Union befindliche Waren, die an Private verkauft, ihnen angeboten oder an sie versendet wurden oder die Gegenstand einer an sie gerichteten Werbung waren, in die Europäische Union einzuführen. Dies würde insbesondere der Bestellung und dem Verkauf nachgeahmter Waren über das Internet entgegenwirken (Art 9 GMV).
  • Markeninhaber sollen ferner das Recht haben, Dritten zu verbieten, aus Drittstaaten stammende Waren, auf denen ohne Zustimmung des Markeninhabers eine Marke angebracht ist, die im Wesentlichen mit seiner für diese Waren eingetragenen europäischen Marke identisch ist, in das Zollgebiet der Europäischen Union zu verbringen, und zwar unabhängig davon, ob sie dort in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt werden. Diese Bestimmung würde die nachteiligen Auswirkungen der viel kritisierten Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Philips/Nokia (EuGH 1.12.2011, C-446/09 und C-495/09) auf den Rechtsschutz von Inhabern geistiger Eigentumsrechte wesentlich entschärfen (Art 9 GMV).
  • Markenanmeldungen sollen künftig nur noch direkt beim HABM eingereicht werden können und nicht mehr, wie bisher, auch bei den nationalen Markenämtern (Art 25 GMV).
  • Der Anmelder soll die (Anweisung der) Zahlung der Anmeldegebühr künftig bereits bei Einreichung der Markenanmeldung nachweisen müssen. Derzeit ist die Entrichtung der Anmeldegebühr noch bis zu einem Monat nach Markenanmeldung möglich (Art 27 GMV).
  • Auch die vom EuGH in der Rechtssache IP Translator (EuGH 19.6.2012, C-307/10) festgelegten Grundsätze zur Bezeichnung und Klassifizierung von Waren und Dienstleistungen sollen in der Verordnung festgeschrieben werden. Demnach sind Waren und Dienstleistungen, für die Schutz beantragt wird, so klar und eindeutig anzugeben, dass die zuständigen Behörden wie auch die übrigen Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den Schutzumfang der Marke bestimmen können. Die Verwendung allgemeiner Begriffe soll dahingehend auszulegen sein, dass sie sämtliche Waren und Dienstleistungen einschließen, die eindeutig von der wörtlichen Bedeutung des Ausdrucks erfasst sind. Zudem sollen Inhaber europäischer Marken, die vor dem Datum der Veröffentlichung des neuen Klassifizierungssystems angemeldet wurden, ihre Spezifikationen der Waren und Dienstleistungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH anpassen können, um sicherzustellen, dass diese den Erfordernissen im Hinblick auf Klarheit und Eindeutigkeit genügen (Art 28 GMV).
  • Die Frist zur Einreichung von Bemerkungen Dritter soll erweitert werden. Derartige Bemerkungen sollen künftig bereits möglich sein, sobald Dritte von einer Markenanmeldung erfahren, und nicht erst nach Veröffentlichung der Markenanmeldung (Art 40 GMV).
  • Derzeit sieht das europäische Markensystem lediglich die Eintragung von Individual- und Kollektivmarken vor. Da einige öffentliche und private Stellen aber nicht die Voraussetzungen erfüllen, um eine Kollektivmarke eintragen zu lassen, soll zusätzlich ein System für den Schutz von Gewährleistungsmarken auf Ebene der Europäischen Union geschaffen werden (Art 74b bis 74k GMV).
  • Die Frist für die Erhebung eines Widerspruchs bei internationalen Registrierungen soll von bisher sechs Monaten auf einen Monat verkürzt werden (Art 156 GMV).
  • Bei Markenanmeldungen sollen künftig für jede einzelne Klasse Klassengebühren erhoben werden. Derzeit deckt die Anmeldegebühr eine Registrierung der Marke in bis zu drei Klassen von Waren und Dienstleistungen ab. Das vorgeschlagene neue System würde bewirken, dass Markenanmeldungen für Waren und/oder Dienstleistungen in lediglich einer Klasse oder in lediglich zwei Klassen günstiger werden (Gebührenordnung des HABM).

Insbesondere die vorgeschlagenen Änderungen zum wirksameren Markenschutz in Art 9 GMV tragen dem stetig wachsenden Problem der Produktpiraterie Rechnung und würden Rechteinhabern eine wirksamere Handhabe gegen derartige Eingriffe in ihre Ausschließ­lichkeitsrechte eröffnen.

Zeitgleich präsentierte die Europäische Kommission auch einen Novellenentwurf für die Marken-Richtlinie (Richtlinie 2008/95/EG), wobei zahlreiche der für die GMV vorgeschlagenen Neuerungen auch in die Marken-Richtlinie übernommen werden sollen.

Während die Novellen der Marken-Richtlinie und der GMV im Mitentscheidungsverfahren vom Europäischen Parlament und dem Rat zu beschließen sind und hier wohl noch mit einigen Änderungen zu rechnen ist, kann die Novelle der Gebührenordnung des HABM als Durchführungsrechtsakt von der Europäischen Kommission nach Zustimmung des zuständigen Ausschusses des HABM für Gebühren selbst erlassen werden.

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