Home / Veröffentlichungen / Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit

Die neue Verwaltungsgerichtsbarkeit

2013-03

In Kürze

Eine umfassende Reformierung erfährt nun die Verwaltungsgerichts­barkeit in Österreich. Kern der Novelle ist die Schaffung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit mit zwei Verwaltungs­gerichten des Bundes und neun Landesverwaltungsgerichten ab dem 1.1.2014.

Die wesentlichen Änderungen im Überblick

  • Schaffung von neun Landes- und zwei Bundesverwaltungsgerichten (Bundesverwaltungsgericht und Bundesfinanzgericht) als Verwaltungsgerichte 1. Instanz (so genanntes „9+2-Modell“)
  • Revision an den Verwaltungsgerichtshof bei Rechtswidrigkeit
  • Abschaffung der weisungsfreien Sonderbehörden des Bundes und der Länder
  • Entfall des administrativen Instanzenzuges (Ausnahme: Angelegenheiten im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinden)

Die neuen Verwaltungsgerichte

Ab dem 1.1.2014 besteht für jedes Bundesland ein Verwaltungsgericht des Landes (bisher UVS). Für den Bund werden ein Bundesverwaltungsgericht (aus dem bisherigen Asylgerichtshof) und ein Bundesfinanzgericht (bisher UFS) eingerichtet.

Die Verwaltungsgerichte sind mit voller Kognitionsbefugnis ausgestattet. Das bedeutet, sie können in der Sache selbst entscheiden; im Falle von Bescheidbeschwerden (bisher: Berufungen) allerdings nur dann, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, im Falle von Verwaltungsstrafsachen hingegen immer.

Zuständigkeit

Die Verwaltungsgerichte entscheiden nunmehr insbesondere über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit, aber auch über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und gegen die Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. Durch Bundes- oder Landesgesetz können zudem sonstige Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte vorgesehen werden. Dieses System führt dazu, dass es, mit Ausnahme des Instanzenzuges innerhalb des eigenen Wirkungs­bereichs der Gemeinden, keinen administrativen Instanzenzug mehr gibt. Die Verwaltungsgerichte entscheiden daher unmittelbar nach der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde.

Hinsichtlich der Verteilung der Zuständigkeit unter den Verwaltungsgerichten ergibt sich zusammengefasst ab 1.1.2014 folgendes Bild:

Es besteht hier eine Generalklausel zu Gunsten der Länder mit taxativen Ausnahmen betreffend die Zuständigkeit des Bundes. Grundsätzlich sind somit die Verwaltungsgerichte der Länder zuständig, soweit eine Angelegenheit nicht in die unmittelbare Bundesverwaltung fällt (Achtung: Von dieser Grundregel gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmen). Das Bundesverwaltungsgericht übernimmt etwa die Zuständigkeit des Bundesvergabeamtes und wird die Beschwerdeinstanz in jenen Sozialversicherungssachen, in denen bisher der Landeshauptmann entschieden hat.

Das Bundesfinanzgericht entscheidet grundsätzlich in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes behandelt werden.

Instanzenzug

Die Zweigliedrigkeit der neuen Verwaltungsgerichtsbarkeit wird durch die Revisionsmöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gewährleistet. In Anlehnung an die Zivilprozessordnung hängt die Zulässigkeit der Revision an den VwGH von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe oder eine geringe Leistung in Geld oder Geldeswert zum Gegenstand, kann zudem durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

Bereits seit Juli 2012 kommt dem VwGH volle Kognitionsbefugnis zu. Er kann somit in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Novelle wird in Teilbereichen eine bedeutende Erweiterung des Rechtsschutzes bringen, und zwar dort, wo bisher in oberster Instanz keine gerichtsähnlichen Behörden zuständig waren. Beispielsweise unterliegt erstmals die Finanzmarktaufsicht einer umfassenden Gerichtskontrolle. Dort, wo schon bisher die UVS bzw. der UFS zuständig waren, ändert sich hingegen wenig. In diesem Bereich war der Rechtsschutz schon bisher gut ausgebaut.

Vor den Verwaltungsgerichten besteht zwar kein Anwaltszwang, die neuen Verfahrensgesetze enthalten aber für rechtlich nicht versierte Parteien einige Hürden und Fallen.

Unsere Kanzlei berät und vertritt Sie gerne vor den Verwaltungs­behörden, künftig Verwaltungsgerichten sowie dem Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof.

Autoren

Foto vonRobert Keisler
Robert Keisler
Partner
Wien