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Erfrierungen bei einer Skitour – Unfall oder kalkulierbarer Faktor?

20/03/2017

Der OGH hat jüngst (7 Ob 79/16t) die Frage beantwortet, ob die durch eine Wetteränderung bei einer Alpintour erlittenen Erfrierungen einen Unfall darstellen und daher zu einer Leistungspflicht der Unfallversicherung führen. Im Zuge dessen traf der OGH auch Klarstellungen zur Rechtslage den Begriff des Unfalls in der Unfallversicherung betreffend.

Ein Fall, der kürzlich für Aufmerksamkeit sorgte, gibt Antwort auf die Frage: Erfüllen Erfrierungen tatsächlich den Unfallbegriff in der privaten Unfallversicherung? Kurz gesagt: Es kommt darauf an. Doch was steht hinter diesem OGH-Urteil, das nun eine klarere Richtlinie darstellt?

Beim Kläger handelte es sich um einen geübten Tourengeher, der gemeinsam mit einem Freund (ebenfalls ein geübter Tourengeher) eine mehrtätige alpine Hochtour unternahm. Die Wetterbedingungen waren dabei für die geplante Tour geeignet, verschlechterten sich jedoch in weiterer Folge, ohne dass es sich jedoch um einen unerwarteten, starken Wetterumschwung handelte. Solche Wetteränderungen waren für diesen alpinen Bereich nicht ungewöhnlich. Trotz der schwierigen Verhältnisse lag keine Notsituation vor und der Kläger und sein Begleiter trafen die alpintechnisch richtige Entscheidung, weiter zu gehen. Letztendlich erlitt er an den Zehen Erfrierungen II. und III. Grades, welche durch das Zusammentreffen mehrerer wetter- und kletterbedingter Faktoren verursacht wurden. Diese waren für den Kläger zwar allesamt nicht vorhersehbar, jedoch muss mit deren Eintreten man bei einer alpinen Hochtour gerechnet werden.

Der Sportler klagte die (Unfall-)Versicherung auf Zahlung und verlangte hilfsweise die Feststellung des Versicherungsschutzes. Zumal nach den zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen ein Unfall dann vorliege, "wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet." Demzufolge ging der Kläger davon aus, dass es sich bei den Erfrierungen und den daraus resultierenden Dauerschäden um einen vom Versicherungsschutz umfassten Unfall handle. Das Erstgericht und das Berufungsgericht wiesen die Klage allerdings ab. Denn entgegen der Ansicht des Klägers könnten die erlittenen Erfrierungen nicht dem Unfallbegriff zugeschrieben werden.

Entscheidung des OGH zugunsten der Versicherung
Wesentlich für den OGH war, dass in diesem Fall das für einen Unfall charakteristische Moment des Überraschenden, des Unerwarteten und des Unentrinnbaren fehlte.

An dieser Stelle lohnt sich ein genauer Blick auf die Ausführungen des OGH: Dieser sprach aus, dass ein Unfall dann vorliegt, wenn der vom Versicherten bewusst und gewollt begonnene Vorgang beherrscht wurde, diese Beherrschung aber durch einen unerwarteten Ablauf gestört wird und nunmehr schädigend auf den Versicherten einwirkt. Zum Begriff der "Plötzlichkeit" wird festgehalten: "Plötzlich" sind einerseits Ereignisse, die sich in einem sehr kurzen Zeitraum unerwartet ereignen, andererseits auch allmählich eintretende Ereignisse, wenn sie für den Versicherungsnehmer unerwartet und unvorhergesehen waren. Dies führt aber dazu, dass besonders sorglos agierende Versicherungsnehmer gegenüber achtsam vorausschauenden benachteiligt waren. Dazu dient die Unfallversicherung jedoch nicht und erwartet der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch nicht, dass jedweder Unglücksfall versichert ist. Demnach ist bei der Beurteilung ein objektiver Maßstab einzubeziehen.

Ein Unfallereignis liegt daher nur dann vor, wenn objektiv für den Versicherungsnehmer kein Grund bestand, mit den konkret eingetretenen Umständen zu rechnen, er davon überrascht wurde und ihnen nicht mehr entgehen konnte. Hat also ein Versicherungsnehmer zwar nicht selbst damit gerechnet, derart widrigen Umständen in dieser Form zu begegnen, hätte er dies aber objektiv betrachtet in der konkreten Situation tun müssen, so kann nicht von „plötzlich“ und einem Unfallgeschehen gesprochen werden.

Das Fazit des OGH lautet, dass es sich im Fall des Alpintourengehers auch nicht um einen Unfall, sondern um einen von der Unfallversicherung nicht gedeckten Unglücksfall handelt. Es gab keinen unerwarteten Wetterumschwung, dem der Kläger (hilflos) ausgeliefert gewesen wäre. Darüber hinaus lag auch keine Notlage vor. Vielmehr hätte der Kläger bei einer solchen Alpintour mit den eingetretenen Witterungs- und Wetterbedingungen rechnen müssen und kann sich daher nicht darauf berufen, diesen unentrinnbar überrascht ausgeliefert gewesen zu sein. Damit fehlt es am Element der "Plötzlichkeit". Dem Urteil entsprechend wurde der Versicherungsschutz der privaten Unfallversicherung somit im vorliegenden Fall verneint.

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Thomas Böhm
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Wien